John McLaughlin "Floating Point" (Abstract Logix/ESC Records, VÖ: 29.01.2009)

John "Mahavishnu" McLaughlin meint, "Floating Point" sei möglicher Weise das beste Album, das er jemals gemacht habe. Er selbst darf das überzeugt sagen. Jeder andere an der Musik von John McLaughlin Interessierte wird das vielleicht nachvollziehen können. Aber niemand wird, wenn man sein Œuvre denn einem Vergleich stellen will, an der gewaltigen Kraft und urbanen Energie vorbeikommen, die McLaughlin mit seinem Mahavishnu Orchestra zu Beginn der 1970er Jahre erreicht hat und die ihn auszeichnet - und gleichzeitig brandmarkt. Und nicht nur die elektrische, komplex und hart rockende frühe Phase brachte exzellente Meilensteine zu Gehör, die aus der Geschichte der Jazz- und Rockmusik nicht wegzudenken sind. Shakti im Anschluss fühlte auf nicht weniger hohem energetischen und musikalischen Level die große Musikkunst des Genies weiter.
"Floating Point" würde, einer Diskussion unter 1.000 Gelehrten und Süchtigen, wohl nur einen weiteren Platz in der Hierarchie seiner Werke einnehmen. Auch ohne die Feststellung, dass die Platte die jüngste ist und schlicht nicht mit den alten Alben verglichen werden kann.
Und dennoch: "Floating Point" ist ein grandioses Meisterwerk. Es lässt indische Klänge in schwer komplexen elektrischen Jazz einfließen. Vermutlich ist seit langem kein Album des Gitarristen mehr so energisch, vital und furios geraten. Die Einspielung ist rasant, von hoher Dynamik. Die Spielfreude der Musiker unglaublich!
Mit seiner Band aus indischen Musikern, Louiz Banks (keys), Ranjit Barot (dr) und Niladri Kumar (el Zitar), Shashank Sivamani (perc), Shankar Mahadevan (voc), U Rajesh (el mand), Debashish Bhattacharya (Hindustani slide g), Naveen Kumar (Bambus fl), dem Franzosen Hadrien Feraud (b) und dem Amerikaner George Brooks (sax), sind 8 äußerst lebhafte Stücke geraten, die sehr abwechslungsreich sind, Jazz, Rock und der indischen Folklore, die bereits bei Shakti so leidenschaftlich zu hören war, Raum zu Verbindung und Improvisation, Solo und Unisonoarbeit geben.
McLaughlin nennt die Band seine indischen "Young Lions". Besonders bemerkenswert ist die ausgefeilte und erheblich komplexe, virtuose Schlagzeugarbeit, die partiell von vitaler, energischer Handperkussion begleitet wird.
Die Kompositionen sind impulsiv und forsch bis melancholisch. Lang ausgeführt, zwischen 6 und 9 Minuten lang. In epischen solistischen Parts oder improvisativen Ausführungen geht die Band weit über den komponierten Rahmen hinaus. Was in den einzelnen Songs zu hören ist, kann nicht mit Worten beschrieben werden. Es gilt unbedingt, die Platte zu hören und wieder zu hören.
Schier jedes Instrument hat Raum, sich solistisch auszutoben. McLaughlin selbst spielt gewiss längst nicht so "hart" und extrem, wie zu Beginn der Siebziger, und oftmals Synthesizergitarre. Der Ton seiner elektrischen Gitarre ist heute weicher, wärmer und weniger angriffslustig. Aber längst nicht weniger ausdrucksstark. Sein furioses Spiel entwickelt bisweilen eine Geschwindigkeit, die kaum nachzuvollziehen ist und einlädt, bei immer wieder erneutem Hören weitere und neue Facetten zu entdecken.
Von den 10 Songs ragen meines Erachtens zwei ganz deutlich hervor. Das eröffnende "Abbaji" und das abschließende "Five Peace Band" sind nicht besser als die anderen Stücke der CD. Aber ihre Rasanz und melodische Versiertheit, ihre grandiose Komposition und das lebhafte solistische Geschehen sind unübertrefflich virtuos.
"Floating Point" ist kein Mahavishnu Album, das kann und will es nicht sein. Aber die Verwebung von Rock, Jazz und indischer Folklore auf diesem einzigartigen Niveau, in dieser magmatischen Schmelze kommt der einstigen Energie in sehr ähnlicher Tonsprache nahe.

johnmclaughlin.com
esc-records.de
VM





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