Kaipa "Notes From The Past" (InsideOut 2002)

Wenn ich in einem früheren Leben meiner Mutter zensierte Arbeiten mit gewissen Noten zur Unterschrift vorlegte, sagte sie oft: "Was sagt man dazu" - was nicht unbedingt daran lag, dass ich nur Einsen bekam. Bei Kaipa ist das ähnlich. Zwar muss dieses Album mit seiner Rundherum-glücklich-Versicherung auch mit einer Eins zensiert werden. Doch die Umstände, dass dieses Album überhaupt das Licht des Tages erblicken, oder besser gesagt, die Schallwellen der Atmosphäre beglücken kann, lassen die Note zu einem mutigen Eins Plus wachsen. Kaipa - war da nicht was? Korrekt. Vor 20 Jahren löste sich die Band bereits auf, hinterließ dabei 3 gelungene und zwei befriedigende Alben und unbefriedigte Musiker, die erst ein paar Jahre in ungewisser, schier diffuser Aktivität ohne großen Erfolg arbeiten mussten (Roine Stolte mit seinen Solo-Sachen und Fantasia sowie Hans Lundin, auch mit drei Platten solistisch aktiv), bis besagter Roine Stolt einen glücklichen Erfolg mit seiner Hymne "The Flower King" feierte, was ihm die Fans mit ausdauernder Forderung nach mehr Musik dankten. Mittlerweile hat ihn seine künstlerische Ader den progressiv-symphonischen Olymp erreichen lassen, ohne dass seine Füsse die Bodenhaftung verloren. Was den inzwischen recht unbefriedigend wirkenden ehemaligen Kaipa-Keyboarder Hans Lundin gewiss nicht zuletzt animierte, sich weiterhin und intensiver sowie bestimmter, konkreter mit Progressive Rock zu beschäftigen, was ihm mit einer illustren Ideenfülle und der Gabe, Musik zu empfinden, zu denken, zu basteln und kreieren, ausdrucksvoll gelang. Kurz gesagt: Hans und Roine fanden als Kaipa wieder zusammen, engagierten Gastmusiker für die vakanten und von den ehemaligen Musikern nicht gewünschten Positionen an den Instumenten und entwarfen mit "Notes From The Past" ein Album, das sich gewaschen hat. Sicher trägt es deutliche Ähnlichkeiten zu den Flower Kings, doch die Kompositionen, sämtlichst von Hans Lundin geschrieben, sind nicht Flower Kings, sondern Kaipa. Das Resultat sind über 79 Minuten feinster, leicht neoprogressiv angehauchter Symphonic Progressive Rock der alten Schule mit ausgezeichneten Arrangements, und nebenbei bemerkt einer der bewegendsten Stimmen des Progressive Rock: Patrik Lundström von Ritual. Nicht zuletzt illustriert Flower Kings Bassmann Jonas Reingold die Bassnoten mit Verstand und Gefühl aufs feinste, unterstützt von Schlagzeuger Morgan Agren, dem Irrwisch der Avant Prog Band Mats/Morgan, der einst gar Zappa seine Dienste im zarten Knabenalter lieh. Genug der Worte, geht endlich los und holt Euch "Notes From The Past". Der Rest ist Schweigen und genüssliches Hören.
VM



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