Kurai "Kurai" (AltrOck Productions 2009)

Kurai ist japanisch und bedeutet dunkel. Hinter dem Namen verbirgt sich jedoch keine japanische, sondern eine europäische Band, wie weitgehend aus dem Umkreis Yugens kommt, mehrere Mitglieder sind in beiden Ensembles aktiv.
Enrica Di Bastiano (arpa), Maurizio Fasoli (pianoforte), Giuseppe Olvini (percussioni, clavicembalo, shruti box), Peter Schmid (clarinetto basso e contrabasso, tubax), Markus Stauss (sassofono basso, tenore e soprano), Christian Weber (contrabasso) und Francesco Zago (chitarra elletrica, mellotron) sowie die beiden Gäste Stephan Brunner (basso elettrico) und Marco Sorge (clarinetto) - im nächsten Leben werde ich Italiener - nicht nur der Sprache wegen - spielen ungewöhnliche, nicht schlicht schubladisierbare, improvisative und freie Musik, die am ehesten zutreffend mit Neuer Musik betitelt ist. Die atmosphärische Avantgarde mit Link zu Filmmusik und Free Jazz, zu ambienter Elektronik und akustischer Klassik zieht aufgeschlossene Hörer schnell in ihren Bann. Im Unterschied zu anderen Bands der freien Improvisations-Szene legen Kurai Wert auf komplexe Strukturen, was mal in einem virtuosen Pianosolo, dann in lautmalerischen Soundcollagen, schließlich in entspannt laxen Jazzfiguren sowie hektischen Frickelpartien und tief verträumten bis melancholischen Stücken zu hören ist.
Die Musik ist in ihrer instrumentalen Stille so intensiv, dass das Fehlen jeder Gesangsstimme wie ein ausgeschnittenes Stück Raum auffällt. Als spielten/experimentierten die Musiker aus dem Stehgreif, der Situation heraus und fänden so zu einer ungemeinen, tiefen Intimität, die den Zuhörer zum Lauscher macht, der nicht weiß, ob er überhaupt zuhören darf oder einem verschlüsselten Geheimnis beiwohnt.
Die 71:36 Minuten lange CD, die Angabe auf dem Backcover, die von 67 Minuten spricht, trifft nicht zu, besteht aus 17 Tracks, die italienische, französische, deutsche und englische Titel haben, etwa "Flüster-Kadenz", "Miniature On Rovine", "Einigermassen ruhiger" oder am Ende der CD, als Gegenstück zum Bandtitel, "White". Der verinnerlichte Zusammenklang der elektrischen und akustischen Instrumente hat ultraspannende Momente, die wie Hörspiele wirken, Kurzkrimis, kompositorisch fast beliebig sein könnten, fast, aber von großer Harmonie und innerer Spannung sind.
Tiefe Saxophon-Töne kullern umher, von Klarinettenträumereien begleitet, dröhnend schwingenden elektrischen Bassschwellungen, elektrischen Gitarrenkratzern und gurgelndem Mellotron. Manche Komposition hat klarere, greifbarere Struktur als andere, mag freier, abstrakter sein, oder harmonischer, und melodischer. Manches Thema ist wie Wind, aufkommende Böen verfliegen, von neuen verfolgt, Amplituden-gleiche Schwelltöne, deren Musikalität volumig ist und verzaubert scheint.
Gewiss wird das Projekt es schwer haben, große Anerkennung zu finden. Zwar ist die Musik nicht unbedingt sehr schwer und schon gar nicht unnahbar, sondern angenehm nachvollziehbar und von tiefer innerer Ruhe, bis auf die aufgeregt schnatternden freien Passagen.
Vielleicht wird das Album in der Neuen Musik am ehesten Gehör finden, obschon die Gesamtstruktur und das allgemeine Klangerlebnis eher mit Progressive Rock verwandt sind. Im Progressive Rock jedoch gibt es für diese abstrakte, rockferne Spielart zu wenige potentiell neugierige Hörer.

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VM



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