Jesper Løvdal & Günter Baby Sommer "Jesper Løvdal & Günter Baby Sommer" (ILK Music, 21.05.2012)

Radiofreundliche Songlängen, wie (bis auf zwei etwas längere Tracks) in diesem Fall, werden wohl nicht dafür Sorge tragen, dass Jesper Løvdal und Günter Baby Sommer die daily Popsender hoch und runter gespielt werden, kurios wäre das schon und vielleicht fielen ein paar Bürodamen von ihren Bürostühlen. Der Horizont wird mit den reichlich spinnert fröhlichen Improvisationen nicht verengt und wer über diese Songs stolpert, ohne zuvor seine Musikader entdeckt zu haben, wird sich fühlen, wie der Archäologe, der beim Umgraben im privaten Garten auf historisch wertvolle Funde stößt. Zwei Jazzer, Løvdal (Lovedale) arbeitet sich am Gebläse ab, Baby Sommer traktiert sein Schlagzeug und übt sich an der Jaw's Harp = Maultrommel, beweisen ein feines Gespür für eigenwillige und tonal kaum klassifizierbare Klänge. Klar, das ist Jazz. Was sonst!?! Obschon kaum klassisch blues- oder swing-geerdet, wird ein jeder geneigte wie jeder erschreckte (Nicht-)Jazzfreak (ganz nach Geschmackskosmos) nichts anderes darin erkennen, als das große Klo Jazz. Was nirgends anders passt, kann in diese Schüssel gegeben werden - - -
Jesper Løvdal & Günter Baby Sommer kümmern sich indes kaum um die sorgfältige Sortierung ihrer Klänge und begeben sich mit der Lupe in den blühenden Garten, das Kleingetier zu erforschen. Manches Stück, wie etwa der Opener "Real Tartare", setzt forsch und straff an, gut organisiert baut das Duo das eröffnende Thema handwerklich, inspiriert und begabt mit Lust und Spielfreude aus. Im Anschluss werden sie mal lyrischer, erstaunlich oft gar, wenn sie zarte, indes kaum weniger abstrakte Themen vorantreiben. "First Movement", fast 8 Minuten lang, stiefelt wie ein spazierendes Kind dahin, von allen Dingen am Wegesrand gefesselt und in jede Entdeckung vertieft, purzelt das verinnerlicht träumende, dabei schön kraftvoll gespielte und erstaunlich melodische Stück entspannt genüsslich seinen Pfad. In aller melodisch abstrakten Extravaganz ist dies sehr einschmeichelnd und in seiner Sanftmut unterhaltsam und spannend. "Maultrommel" meint für mich unweigerlich eine psychedelische Note zu haben. Fehlen nur die Blumenmädchen, die in weißen Kleidern mit Blumenkränzen im Haar durch die Endsixties tanzen.
Ganz besonders ist allen Stücken, und darum sind sie wohl so kurz, das kraftvoll intonierte Thema, das forsche Angehen der improvisierten Ideen, die Konzentriertheit auf lebhaften Inhalt. Da sind keine Lücken oder Pausen, keine Längen und dröge Übergänge, nur stete Purzelbäume und lustvoll technisches Spiel. Gewiss ist Technik nicht, was das Duo ausdrücken will, indes bleibt in den Stücken nicht vorborgen, das Løvdal & Baby Sommer genau wissen, wie Songs lebhaft arrangiert werden, und dass sie alles nutzen, so viel Spaß und Spannung in ihre Songs zu bringen, wie es geht. Druck ist nie zu spüren, wenn selbst in krassen und radikalen Tracks, ein paar davon sind an Bord, forsch und laut auf Tasten und Fellen gearbeitet wird.
ILK Music erweist sich einmal mehr als grandioses Label für avantgardistischen Jazz, der keine Kopfschmerzköpfe platzen lässt, sondern feinkrasse Ideen auf verrückt irren Disharmoniewegen bastelt. Jesper Løvdal & Günter Baby Sommer sind gewiss auch live sehr kurzweilig und unterhaltsam. Bleibt zu hoffen, dass die Bühnen nicht zu weit vom Bodden entfernt stehen.

ilkmusic.com
VM





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