Koenjihyakkei "Angherr Shisspa" (Skin Graft Records 2005)

Stellt euch vor, es gibt eine Droge, die besonders die Emotionen anspricht. Die Typen, die diese Drogen nehmen, empfinden emotional viel intensiver, das Ausdrucksempfinden wird erhöht und im Ausdruck der Kunst der vollkommene Exzess zelebriert. Ach, die Droge gibt es bereits! Damit sind wir aber schon übers Ziel hinausgeschossen. Manche Band braucht keine solche Droge, aber als Idee und Vergleich kann man damit etwa erfassen, auf welchem Pfad sich Koenjihyakkei (aka Hundred Sights Of Koenji) befinden.
Das Quartett um den Ruins-Trommler Yoshida Tatsuya, der hier wie überall seine bekannten und ausgeflippten Vocals beisteuert und zudem das Schlagzeug neu zu erfinden scheint, oder zumindest die Möglichkeiten, die das Schlagzeug bietet, begibt sich in den 8 Songs der CD auf eine extreme Reise nach Kobaia. Die Songs auf "Angherr Shisspa" haben viel von Magma, vor allem in der minimalistischen Variation der Themen und zuerst in den Gesängen (und der Ähnlichkeit der Kunstsprache). Die Kompositionen sind denen von Magma verwandt, wenn das Quartett auch eine ganz eigene instrumentale und dynamische Ausdrucksstärke hat und die Instrumente auf persönliche Weise spielt. Tatsuya ist nicht Vander, die beiden Sängerinnen Kanazawa Miyako (b) und Yamamoto Kyoko sowie Komori Keiko (reeds) und Sakamoto Kengo (key) sind mit den Vokalisten von Magma schon in Stimme, Intonation und Stimmansatz nicht vergleichbar, doch aber im Ausdruck und der choralen Sprache.
Koenjihyakkei spielen instrumental einen Mix aus Ruins, Magma, Jazzrock und Progressive Rock. Die Songs sind schwer komplex, extrem vital und von enormer Abstraktion. Die dauerhaften Gesangsbeiträge dürften den "normalen" Prog-Freak durchaus verstören. Wer jedoch Magma, Bondage Fruit, Korekyojinn sowie Ruins nicht abgeneigt ist, und ein Faible für Emerson, Lake & Palmer, Jazzrock und Avantrock hat, wird hier so richtig fündig.
Das Quartett abstrahiert enorm, kann aber auch emotional ausgreifen, wenn die Band beim Thema bleibt und die Sängerin die melodisch lautmalerische Reise mit vollem Timbre unternimmt. Die Band variiert die Themen stetig, so sind neben den ausgedehnten Gesangsdarbietungen extrem viele höllisch komplexe und variable Motive zu hören, die stets sehr dynamisch und lebendig abgehen. Koenjihyakkei machen keine Gefangenen, entweder man wird begeisterter Fan der Avantrock Opern oder aber kann den Kosmos nicht mehr verstehen. Meine unbedingte Empfehlung allen Avantrock Freaks; diese unabhängig von Stilen und Moden agierende Band verzaubert und fesselt.
Unbedingt hinhören!

skingraftrecords.com/audio.html
VM



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