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Kraan "Wiederhören" "Nachtfahrt" "Live 88" (Revisited Rec. VÖ: 01.08.2005)
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Revisited Rec., das junge Unterlabel von InsideOut Music, "macht in" Reissues. Den Auftakt machte das Label mit Klaus Schulze, dessen Reissue Serien auf Grund der Fülle an Alben wohl noch in Jahren erscheinen werden. Amon Düül 2 folgten mit späteren Alben. Angekündigt sind derzeit Paul Gurvitz, Three Man Army und Baker Gurvitz Army sowie 2 CDs von Frank Marino & Mahogany Rush von 1986 und 2000, die hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen, der Gitarrist ist grandios!
Und jetzt liegen ab dem 1. August 2005 drei CDs von Kraan vor. Auch nur ein Anfang, insgesamt soll die Kraan Serie 10 CDs umfassen. Wie bereits bei Klaus Schulze geht das Label nicht chronologisch vor, sondern beginnt mit späteren Alben.
"Wiederhören" von 1977 ist vielleicht das letzte Album der Band, das noch nicht auf Erfolg angesetzte, tagesmoderne Popsongs präsentiert. Die meisten Songs sind aus dem lässigen, entspannten und dabei kantenreichen, virtuosen Jazzrock in der Kraan ureigenen Art geschnitzt. "Rund Um Die Uhr" und "Wiederhören" sind herausragende Tracks, wenn das Album auch insgesamt als fabelhaft durchgeht. Im Booklet ist die Band noch im 70er Jahre Habitus abgebildet. Strickpullover, lange Haare und Schlaghosen, alles bunt und entspannt. So klingt auch der live eingespielte Bonustrack. "Ein Wiederhören Mit Einem Bass Solo" ist ein klanglich zwar etwas abfallendes, aber solistisch und improvisatorisch sehr interessantes Stück, das sich genüsslich über 19 Minuten ausbreitet.
Was für ein radikaler Wechsel vollzog sich in der Band in den folgenden Jahren! In den 80ern war der Rocksound der 70er verpönt, die Neue Deutsche Welle, New Wave und Punkrock erzogen ein junges Publikum, das ganz anderen musikalischen Werten hinterher lief. Das ist dem 1982 "Nachtfahrt" deutlich anzuhören. Kraan spielten modernen, simplifizierten Sound. Dennoch aber klingen die Songs erstaunlicher Weise immer noch typisch nach Kraan. Die Band hat einen Stil übergreifend eigenen Klang, der mal als Krautrock lebt, um ein paar Jahre später mit anderen Ideen in der Neuen Deutschen Welle erkennbar zu sein. Klingt nach Chamäleon?

Die instrumentalen Songs sind zeitloserer Natur als die Popsongs der Platte. Opener "Wintruper Echo", der tolle Jazzrocker "Nachtfahrt" und "Luna Park", die starken Stücke, sind Kraan pur. Von den weiteren Tracks sind "Faust 2000" und "Normal" auch auf Grund der Texte am belanglosesten und nicht als anstrengende Tagesschlager, während "Viel zu heiß" einen gewissen Charme hat. "Elfenbein" lebt von seinem melancholischen Motiv, den Text kann man getrost ignorieren. "Playing For You" und Paper Stars" sind textlich auch nicht gerade der Hit, während die musikalischen Ideen einigermaßen klingen. Als Bonus gibt es "The Daily Blues", die einzige Komposition des damaligen Schlagzeugers Gerry Brown (während der späteren Funk-Phase bei Return To Forever).
Nach "Nachtfahrt" gab es erst einmal nur Live-Aktivitäten, bis die Band sich auflöste. Erst 1987 traten Peter Wolbrandt (g, voc), Jan Fride (dr) und Hellmut Hattler (b) mit dem Trompeter Joo Kraus, der auch Keyboard und Percussion spielte, wieder auf. Davon hörte der schwer kranke Conny Plank, der am 19. Oktober 1987 eine Aufnahmecrew ins Quasimodo nach Berlin schickte, die das Konzert aufnahm.
13 Songs des Konzertes wurden als "Live 88" auf 2 LPs veröffentlicht. Mit dem "Kraan Live" Klassiker aus dem Jahr 1975 gibt es 3 Überschneidungen ("Nam Nam", "Holiday Am Marterhorn" und Kraan Arabia"), die jedoch fast komplett anders klingen. Neben diesen Klassikern spielten Kraan auch brandneue Songs wie "Rush Hour", "Dinner For Two", "Favorite Land" und "Kunststück". Die NDW Einflüsse waren größtenteils wieder weg, der Jazzrock Kraans fand sich in schwer groovigem Funk wieder, der die zumeist instrumentalen Songs in ganz neuem Licht zeigte. Angenehmer Weise waren Basssoli wieder erlaubt und auch Peter Wolbrandt übte sich im Improvisieren.
Trompeter Joo Kraus, der mit Hellmut Hattler auch als Tab Two zusammenarbeitete, brachte neue Klänge in die Band. Neben den kompositorischen Eckpunkten und den blitzschnell variierenden vielen harmonischen und rhythmischen Überraschungsmomenten in den Tracks sorgte das bislang ungewohnte Instrument Trompete für besondere Klänge, die sphärisch in die Songs einflossen.
Als Bonustrack ist der ein paar Tage früher gespielte Song "Ausflug" zu hören. Die CD ist damit über 79 Minuten lang und voll ausgeschöpft. Die Aufnahmen sind bereits im August 2000 digital remastert worden, im Juni 2005 wurde das Material von Eroc auf seiner Ranch noch einmal überarbeitet.
In den Booklets ist die Geschichte der Band, auf die jeweilige Platte zurecht geschnitten, in Englisch und Deutsch nachzulesen. Bilder und technische Details ergänzen die umfassend ausgeführten Produktionen.
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