Technik



Line 6 Tonecore Dr. Distorto

"Küss mich Doc!"

Es gibt ja in den einschlägigen Rock- & Pop Magazininterviews immer die lustige Frage nach dem Einfluß der jeweiligen Probanden. Meist werden dann zwischen 3 und 10 Songs/Interpreten aufgezählt, die maßgeblich zum Erfolg beigetragen haben. Fast immer dabei sind: J. Page, J. Hendrix, E. van Halen, E. Clapton, R. Blackmore und B. Dylan. Kaum Einer nennt M. Barree, T. Nugent oder gar Ricky King! Mir würde, natürlich mangelnder Popularität, niemand diese Frage aller Fragen stellen, deshalb beantworte ich sie hiermit ungefragt. Reduziert auf 3 Songs/Soli nebst Solisten liest sich das wie folgt:
1. "Yo Mama" (Sheik Yerbouti), Frank Zappa
2. "Rock is a Drug" (The Spliff Radio Show), B. Potschka
3. "In memory of Elisabeth Reed" (The Allman Brothers Band live at Fillmore), D. Betts

Am meisten beeindruckte mich bei diesen Dreien der Ton, der fast violinenhaft ist und rund und voll erstrahlt. Es sind auch die einzigen Soli von Fremdinterpreten, die ich nachspielen kann, obwohl es sich bei weitem nicht so schön und rein anhört wie bei meinen Helden. Als ich dann meinen Line 6 Pod 2. 0 erwarb, stellte ich erstmal den Sound der 3 ein. Beispiele gab es ja in der Fachlektüre.- Siehe da, es klang! Na ja, fast. Aber ganz nah dran. Was fehlte war das letzte Quentchen Sustain, dieser clean angeschlagene Ton, der so harmonisch rückkoppelte. Geht ja eigentlich auch nur bei hoher Lautstärke und satter Endstufenzerrung.
Abhilfe könnte ein E- Bow oder das Fernandez Sustainer System schaffen. Erstes ist aber ein bisserl unhandlich und das Zweite ziemlich teuer. Und die Lautstärke von Dickey und Frank? Na, da freut sich die Nachbarschaft! Aber zum Glück gibt es ja Dr. Distortio, ganz ohne Praxisgebühr und Hausbesuche macht der nette Herr auch noch. - Schön, schön, schön, ein schöner Mensch!- Da freut sich nicht nur die Krankenkasse. Dann wollen wir mal dem Doktor eine Leibesvisitation angedeihen lassen!
Form und Gewicht sind bei allen Tonecorepedalen gleich. Satte 1,1 Kilo und ein futuristisch formschönes Äußeres kann ich hier bescheinigen. Auch die Lösung des Batteriefachs ist äußerst praxisnah. Das muß es hier auch sein, denn Dr. D. schluckt wie Gina Wild zu Bestzeiten. Bei dem Preis von 119 € könnten Line 6 eigentlich ruhig ein Netzteil bereitlegen.
Leider und das hab ich ja beim Crunchtone bemängelt, sind die Potiknöpfe arg fragil und fallen leider aus dem Rahmen des ansonsten vorbildlichen Äußeren.
Kommen wir nun zu den Innereien. Nach dem Aufschrauben bietet sich dem Testerauge eine saubere, penible Verarbeitung. Schön, sieht man so perfekt auch nicht sehr oft.
Nun aber zum wichtigsten, dem Sound. Anders, als der zahme Crunchtone oder der überaus aggressive Übermetal, ist der Dr. Distortio schon fast ausschließlich für den Leadeinsatz konzipiert und lehnt sich an den legendären Boss DS 1 an. Drückende, sahnige Mitten mit ordentlich Gain können hier geliefert werden und sind über Level, Tone und Drive regelbar. Natürlich ist auch hier ein 3 stufiges Noisegate an Bord, das seine Aufgabe sehr ernst nimmt und sauber verrichtet. Der eigentliche Clou ist aber der Sustainer bzw. Feedbacker, der über Rise, Full und Blend zugemischt werden kann und als Miniswitch aktiviert wird. Auch hier gibt es 3 Optionen, die da wären: Off, Sustain oder Oct.. Letztere Einstellung läßt der Ton in die nächste Oktave umkippen.
Na denne mal ran ans Werk und den Dr. sensibel eingestellt. Nicht zuviel Drive, dafür mehr Sustain. Schön eingeblendet und schon stehen die Töne fast wie bei Betts und Zappa bei moderater Lautstärke. Natürlich weist Dr. D. eine große Flexibilität auf, so dass eigentlich für jeden etwas dabei sein müßte. Ob Live oder Studio scheint egal, denn hier liegt uns ein echter Allround Mediziner zu Füßen. Es empfiehlt sich allerdings, das Pedal in den Cleankanal des jeweiligen Amps zu fahren, denn erfahrungsgemäß macht zuviel Zerre den Ton kaputt und da hilft auch kein noch so gutes Noisegate. Exzellent, wie Line 6 die herausragende Technik des Vetta Amp. und des Pod XT in die Tone Core Serie einfließen läßt und auch immer wieder versucht, neue Standards zu setzen Die übrigen Pedale Verbzilla, Ottofilter, Liqua- Flange und Rotomachine stehen dem in nichts nach, wie ein Kurzcheck ergab. Wer also sowohl Satriani/Vai artige Leadsounds, oder so wie ich Betts/Zappa Sounds sucht, ist mit dem Dr.Distortio gut bedient. Nur die Sache mit den Potis und dem fehlenden Netzteil fällt hier ins Minus, aber das relativiert sich durch Qualität und Ton.
Ach, eh ich's vergesse, B. Potschka`s damaliger Leadsound ist auch machbar, schließlich liefert der Doktor ja sowohl Overdrive, Distortion als auch Fuzz.

Ach ja, folgendes gilt jetzt für alle Line 6 Produkte!!!
Die Gebrauchsanweisung, die Line 6 beilegt, ist außerordentlich gut gemacht.
Witzig, charmant und informativ!
Auch der Titel "Pilot`s Handbook" ist passend gewählt.
Ich frage mich nur, ob der Titel nicht zu Missverständnissen führt, wenn man als südländischer Typ am Flughafen steht und ein Flugzeug besteigen will. Rektale Untersuchungen von geschultem Personal könnten sehr schnell Realität werden.

Aber das nur so am Rande!

Michael KrAMPe
The Naffn`s Ampire




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