Karmakanic "Wheel Of Life" (Regain Records 2004)

So mutig wie angekündigt, sind Karmakanic und allen voran Jonas Reingold dann doch nicht. Mehr Jazzrock, mehr ausgeflipptes Material - so hieß es nach der ersten CD. Das ist nicht unbedingt so eingetroffen, wenn es ausgeflipptes Material auch reichlich gibt, so doch nicht mit dieser Ausschließlichkeit. Bedeutet das aber, "Wheel of Life" tauge nicht? Bei weitem nicht. Das heißt viel eher, dass eine ganz bestimmte Inspiration sich in diese nächste Generation vererbt hat und ein großer Einfluss sich tief ins Bewusstsein gegraben hat: für beides steht Roine Stolt. Mister Flower King, als Gast wieder beteiligt, hat Jonas Reingold Stunden in Arrangement und Komposition gegeben, scheint es. Hin und wieder muss er dabei auch Spocks Beard erwähnt haben, denn so ein paar Motive und Harmonien könnten direkt von den Kaliforniern stammen.
Aber Karmakanic ist eine durchaus eigenständige Band, die die fabelhafte Kunst beherrscht, eigene Musik zu kreieren. Das ist vor allem in den instrumentalen Ausbrüchen zu erleben, die unglaublich dynamisch und vital sind und kräftig auf die Tube drücken. Gut, Gesang (und tollen Satzgesang!) gibt es zur Genüge. Die Stücke sind schön lang und lassen die normaleren tief symphonischen Strukturen hinter sich zurück, um in der Wildheit der musischen Energie zu wildern. Im Unterschied zur ersten CD gibt es kein Metal. Die Songs sind stark durchdacht und vielfach überarbeitet worden, das hört man jeder Sekunde an. Im Vordergrund steht als führende Kraft Symphonic Rock, dem sich vor allem Jazzrock, progressive Komplexe und hart rockende Verrücktheiten in den instrumentalen Attacken entgegenstellen. Extrem gut gemacht, vielleicht doch schon etwas zu perfekt. Die Gefahr, als der kleine Bruder der Flower Kings zu gelten, ist gering, dafür geht die Band einen Zacken schärfer zur Sache und verlässt die Stolt´sche Schule (wenn die am Horizont auch stets wahrzunehmen ist). Zudem haben sich Weather Report und Mats/Morgan ebenso ins Inspirationsbuch eingetragen, eine erfreuliche Abwechslung.
Karmakanic hat eine personelle Ebene gefunden. War "Entering The Spectra" vor allem das Soloalbum von Jonas Reingold + diverser Gäste, hat sich jetzt ein Quartett manifestiert: Goran Edman (voc), Jonas Reingold (b), Krister Jonsson (g) und Zoltan Czorsz (dr). Zudem sind mit Roine Stolt, Tomas Bodin und Richard Anderson Gäste an Bord, die mit allen Prog-Wassern gewaschen sind.
Was bleibt zu sagen: macht Spaß, zuzuhören. Nicht nur das: "Wheel Of Life" ist eine große Herausforderung. Das ordentlich komplexe Werk speist sich aus Spielfreude und instrumentaler Handwerkskunst. Das einzige wirkliche Problem, das ich mit dieser CD habe, ist die Tatsache, dass mein Exemplar stellenweise nicht läuft und auf einigen meiner Player ganz den Dienst versagt. Hoffentlich ist nicht die ganze Pressung so geworden. Also: reinhören, abschalten, genießen.

regainrecords.com
VM



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