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King of Agogik "Exlex Beats" (Superskunk Music/sAUstARK Records 2014)


Es lebe der König! Oder besser: der Hofnarr, der die Agogik beherrscht. Der Herrscher der krummen Takte, der Tempoveränderung, der rhythmischen Variation. 77:05 neue Musikminuten, in 11 Songs gestopft, mit einem Auftakt, der forsch voranstiefelt, sind hier zu erfahren. Und einiges davon bereitete mir zuerst Kopfzerbrechen. Denn kaum sind die 3 Minuten des Auftaktes "Bronto's Navel" sehr schnell vorüber, da - doch was ist das, am Ende dieses Tracks. "Owner of a..." - schon beginnen 11:57 Minuten "11th Sense". Und was hier eingesammelt und ausgestreut ist, sind markante Eckpunkte von Klassikern der progressiven Rockmusik samt AOR-, Metal- und Poprock-Schnipseln. Im Booklet steht: "...for amusement only...". Puh! Gerettet!
Die 'Komposition' namens "11th Sense" ist ein Mix aus allerhand bekannten Rocksongs, verkittet durch Exlex Beats, die das Gebinde zusammenhalten. Etwas ähnliches, auf seine Weise, hat das japanische 3-, 2- bzw. 1-Mann-Ensemble Ruins auch bereits gemacht. Dort allerdings in minimalste Sekunden gepresste Medleys, die quasi das ganze Œuvre eines Künstlers im Speed-Format zerstückelt anboten. Hier springt der King von einem Märchenland zum anderen, lässt die alten Fanfaren erklingen und sammelt ein, was ihm so in den Sinn kommt. Bezaubernd ist dies dort, wo Stück an Stück erfolgreiche Klassikersplitter abgespult werden und kein Raum zum Denken bleibt. Wenn allerdings hier und dort kleine Brocken abgeworfen werden und viel Exlex eingebaut wird, sucht das hungrig gemachte Hirn nach den Brocken und kann nicht auf Exlex hören. Interessanter Track, gewiss. Aber ich kann mich nicht amüsieren.
Mit "Nomouglea" folgt eine sehr schöne Ballade, die in ihrer sphärischen Eingängigkeit aufzeigt, dass der Exlex King hierfür ein großes, inspiriertes Herz hat. Berückend, aber nicht besonders.
Woraufhin die 8:17 Minuten von "The Chasteness" im progressiven Setzkasten ackern, was sie gut tun, in sphärisch lyrischer und nostalgischer Verträumtheit. Deftige Keyboardsounds mittendrin, deren Gewaltigkeit mich schon immer am Prog zweifeln ließen: warum so viel Pomp, warum nicht elegantere Zurückgenommenheit und mehr kompositorischer Inhalt? Hier ist dies eine kurze Passage nur und der Song hat Druck und Schmackes und gefällt mir durchaus. Lustiger Weise gefällt mir der spätere Verlauf immer besser, was an für meine Ohren großartigen Keyboardsounds liegt. So kann es sein!
Satte Rocker, schwerer Bombast, lyrischer Folk, hochmelodische Partien hier, vitalenergische Deftigkeit dort - bis zum Stück mit dem schönsten Titel: "The venturous dream of a Schlabbershirt", der mir im musikalischen Inhalt gleich noch sympathischer ist als ohnehin - immerhin geht es hier um ein Basssolo, und was könnte interessanter sein als perfekt gelungene, extravagante, krasse Basssoli. Sehr schöne Schlagzeugarbeit im übrigen, da wird deutlich, dass der Exlex King Jazzbeats exzellent zu streuen begabt (und interessiert) ist.
Nun, und nun folgt "Thin as a Skin". Mhm, woran erinnert mich das nur?!?
Und in der Tat, in den folgenden 22:47 Minuten begeht der King of Agogik samt seinen Hofscharen eine Verneigung vor einem alten König eines anderen, artverwandten Landes. Und dies, nun, dies amüsiert mich sehr!
Lange Passagen des Werkes sind allein agogischen Beats vorbehalten, bevor, nach dem Auftakt und diversen Schnipseln hier und dort, wieder markante Bestandteile des bekannten "Jethro as a Tull" von Thick Brick interpretiert werden. Einmal sind es nur Schnipsel, dann wird es konkreter und dauert an, was vom alten Werk in dieses neue fließt, und die Band interpretiert die King of Agogik-Komposition mit einer Verve und Hingabe, dass nur zu staunen bleibt. Hier stand kein Plattenfirmenboss mit Folterinstrument im Nacken, die Chose zu lenken, hier wird frei gewildert, dass zu hören und staunen bleibt. Und die Vitalisierungen sind vielfacher Art. Genaue Zuhörer werden sich im Märchenwald wähnen. Viel faszinierender Urwald, zarte Lichtungen und plötzlich Goldbrocken einer anderen Welt. Mhm! I'm amused!
Als stolpere die Band plötzlich in das andere Werk, im Rausch agogischer Trance, aus Versehen passieren dann noch ganz andere Dinge, da wächst zusammen, was...
Hört es euch nur an. Und: Geduld!
Zuletzt entspannen esoterisch weltmusikalische Symphonik-Muster mit Donnerwirbel, sodann uraltes nostalgisches Westernklaviergeklimper, als wäre "Es war einmal in Amerika" im Abspann.
Gut gemacht, agogischer König. Mit einigen Macken. Aber: als Hofnarr gehören die doch notwendig dazu!

schlag-das-zeug.de
VM



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