Iori Trio "Bygones" (Unit Records 2015)


Tassos Savvopoulos, in Berlin lebender griechischer Gitarrist mit Jazztrio, legt nach dem 2014er titellosen Debüt nun den Nachfolger auf. Wieder mit Dimitris Christides am Schlagzeug und dem Neuzugang Peter Ehwald am Tenorsaxophon eingespielt, sind neun plus zwei (die beiden letzten Stücke sind alternative Aufnahmen zum die CD eröffnenden Titeltrack) Stücke zu hören (53:39 Minuten).
Das Trio spielt sehr intimen elektroakustischen Jazz, in dem es wenig um expressive Eruptionen und radikale Brachialität geht, als vielmehr um melodische Abstraktion in quasi lyrischer Intention. Fast stetig spielt das Trio leise, verinnerlicht ihr Anliegen eher und vertieft das harmonische Geschehen, als dass harsche Ausbrüche geschehen. Und doch sind hier und da emotionale Höhepunkte, rasante Abfahrten und kernig dynamische Explosionen zu hören, aus denen erneute, jazzdisharmonische Lyrik fließt.
Stilistisch würde ich das Iori Trio zwischen Avantgarde Jazz modern europäischer Spielart mit Einflüssen aus der experimentellen improvisativen US-Szene einschätzen, dezente progressive Tendenzen mit Rockeinschlag sind hier und da auszumachen, als rasante Komplexpartikel eher Nebenprodukt des intim improvisativen Geschehens, aber durchaus nicht zu verachten. Indes nicht erstes Augenmerk des Trios.
Tassos Savvopoulos, als einziger im Trio elektrisch spielend, ist der Komponist aller Stücke. Sein Spiel ist sehr abstrakt, sehr lyrisch, leise und vertieft, dabei enorm starke, ungewöhnliche Motivlinien und - neben den Jazzharmonien und -strukturen solistische/improvisative Muster auskundschaftend. Gut zu hören, wie konzentriert und gleichzeitig an die Faszination des Klanges ausgeliefert seine aktive Forschungsarbeit mit der Gitarre ihn bannt. Solistisch nimmt sich der Chef auch mal zurück, überlässt seinem Saxophonisten das Feld, und der weiß die Basis zu nutzen, sich nach Herzenslust auszutoben.
Peter Ehwald zeigt deutlichen Hang zum Free Jazz. Starke Prägung, möchte ich meinen. Sein Spiel ist höchst ausgelassen, fast scheint es, als spiele das Saxophon ihn, so intensiv und hinreißend elegant ist seine abstrakt elegante Handschrift. Erinnert mich an die Intensität John Coltranes. Ein erlesener Handwerker, der hier seine exzellente Spur setzt.
Gitarre und Tenorsaxophon ergänzen sich perfekt. Und wenn in mancher rasanten Entwicklung eines Stückes hohe emotionale Punkte vital und ausgelassen, laut und stark zu hören sind, haben beide kraftvolles, lebhaftes, intensives und wie in Trance ausgelassenes Spiel getrieben.
Basis, Fundament und drittes Soloelement ist das Schlagzeug, schön kraftvoll und komplex von Dimitris Christides gespielt. Klassischer Jazzrhythmus findet weniger statt, weitaus abstrakter, avantgardistischer und moderner ist seine Handschrift. Wie seine Begleiter, oftmals weitaus stärker, eruptiver und ausgelassener setzt Christides seine Figuren. Kaum, mag ich denken, bewusst entwickelt, als vielmehr der Dynamik und dem Augenblick verstanden, ist sein intuitives Trommeln in leisen Momenten von fast kontemplativer Lyrik und zugleich von zuhöchst arbeitsintensiver Verspieltheit, die keine Pause kennt und stetig wirbelt.
Neben wenigen längeren Stücken, in denen das Bandinterplay dynamisierende Schübe zur Lautstärke erarbeitet, sind einige kürzere und kurze Tracks auf der CD, die nicht wie Muster wirken, aus denen Songs entwickelt werden können, sondern ausgereift und in aller Stille verspielt und hochkomplex sind.
Es dauert eine Weile, bis das Album wirkt. Die Songvitamine wollen etliche Hördurchläufe, bis markante Eckpunkte, die Handschrift der Spieler und der harmonische Verlauf der Songs sich bewusst machen und die Idee des Iori Trios lebendig wird. Denn trotz aller zarten Lyrik und des eher leisen Geschehens sind die Songs sehr abstrakt und kaum leicht eingängig. Sondern von eindrucksvoller Komplexität und intuitiv stürmischer Elegie, die alles Geschehen angenehm weit von Mainstream und Unterhaltungsmusik (jeder Couleur) passieren lässt.

ioritrio.com
VM



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