John 5 "Requiem" (Mascot Records, VÖ: 26.05.2008)

John 5 hat eine eigene Ästhetik. Seine CD-Cover sehen aus, als sei er Abstammung eines bösen Geistes. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Idee. Mit düsteren Klischees, untot geschminkten, nichtsdestotrotz bezaubernden Models, Gitarrentechnik, intensiven Farben, einem ideenreichen Choreografen und einem erstklassigen Fotographen wird für jedes CD-Booklet ein grandioses Design gefertigt, wofür der Gitarrenwizzard allein schon einen Preis bekommen müsste. Wer hat Angst vorm toten Mann? John 5 nicht. Auch nicht vor Klischees und vor makaberen Scherzen nicht, er karikiert die Gothic-Ästhetik, nicht nur, weil er Lust hat, sich darüber lustig zu machen, sondern vor allem, weil er selbst drauf steht.
John 5s Kunst erschöpft sich nicht in der Bildersprache seiner Musikverpackung. Er ist einer dieser technischen Gitarrenfreaks mit Gummifingern (was seine Finger vorm Brechen schützt, weil sie so unsagbar schnell spielen), einer dieser akkuraten Komplex-Patrone, ein Unverschämter, Abgefahrener hinzu, ein freakiger Freigeist unter den Gitarrengöttern, ein Wilder mit eigener musikalischer Ästhetik, mit Sinn für Drama und Härte, und für Humor.
Spielt er soeben gerade noch ein hochdramatisches, dunkel gähnendes Metalkabinettstück, lässt er die Finger plötzlich über die akustische Country-Gitarre rasen, um schnellstmöglich aus der Abgrundtiefe der Düsternis in die quasi naive und lebensfrohe Sonnenwelt gemütlicher Folkloreklänge zu stoßen. Manche seiner stilistischen Wechsel sind so rasant, dass diese Übung erst bei mehrfachem Hören deutlich wird.
John 5 spielt nicht die komplexesten Prog-Gewitter, aber die abgefahrensten Metalpassagen, die sich aus Power Metal, Gothic und Prog speisen, zudem durch kleine Zwischengänge von besagten Country-Häppchen angereichert sind. Technik geht ihm nicht über alles, alles ist nur Mittel zum Zweck, den perfekten Song zu machen. Kein überirdisches, verfrickeltes Kunstepos, sondern ein Stück Musik, in dem man sich bewegen kann, das unterhält, Hooklines und Groove auffährt, in aller amüsanten Humorvielfalt schweinemäßig fett rockt, melodisch/harmonisch eingängig ist und nachvollziehbare Songstruktur hat.
Seine Klänge und Sounds werden Metalfans und Progfreaks der härteren Schule gewiss zur Verzückung treiben. Nicht zuletzt sein gewitterhaftes, technisch grandioses und stets emotional tief abgefedertes, will sagen, melodisch versiertes und in aller Komplexität tanzbares Gitarrenspiel wird Freunde besonderer, ausgefallener Rockmusik in einige Erregung treiben.
"Requiem" ist John 5s viertes Album. 2004 (Vertigo), 2005 (Songs For Sanity) und 2007 (The Devil Knows My Name) haben bereits für erlesene Überraschungen gesorgt. Der Überraschungseffekt ist mit Album Nummer 4 nicht mehr so groß. Er hat die Messlatte von Beginn an sehr hoch angelegt, unsere Gewöhnung daran ist mit gewachsen. Gib einem Musikfreak guten Stoff und er will immer mehr und mehr und mehr davon, und es muss immer so gut bleiben, niemals schlechter werden - und doch gewöhnt er sich daran. Dennoch kommt wieder Verblüffung über die neuen abstrakten und eindrucksvollen grandiosen Kabinettstücken dieses genialen John 5 auf. Er ist ein Meister. Ob nun mit Inspiration von oben oder unten.
"Songs For Sanity" ist in meinem ganz persönlichen Ranking seiner eigenen Alben DAS Meisterwerk. "Requiem" schließt da als zweites an. Die beiden anderen folgen mit ganz winzigem Abstand. Vier hochkarätige Alben in nur wenigen Jahren hintereinander. Alle Achtung! (Nach Panzerballetts "Starke Stücke" ist John 5s "Requiem" mein ganz persönliches Album Nummer zwei anno 2008.)

john-5.com
myspace.com/john5official
mascotrecords.com
VM



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