Liviu Jean Manciu "Reflections" (Eigenproduktion 2012)

Der neueste Schrei aus dem Hause Manciu ist ein weiterer eklektischer Brocken Musik, der stilistisch so umfangreich wie sympathisch ist. Rock - Blues - Fusion - Jazz - Ethno - Classic in Studio- und Liveaufnahmen sind auf der CD, 13 zwischen 2004 und 2011 eingespielte Songs. Welches Stück in welcher Besetzung, welcher Band, welchem Projekt eingespielt wurde, ist im Booklet nachzulesen. Aktuell arbeitet Liviu Jean Manciu, der ursprünglich aus Rumänien stammt und in den 1970ern dort schon in einer Band spielte, mit sechs Bandprojekten (wenn ich richtig zähle).
Zarte Akustik(-Gitarren-)Stücke, schwerer Bluesrock, komplexer Jazzrock, klassische Stücke, Funk, Poppiges und mehr haben viel Lyrik und Gefühl. Nie wird ein Song besonders hart aufgeführt, selbst die krachzarten Bluesrocker haben diese nachdenkliche Note, wenn das Trio The Gendrix (dessen Einfluss schon [irgendwie] im Namen steckt) seine Interpretationen auch gut abgehen lässt. Im Mittelpunkt steht stets das ausgefeilte, technisch versierte, indes kaum technisch orientierte Gitarrespiel Liviu Jean Mancius. Die Bandbegleitung wird nicht an die Wand gespielt, die Songs funktionieren im Bandinterplay sehr gut. Wenn Manciu auch ohne Band kann, kann es anders herum wohl kaum funktionieren.
Die Songs sind zwischen 4 und 9 Minuten lang, liegen zumeist so um 6 Minuten, so dass alles zusammen auf 78 Minuten kommt. Keine Idee ist gebremst, der pulsierende Fluss der Motive geht mal flott rockend, aufwendig jazzzelebriert oder langsam klassisch/ethnisch lyrisch dahin. Jeder Song und jede Idee hat zahllose Facetten, wie vor allem Liviu Jean Manciu gerade in balladesken Motiven ausgelassen fingerfertig über lebhaften Achtelnoten Gitarre spielt und jeder Harmonie noch weitere Töne und Splitter entlockt, ist phänomenal und beeindruckend.
Der Klang der Aufnahmen ist nicht von erstklassiger Studioqualität, dank moderner Aufnahmetechnik aber kaum weniger eindrucksvoll. Die Songs sind rein und klar, haben erhabene Höhen und klare Tiefen, dass selbst die in zwei Songs zu hörende Kirchenorgel im Duett mit der elektrischen Gitarre keine Probleme bereitet und gut aufgenommen ist. Über allen Songs schwebt nachdenkliche Melancholie, keine bittere Schwere, sondern hinreißende Verträumtheit, deren Düsternis illustren Eindruck macht. Mir persönlich gefallen die ambienten und folkloristischen Stücke zuerst; mit der Interpretation von Billy Cobhams "Red Baron" musste ich mich erst anfreunden, was vielleicht daran liegt, dass ich die "Best of" LP von Cobham seit Kindertagen in der Sammlung habe und mit dem originalen Stück unendlich vertraut bin.
Der stilistische Wechsel ist nicht anstrengend oder aufgesetzt, die Vielfalt ist Farbenreichtum und überraschend; wenn Jazz- und Rock- wie Folkfans tolerant und neugierig genug sind, können sie von allen Stilen feine und interessante Songs hören, die verwandter sind, als es zuerst scheint.

liviujeanmanciu.com
VM




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