Locomotive "We Are Everything You See" (Eclectic Records 2004)

"We Are Everything You See" ist ein geradezu geniales Werk. 1969 in einer Mischung aus Psychedelic, Jazz und frühem Progressive Rock eingespielt und 1970 von EMI/Parlaphone Records veröffentlicht, gab es bereits 1988 ein LP-Reissue auf Zap! und 1995 ein CD-Reissue auf Shoestring. Doch jetzt endlich haben Eclectic Records das CD-Release so vollständig und hochwertig gemacht, wie es sich für diese ausgezeichnete Scheibe gehört. "We Are Everything You See" ist das einzige Werk der in Birmingham ansässigen Band geblieben, 5 Singles zwischen 1967 und 1970 wurden nebenher auf den Markt gebracht, die meisten Songs davon sind als Bonustracks auf der CD enthalten (unter anderem die bisher nicht auf CD veröffentlichten Mono-Versionen von Mr. Armageddon und You Must Be Joking). Norman Haines (key, voc, später Sacrifice, Norman Haines Band), Mick Hincks (b, voc, später Dog That Bit People), Bob Lamb (dr, später Dog That Bit People), Mike Taylor (tr) und die Gäste Lyn Dobson (sax), Dick Heckstall-Smith (sax, Graham Bond Organisation, Coloseeum), Henry Lowther (tr), Bill Madge (sax), Chris Mercer (sax) und Chris Wood (fl, später Gründungsmitglied in Traffic) spielten die 13 Songs des Albums ein. Die früheren Hits der Band, wie Rudi´s In Love sind nicht auf die CD gekommen, dieses Release beschäftigt sich ausschließlich mit dem rockorientierten Material von Locomotive. Nach der "Overture", einem mit klassischem Instrumentarium eingespielten, fabelhaften Instrumental geht die Band gleich in die Vollen: "Mr. Armageddon" ist ein Psychedelic Monster mit dem damals typischen Beatklang. Hartes Schlagzeug, fette Bläsersätze, blubbernde Orgel und ein Gesang, der einem die Hosen auszieht! Ein perfekter Song, der als 45er Single ausgekoppelt wurde - und floppte - war wohl zu anspruchsvoll. "Now is the End - The End is When" wechselt zwischen Jazz und Rock, von der aktiven Bläserschar und einer gnadenlos tränenrührend kompetenten Rhythmuscrew angetrieben. Ein paar Songs später kommt der nächste Hit. "You Must Be Joking" rasselte in den Siebziger Jahren durch jede Radiostation. Die Muse hatte den Komponisten tüchtig zu Boden geknutscht, hier stimmt alles, wo hat man je eine kompliziertere Bass-Figur in einem Hit gehört. Die Attribute gehen hochrangig weiter, ein dritter Hit ist mit der Ballade "Rain" vertreten, doch nicht die Hitlastigkeit des Albums (die es nicht gibt), sondern die musikalische Qualität machen den Reiz der Musik aus, wie das dreiteilige, charmant-komödiantische "The Loves of Augustus Abbey" zeigt. Zum einen ist es dieser Klang des frühen Progressive Rock, der ein lautes, hartes Schlagzeug in den Vordergrund mixt, von unglaublichen Bassnoten begleitet. Dann die nonchalante Orgel, die fetten Bläser, der Humor der Kompositionen und hin und wieder auftretende kitschfreie Streicher! "We Are Everything You See" riecht förmlich nach musikalischem Frühling, nach Aufbruch. Diese Pioniertat kann nur gewürdigt werden. Ein absolutes Highlight!

eclecticdiscs.com

VM



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