Die Urmutter der Zappanale
+++ Interview, Teil 2 +++


               



VM: Wann und wo fand nun die erste Zappanale statt? Und wie müssen wir uns das vorstellen: gab es eine kleine Bühne? Und wie macht man so etwas: ein Festival aus dem Boden stampfen? Welche Bands spielten? Gab es schon eine Festival-Struktur?

Petronella Gorecky: ….von einer Festival-Struktur kann nun wirklich nicht die Rede sein, aber die damalige Stimmung und das ganze relaxte Flair konnten wir doch noch recht lange aufrecht erhalten. Aber zurück zum Anfang: Da mich meine Sammlerfreunde aus Norwegen immer mit Material über ihre Zappa-Parties versorgten und auf den Fotos alles recht unkompliziert aussah: Verkaufstische mit FZ-Platten, eine Band sowie reichlich entspannte Leute beim Zuhören und Biertrinken, war so mein Gedanke, dass dies doch auch hier machbar sein müsste. Ausgesprochen habe ich diesen Gedanken dann auf einer Gartenparty bei Sale in Bad Doberan, als wir gerade die Live-Tapes von der "Broadway The Hardway"-Tour aus Norwegen abspielten (Die Led-Zeppelin-Cover-Nummer von Zappa war damals der musikalische Überraschungseffekt des Abends schlechthin!) und nochmals Dank an Jacob Sandoy aus Oslo für das Zuschicken der diversen Tour-Bänder bzw. Kassetten, Schallplatten und Fotos. Tja, und dann kam eins zum anderen: mein Freund Uwe Fischer aus Bischofswerda stand irgendwie im Kontakt mit Harald Koob (ja, ja der Harald vom "K-K-Musikshop"!), welcher dann mit seiner Band ACE 9 die erste "Zappanale" musikalisch Live ausstattete. Die Bad Doberaner waren schon damals eine sehr engagierte und sehr zusammengeschweißte Truppe und waren alle sofort Feuer und Flamme für das Vorhaben. Wer da nun genau was organisiert hatte, dass kann ich heute nicht mehr sagen, aber auf jeden Fall hatten schon damals Wolfhard ("Spanien") und Sale extrem viel Einsatz und Ideen für den ganzen technischen Aufwand aufgeboten. Da war dann ein Traktoranhänger als Bühne rangeschafft worden, eine richtig gute PA, diverse Fernsehgeräte in Reihe geschaltet für das Videoabspielen nach dem Live-Programm, ein Zelt mit Schwein am Spieß sowie genügend Fässer anstichbereiten Biers…. Was konnte denn da noch schief gehen? Und der Sommer war vor 23 Jahren schließlich auch noch ein richtiger Sommer (lach).

VM: …(lacht). Das Ganze war dann ja schon durchaus aufwändig. Oder?

PG: Ja, klar und man darf dabei nicht vergessen, dass es auch kostspielig war. Der "Eintrittspreis" bzw. die Teilnahmegebühr betrug stolze 60,- DDR-Mark! Dafür war dann auch alles Essen und Trinken frei - dementsprechend vollgedröhnt waren wir dann auch alle am Ende des Abends oder besser gesagt in den Morgenstunden….(lacht) Interessant ist vielleicht auch noch Folgendes: Matthew aus Portland/Oregon war der weitangereiste Gast und schrieb eine Reportage für das amerikanische Zappa-Magazin "Society Pages", welches auch Frank Zappa in die Hände bekam. Die beiden Herausgeber dieses Fanzines (Denn Simms und Rob Samler/"Hey, where you are now?") erwähnten in einem späteren Zappa-Interview (Mai 1991) diese Geschichte, der alles amüsiert zur Kenntnis nahm. Interview-Auszug/Society Pages Vol. 6/June 1991/Seite 33/Denn Simms: "Our readers are pretty fascinated with this whole thing. We're really anxious to be able to pull into the fold, so to speak, these Eastern Europeans. We've been makin' a little bit of headway with some East Germans. There is this group called the East German Arf Society! Frank Zappa: (laughts) DS: …and they have gotten together for a couple of annual meetings. FZ: That's great! DS: Actually, one of our friends took a trip to Europe, met with those people, went to one of their little meetings, and was really taken with the whole experience of it. FZ: That's amazing!"

VM: …dann wusste Zappa also von der Existenz der Arf-Society?

PG: …ja und von der Zappanale ebenso. Das ganze gerichtliche Drama mit Gail, was dann später zur Belastungsprobe wurde, war immer total auf wackligen Füßen - aber das ist eine ganz andere Geschichte….

VM: (schmunzel)…ja, das will ich glauben! Aber doch noch mal ganz kurz zur ersten Zappanale. Wie viele Leute wart ihr damals überhaupt? Und sind einige davon heute noch dabei?

PG: Ich schätze, dass wir ungefähr 50 bis 60 Leute waren und sie kamen zum großen Teilen aus Berlin, Dresden, Bischofswerda, Wismar, Schwerin, Greifswald, Stralsund, Rostock, Kühlungsborn, Magdeburg, Portland und Solms (ACE 9). Zumindest im Publikum sehe ich heute noch Leute von damals und würde sagen, dass 80% immer noch zum Festival kommen und von den damalig aktiv Beteiligten sind beinahe alle noch bei der Stange!

VM: …das ist schon beachtlich.

PG: …ja, finde ich auch.

VM: Nachdem die erste (oder gar nullte?) Zappanale stattgefunden hatte, wie ging es da weiter? Es gab die Ausstellung während der vorletzten Zappanale in Bad Doberan im Gebäude des Arf Office, da waren die alten Poster zu sehen. Wer gestaltete die?

PG: Die ersten Plakate und Flyer (bis zur 5.) habe ich angefertigt und aus heutiger Sicht sind sie doch schon etwas sehr skurril, aber die Möglichkeiten waren damals einfach ganz andere als heute und bei dem Ausführungsstil habe ich mich einfach an den Postern der Norwegischen Veranstaltungen orientiert. Tja und nach der Party in Bad Doberan kamen dann die zwei Zappanalen in Stralsund, die dann bei Nr. 2 schon von 250 Leuten und bei Nr. 3 von 300 Interessierten besucht wurden. Das war dann schon eine mächtige Steigerung, zumal nun auch mehr Zappa-Musik live auf der Bühne geboten wurde: ACE 9, BLEEDING ROMEO, MUFFIN MEN sowie GALAHER & GEHLI waren die damaligen Live-Acts.

VM: Wie kam eigentlich der Kontakt zu den Bands zustande? Welche Bands kontaktiertest du? Auf welcher Zappanale spielte der erste Zappa-Musiker?

PG: ACE 9 hatte - wie schon erwähnt - mein Freund Uwe Fischer aus Bischofswerda kontaktiert. Die MUFFIN MEN (bzw. Roddie Gilliard) haben mich angeschrieben, da sie meine Adresse in dem englischen Zappa-Fanzine "T' Mer-shi Duween" fanden, wo ich einen Artikel geschrieben hatte. Auch SHEIK YERBOUTI haben mich angeschrieben und ihr erster großer Auftritt war dann zur 4. Zappanale im "KO" von Kühlungsborn. Weitere Bands organisierte Jos Schone aus Amsterdam, der damals auch sehr engagiert war, aber heute leider gar nicht mehr dabei ist. Schade! Er prophezeite schon damals, dass die Zeit kommen würde, dass nicht wir bei den Bands anfragen müssen, sondern sich die Bands bei uns bewerben werden. Es ist heute tatsächlich so. Und die ersten Zappa-Musiker waren dann mit den GRANDMOTHERS Jimmy Carl Black, Don Preston und Bunk Gardner in Kühlungsborn zu Gast. Wir holten sie damals persönlich vom Bahnhof in Hamburg ab und Thomas Reinicke bewahrt heute noch den Stirnabdruck von Bunk Garnder auf seinem ausgebauten Autoseitenfenster, der damals schlafender Weise selbigen dort hinterlassen hat. Ich hatte sogar ein Foto von diesem Abdruck, aber kann im Moment nicht damit dienen….

VM: …das nenne ich mal cool! (lacht)

PG: …eher schon bizarrrre. Oder? (lacht)

VM: Wie seid Ihr denn eigentlich an die GRANDMOTHERS rangekommen?

PG: Uhh, das ist auch eine längere Geschichte, aber hier die Kurzform: Jos Schoone kannte Ener Bladezipper, der auch aus Holland stammt, aber in Texas lebt. Der wiederum hatte Jimmy Carl Black dort beim Einkaufen gesehen, angesprochen und im weiteren Verlauf motiviert, wieder Musik zu machen, da der mit Arthur Brown(!) Malerarbeiten ausführte (unglaublich), aber inzwischen mit seiner damaligen Partnerin nach Italien gegangen war, die dort als Dolmetscherin für US-Soldaten arbeitete. Jedenfalls bekam Jos seine Telefonnummer in Italien, gab sie mir und ich rief da an. Nach einigem Hin und Her mit Husta Landers (Jimmy's Partnerin) hatte ich dann endlich Jimmy Carl am anderen Ende der Leitung und ich erzählte ihm in meinem typisch katastrophalen Englisch und sehr wackligen Knien von der Zappanale und dem Feeling unseres Festivals. Er war doch recht schnell begeistert und sagte "Ja"! Dieses Telefonat habe ich sogar noch auf Band, aber es ist aus heutiger Sicht eher amüsant bis peinlich (lacht). Dann schrieben wir noch ein paar Briefe(!), Jos und ein Freund trafen sich mit Jimmy in Italien und sie beredeten die Formalitäten und dann war die Sache perfekt.

VM: …hmm, interessante Story…

PG:…aber heutzutage irgendwie nicht mehr denkbar.

VM: Wuchs nun die Struktur des Festivals peu á peu zu dem, was sie heute ist, oder waren die ersten Jahre hiermit nicht zu vergleichen?

PG: Ja klar, es war ein wachsender Prozess, aber man muss dazu auch sagen, dass schon bald die Frage im Raum stand: Wollen wir größer werden oder wollen wir ein kleiner "Haufen" unbeirrbarer Musik-Enthusiasten bleiben. In einer Versammlung war die Mehrheit dann für eine Vergrößerung der Zappanale und das Resultat sehen wir heute.

VM: …mit allen Vor- und Nachteilen - meinst Du?

PG: Ja, denn alles Gute bekommt man einfach nicht zusammen und man darf ja auch nicht vergessen, dass alle Beteiligten auch noch ein Leben abseits des Festivals führen. Sprich Arbeit und Familie haben. Und die Nörgler finden natürlich immer irgendwas.

VM: Hattest du in den ersten Jahren die Fäden in der Hand oder fanden sich bald Begeisterte, die eigene Ideen einbrachten und in die Organisation einstiegen?

VM: Bei den Stralsund-Zappanalen habe ich alles allein gemacht, aber ab der Rostocker Zappanale im alten MAU waren da schon ganz viele weitere mit im Spiel: Wolfhard "Spanien" Kutz und Sale sowieso, dann Thomas Reinicke und Jos Schoone - um nur einige davon zu nennen. SORRY, wenn ich an dieser Stelle Jemanden nicht genannt habe. SORRY, SORRY, SORRY!!! (Kortschagin, Peer, Scherfi, Porno, Grille, Wespe, Kalle, Rimbert, Leuer, ….Namen sind einfach nicht meine Stärke. Shit!)

VM: Seit etlichen Jahren arbeitest du nun im Hintergrund der Zappanale. Wie ist es dazu gekommen? Und was machst du heute so? Still genießen?

PG: Ja, auf jeden Fall genießen. Und das nicht unbedingt "still" (lacht). Nachdem unsere Fan-Gemeinschaft die Form eines eingetragenen Vereins angenommen hatte, was im übrigen das Resultat des finanziellen Dramas der 3. Zappanale in Stralsund war, konnte der Aufwand einfach geteilt werden, was ja Sinn und Zweck war und ist. Die Idee, einen Verein zu gründen, kam übrigens von Andre Sudmann (wir verfassten und verschickten einen Rundbrief mit der Frage nach Mitwirkenden) und die Finanzierung für die notarielle Eintragung in das Vereinregister der Stadt Bad Doberan übernahm ohne jegliches Zögern Wolfhard völlig allein. Und das waren damals über 1000,-DM. Schon damals ging er total unerschrocken jedes Risiko ein. Mein RESPEKT! Tja - und somit entstand nach und nach die heutige Struktur der Organisation und ich kümmere mich jetzt halt um das Fanzine, welches ja auch recht zeitintensiv ist.

VM: Und wie gefällt dir die Entwicklung des Festivals? Was waren die schönsten Jahre? Und wie findest du die letzten Jahre Zappanalen?

PG: Irgendwie ist es wohl immer so, dass man den "alten Zeiten" hinterher trauert und vielleicht ein paar Dinge verklärt. Und mir geht es da auch so, denn das spontane und unbekümmerte Feeling fehlt heute oft. Irgendwelche Zappanalen jetzt hervorzuheben ist schwierig und wäre auch unfair, aber gerne erinnere ich mich an die 5., denn die Bands waren in unglaublicher Spiellaune und mit einem enormen körperlichen Einsatz (YA HOZNA kamen z.B. mit dem Zug aus Italien für ein Konzert - und das war Zappas Musik in Metal-Format. Total grandios!) gekommen und auf der Bühne präsent. Oder die Zappanale mit den unzähligen Big Bands. Das war doch der Hammer. Wie hießen die Franzosen noch? LE BOCAL? Einfach großartigst! Und so gab und gibt es gaaanz viele Geschichten von vor oder hinter und natürlich auf der Bühne, die ein ganzes Buch füllen würden. Vielleicht sollte man das tatsächlich einmal schreiben? Was meinst Du?

VM:…auf jeden Fall!

PG: Vielleicht sollten wir diese Idee abspeichern (lacht).

VM: Wirst du bei der Zappanale bleiben? Was wünschst du dir?

PG: Natürlich bleibe ich im Zappanale-Boot und nun mal zu Dir! Was würdest Du Dir denn für die zukünftigen Festivals wünschen?

VM: Ich wünsche mir, dass wir uns als Festival unsere Eigenständigkeit bewahren und die freakige Besonderheit zurückholen. Wir werden immer ein kleines (und besonders feines) Festival bleiben - mit sehr hohem musikalischen Qualitätsanspruch und einem vielfältigen Musikangebot. Und Musik, das gewiss nicht zuletzt, ist einfach DAS BESTE!

PG: Genau! Deine Worte könnten auch von mir sein. Klein, aber fein und kein schielen nach Besucherrekorden oder B-Stars. Aus eigener Kraft für Qualität stehen und das Spezielle bewahren. Und wem das nicht gefällt, der darf doch gerne zu anderen Festivals fahren. Die Geschmäcker sind und bleiben unter-schiedlich und das ist auch gut so. Music is the best. ARF

VM




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