King Of Agogik "Aleatorik System" (sAUsTARK Records 2008)

"Fleisch(licher Genuss) lebe wohl!" - jetzt kommt ein Vademekum für Mus-iker, das weder Fisch noch Fleisch ist, sondern sich als Köstlichkeit erweist, die sogar Mozartkugeln zu ollen Kamellen degradiert. Doch auch "Normalhörende" sollten ein oder besser noch zwei Ohren riskieren, um durch dies Klingen mitzuschwingen und auf diese Weise von Stereotypien befreit zu werden. War bereits die erste Solo-CD von Hans Jörg Schmitz (s)ein Meisterstück, erweist sich "Aleatorik System" als niemals zu gefälliges Feuerwerk im auditiven Cinemascope-Format. Niemand wird bei der immensen Klangvariabilität behaupten können, er sei im falschen Film, aber ein jeder wird wohl sein Lieblingswerk entdecken, sei es den monty-pythonesken Vorfilm "The Inner Clock" (Hier sind unter anderen Sprachsequenzen von Ruth Gordon, der Maude aus dem gleichnamigen morbiden Kultfilm und von Peter Gabriel zu einem tiefsinnigen Soundpuzzle verwoben, das zum kon-zen-trierten Hören einlädt. Sind wir nicht alle ein wenig idle?), das 22:22 minütige Monumentalepos "The Long March Of The Royal Fifth" (Erinnert tatsächlich in Teilen ein wenig an die "Long March Symphony" von Ding Shan-de (Zufall?) und basiert auf Quintolen, die diverse eher unübliche Metren - 9/8, 5/4 und 7/8 sowie 7/4, 8/4 und 9/4 - durchlaufen.), das car-t(o)onige "Call In S" (Hier spielt die Gitarre ganz kurz die Melodie des Collins-Stückes "In The Air Tonight" an - wohl eine Hommage an den guten Phil, was durch den schnell gesprochenen Titel erhärtet wird. Zu phil der Ehre?), die martialische "Aleatorik Suite" (The Animal und Mr. Krabs jodeln - unterlegt von einem Groove, den bereits die Band Waltari verwendete - um die Wette und das unter anderem in 13/8 und 15/8.) oder der mysteriöse Epi-log "Emoclew" (Ein Paradebeispiel von backward masking, das ganz und gar nicht in die "bad word masking"-Ecke driftet, sondern vielmehr darauf hinweist, dass ein Ende immer einen Anfang in sich birgt - "Welcome to the next King Of Agogik-CD..." Außerdem werden die ständig wechselnden 3er, 5er und 7er Gruppen so geschickt maskiert, dass für die innere Uhr alles "rund" nach vier Vierteln klingt.). Auch in den restlichen Titeln wimmelt es nur so von Kuriositäten, die aber keinesfalls aufgesetzt, sondern eher zufällig wirken.
Trotz all dieser Detailinformationen muss man die Musik von Herrn Schmitz (Schlaginstrumente, Schlüsselbrett, Gitarre, Klänge), der von Dirk Wilms (Gitarre, Bass), Volker Cornet (Bass) und Tobias Hampl (Gitarre) sehr kompetent unterstützt wird, nicht musiktheoretisch durchdringen, um Gefallen an ihr zu finden; einfach hinsetzen, genießen und schon entstehen aufgrund ihrer tiefen Emotionalität bewegende Bilder im Kopf; Komponisten, deren Werke bei mir ähnliche Phänomene auslösen, sind J.S. Bach oder F. Zappa. Für mich steht somit fest: Allen Prognosen diverser Prog-Noses (babyblaue Schelme etc.) zum Trotz wird Hans Jörg Schmitz seinen musikalischen Weg machen, indem er ihn unbeirrt weitergeht. Darauf hebe ich meine Glasses, um auch den Kurzsichtigen den erforderlichen Weitblick zu verschaffen.

king-of-agogik.com
schlag-das-zeug.de
Frank Bender



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