Pierre Vervloesem Interview im April 2005-04-29

so hart spielen wie möglich

Pierre Vervloesem betreibt Understatement. Er weiß auch nicht, wie die Musik zu ihm gekommen ist, seine Musiker seien besser als er. Nichts ist wirklich gut. Meint er. Gut, sein Anspruch ist hoch. Er ist ein Ausgefuchster Techniker. Ein Meister der Aufnahmetechnik, ein Genie der Komposition, ein Avantgardist unter den Rockern. Und wirklich ist er unverwechselbar und seine Alben stets von eigenwilliger Qualität und voll "schräger" Rockkunst. Ein progressiver Musiker am Rande der Szene, der es unbedingt wert ist, erkannt und anerkannt zu werden. Doch Pierre Vervloesem lässt sich nicht wirklich zu Antworten verleiten. Seine Statements sind knapp und dennoch ist er weit davon entfernt, einen Mythos um sich aufzubauen. Ein bescheidener Musiker? Nein. Es ist nur die Gunst des Publikums, die an ihm vorbeirauscht. Ein paar Emails gingen hin und her. Pierre steht für grandiose Musik. Nicht für große Worte.


ragazzi: "Einige der neuen Songs deines neuen Albums "Rude" klingen sehr dunkel, andere sind sehr humoristisch. Was hast du dir dabei gedacht, als die Songs zu dir kamen?"
Pierre: "Du sagst es! Die Songs kamen zu mir! Ich denke nicht zu viel darüber nach, die Musik kommt zu mir, nichts ist geplant."
ragazzi: "Die Kompositionen sind komplex und fragil. Aber ihr spielt sie sehr hart. Warum auf diese Weise?"
Pierre: "Ich wollte eine heavy CD und weil wir ein kleines Budget hatten, ist der "harte Weg" die einfachste Art, ein Album in kurzer Zeit aufzunehmen."
ragazzi: "Auf dem Backcover ist zu lesen: Alle Improvisationen von den Improvisierenden. Sind die Songs überwiegend komponiert oder improvisiert?"
Pierre: "Alles ist komponiert, Soli ausgenommen. Aber die Musiker spielten die Songs auf ihre Weise."
ragazzi: "Titanic Again" hat einen sehr "schrägen" Part zwei Minuten vor dem Ende. Das klingt sehr perfekt. Hast du deinen Musikern gesagt, sie sollen es so hart spielen, wie möglich oder ist das beim Improvisieren entstanden?"
Pierre: "Ich sagte ihnen, sie sollten es so hart spielen wie möglich. Immer wieder."
ragazzi: "Es gibt eine Menge in den Songs zu entdecken. Harmonische Brüche, dynamische Sprünge, viel extravagantes und feines Zeug. Habt ihr gejammt? Oder ist das alles geschrieben worden? Ist die Band dem technisch gewachsen gewesen?"
Pierre: "Zuallererst, sie sind viel besser als ich. Ich bin wohl der schlechteste Musiker in der Band gewesen, sonst hätte ich mich schnell gelangweit. Ja, sie sind technisch sehr gut (mit offenem Geist und einer sehr guten Erinnerung). Wir haben nicht gejammt, nur Songs wie "My flemmish period" und "rue Wéry" sind Jams, das wollte ich so."
ragazzi: "Wie findet die Band die Musik auf "Rude? Haben sie Einflüsse in die Songs gebracht?"
Pierre: "Sie haben ihre Persönlichkeit eingebracht, aber Einflüsse… nein. Ich weiß nicht, ob sie die Musik mögen. Das ist mir egal."
ragazzi: "Sind die Jungs deine Band oder nur Session Musiker, die du geordert hast?"
Pierre: "Ich habe keine Band, weil ich keine Konzerte gebe. Die Jungs sind die Typen, die meine Frage, ob sie meine Musik in 5 Proben und 2 Aufnahmetagen lernen wollten, ohne Geld dafür zu bekommen, mit Ja beantwortet haben."
ragazzi: "n'roll" erinnert mich an X-Legged Sally und an 1960er Beat und Rock'n'roll. Ist X-Legged Sally Geschichte oder gibt es da noch einen Funken?"
Pierre: "Nein, das ist vorbei. Es ist beendet und aus."
ragazzi: "Auf deiner "unoffiziellen" Webseite habe ich deine Kommentare zu deinen früheren Alben gelesen. Wie würdest du dieses Album einschätzen? Sound, Ideen, Arrangements, Energie?"
Pierre: "4/10 von allem (das ist viel für meinen Standard)."
ragazzi: "Welche Gitarre(n) spielst du? Welche Sounds bevorzugst du?"
Pierre: "Ich habe eine selbstgebaute Stratocaster und benutze einen Distortion und einen Fuzz, das ist alles."
ragazzi: "Gibt es andere Gitarristen, die du magst?"
Pierre: "Ja. Frank Zappa, Robert Fripp, Snakefinger, Adrian Belew… und Vinnie Bell."
ragazzi: "Wie war die Reaktion der Presse und der Fans zu deinem letzten Album "Grosso Modo"? Hast du viel verkauft? Kann man Interviews mit dir im Internet finden?"
Pierre: "Machst du Scherze? Habe ich Fans? Wo? Ich kenne nur eine Person, die Grosso Modo gekauft hat und die die Platte liebt. Und was den Verkauf betrifft…vielleicht sollte ich Carbon 7 (das Label, die Red.) fragen, aber ich will nicht, ich sollte lieber nicht. Ich glaube, du bist der einzige, der mich interviewen will."
ragazzi: "Wann hast du dein letztes Konzert gegeben?"
Pierre: "Am 29. Mai 2004 im Astoria in London, mit Flat Earth Society."
ragazzi: "Wie war das Konzert? Du bist also weiterhin im Kontakt mit Peter Vermeersch (Chef von Flat Earth Society, d. Red.) Bist du interessiert, wieder mit Peter zu arbeiten (die beiden waren DAS Team in X-Legged Sally, d. Red.)"
Pierre: "Es war eine kleine Tour, wo Flat Earth Society für Fantômas eröffnet haben, nun ja, und wir leben eben! Peter und ich sind Musiker in Belgien. Das ist ein sehr kleines Land und wir arbeiten im flämischen Teil davon! Also ja, es kann passieren, dass wir eines Tages wieder zusammen arbeiten."
ragazzi: "Wie findest du die neue Flat Earth Society?"
Pierre: "Es gibt neue Musik von FES? Das wusste ich nicht."
ragazzi: "Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du tun?"
Pierre: "Mich von meinem Tinnitus befreien."
ragazzi: "Du hast mir mal erzählt, dass du ein Album völlig ohne Gitarre aufnehmen willst. Was können die Fans erwarten?"
Pierre: "Ein Album ganz ohne Gitarre! Du wirst schon sehen."
ragazzi: "Und immer noch keine Konzerte deiner eigenen Musik?"
Pierre: "Nein, ich werde nicht mehr live spielen."
ragazzi: "Was wird deine nächste musikalische Arbeit sein?"
Pierre: "Musik für ein Theater."
ragazzi: "Und wofür lebst du? Für Musik? Welchen deiner eigenen Songs magst du am meisten?"
Pierre: "Ich weiß nicht, wofür ich lebe, weißt du, wofür du lebst? Die Musik, die ich am meisten liebe, wird auf der nächsten CD zu hören sein."
ragazzi: "Vielen Dank, Pierre."
Pierre: "Vielen Dank für dein Interesse, Volkmar. Ja, herzlichen Dank. Pierre."

VM




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