THANATEROS

"Die Energie folgt der Aufmerksamkeit".
Nachdem die Berliner Band Thanateros auf ihrem ersten Album die etwas härtere Gothic-Rock-Gangart wählte, schlägt man jetzt ungewohnte und neue Klänge an. Da ertönen plötzlich irische Instrumente und indische Gesänge. Doch Ton für Ton erschließt sich ein wundervoller Klangkosmos, der den Zuhörer immer stärker ergreift. Die Magie dieser Musik wird spürbar. Ragazzi sprach mit Sänger Ben Richter.



ragazzi: "Ihr habt einen großen Schritt von eurem ersten Album zu dem neuen Werk "Circle Of Life" gewagt. Vieles klingt neu und war so sicher nicht zu erwarten. Wie verlief diese Entwicklung?"
Ben: "Für mich war schon immer klar, dass ich irisch-keltische Elemente in die Musik und die Texte einbauen wollte. Bei der ersten CD haben wir das musikalisch noch nicht so hinbekommen. Textlich ging es damals schon sehr um keltische Mythologie und Schamanismus. Auf der Bühne haben wir das auch umgesetzt, was viele nicht verstanden. Jetzt hatten wir endlich die Möglichkeit, mit exzellenten Gastmusikern zusammenzuarbeiten. Dadurch konnten wir diese keltisch-irischen Folk-Elemente nach vorne kehren."
ragazzi: "Wie entstand der Kontakt zu den Gastmusikern?"
Ben: "Den Fiddler, Bernd Lüdke, kenne ich schon seit Jahren. Und der kannte dann wieder den Christian Tschirch, einen Uilleann-Pipes-Spieler. Das ist dieser irische Dudelsack, der auf den Knien gespielt wird. So haben wir uns getroffen. Für die Gastmusiker war unsere Musik totales Neuland, aber es hat ihnen sofort Spaß gemacht. Eigentlich spielen diese Leute ja nur Irish-Folk und keine Rockmusik."
ragazzi: "Außer den Spezialisten für irische Folklore habt ihr noch weitere Gastsänger und -sängerinnen angeheuert..."
Ben: "Was die Sänger und Sängerinnen angeht - der Song "Gayatri", ein indisches Mantra, muss ganz einfach mit vielen Stimmen gesungen werden. Sonst wirkt der nicht. Mantras werden von vielen Leuten angestimmt, dadurch kommt diese besondere Stimmung zustande. Daher fragten wir viele bekannte Musiker aus unserem Umkreis und alle waren begeistert von der Idee. Das Einsingen des Mantras war dann auch eine Riesenparty."
ragazzi: "Die Stimmung hört man dem Song auch an. Es ist einer der stärksten auf dem Album. Kannst du kurz erklären, was genau ein Mantra ist?"
Ben: "Mantra ist eine Melodie, die sich ständig wiederholt. Meistens besteht der Text nur aus einem Satz, manchmal nur aus einem Wort. Mantras werden für die Meditation genutzt. Durch diese Monotonie, die durch die permanente Wiederholung entsteht, kommt man in einen meditativen Zustand. Man kehrt in sich."
ragazzi: "Welche Verbindung gibt es zwischen diesem indischen Stück und dem keltisch-irischen Rest des Albums?"
Ben: "In erster Linie eine inhaltliche. Ich könnte jetzt natürlich auf die Ursprünge der Kelten als Indogermanen verweisen. Das war aber nicht unser Hintergrund. Dieses "Gayatri"-Mantra ist eines der bedeutendsten Mantras. Man kann es als eine Art Ode oder Gebet ansehen an die Kraft, die Energie, das Leben, das Sein und das Universum. Es heißt, dass derjenige, der dieses Mantra mit offenem Herzen und regelmäßig singt, sich auch für dieses Licht und diese Liebe öffnet und diese Kraft in sich erweckt. Und das passte einfach super zu den ganzen anderen Inhalten des Albums."
ragazzi: "Sind einige eurer Songs eine Art Reisebericht? "Falling Away" zum Beispiel?"
Ben: "Genau. Die Idee zu dem Song kam mir in Schottland. Wenn du da an der Küste sitzt, hinter dir die Highlands, da fällt einfach alle Last von dir ab. Alles ist plötzlich nichtig und man sieht seine Probleme mit der Zeit aus einer anderen Perspektive. Man merkt, dass alles gar nicht so schlimm ist und kann sich fallen lassen."
ragazzi: "Auf eurer Website hast du als Zeitvertreib Reisen in die Anderswelt angegeben. Das kann man auch zweideutig sehen..."
Ben: "Inwiefern?"
ragazzi: "Als Drogentrip."
Ben: "Um Gottes Willen, das steckt nicht dahinter! Ich beschäftige mich mit Schamanismus, leite selbst ein Meditationszentrum und gebe Kurse in Meditation und Schamanismus. Gemeint sind damit Trance-Reisen. Natürlich spielen im Schamanismus Drogen eine nicht unwichtige Rolle. Aber eben nicht in jeder Form des Schamanismus. Wir praktizieren eine Art, die komplett ohne Drogen auskommt. Denn diese Trance-Zustände kann man auch aus sich heraus erreichen. Die einzigen Drogen, die ich zu mir nehme, sind Whisky und Bier."
ragazzi: "Kannst du ein bisschen über deine Art des Schamanismus erzählen? Woher hast du dieses Wissen?"
Ben: "Es gibt auch heute noch Schamanen in Stammesgesellschaften. Zum Beispiel in Sibirien oder Südamerika. Und viele von denen gehen heute einfach raus in die Zivilisation, um ihre Lehre zu verkünden. Dann gibt es Ethnologen, die bei Schamanen gelernt haben. Ich habe mir vieles angelesen und eine Ausbildung als Meditationslehrer gemacht. Außerdem mache ich seit drei Jahren eine Ausbildung im magisch-schamanischen Bereich bei jemandem, der selbst bei einem samischen Schamanen in Nordfinnland gelernt hat. Das Wichtigste sind aber die eigenen Erfahrungen."
ragazzi: "Wie viel von dieser Thematik findet sich letztendlich in euren Songs wieder?"
Ben: "Die Texte sind schon alle in sich geschlossen. Ich vermittle darin einen Teil meiner Erfahrungen und versuche, interessierten Leuten Denkanstöße zu geben. Es geht darum, die Leute wach zu rütteln, ihnen zu zeigen, dass man eine Verantwortung gegenüber der Natur und der Welt hat. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Aber wenn das bei einem von Tausend etwas bewirkt, dann ist das schon wunderbar."
ragazzi: "Ist damit auch eine Alltagsflucht verbunden?"
Ben: "Ein ganz klares Nein. Es geht darum den Alltag zu bewerkstelligen. Überall wird doch die Aufmerksamkeit nur darauf gelenkt, was wir nicht haben. Es wird nur das Negative gesehen. Einem wird vorgemacht, man wäre zu klein und kann nichts bewirken. Bei uns geht es darum zu sagen, wir sind was wert. Wir haben eine Kraft in uns und können etwas bewirken. An uns liegt es, ob wir uns auf das Positive oder das Negative konzentrieren. Im Schamanismus gibt es einen Leitsatz, der lautet: "Die Energie folgt der Aufmerksamkeit". Das heißt, wenn ich mich auf das Negative konzentriere, dann stecke ich auch all meine Energien da rein und mehre dieses Negative. Also gilt es, sich viel mehr auf die positiven Dinge zu konzentrieren. Mit dieser Einstellung lässt sich das Leben lebenswerter gestalten. Also keine Flucht, sondern Veränderung der Realität."
ragazzi: "Werdet ihr euer Album mit all den irischen Instrumente auch live so umsetzen?"
Ben: "Leider hat der Fiddler keine Zeit, mit uns zu touren, da er selbst Profimusiker und mit seiner Band Midnight Court ständig unterwegs ist. Aber wir haben einen super Ersatz gefunden. Der Typ heißt Christoph und ist top fit, was das Fiddlespielen und die Bühnenpräsenz angeht. Mit den Uilleann-Pipes gibt es leider Schwierigkeiten. Das Instrument wird nur in Irland hergestellt und die Wartezeit darauf beträgt bis zu sieben Jahre. Wir konnten also nicht sagen: "Hey, wir kaufen so'n Ding und lernen das selbst." Deshalb kommen die Töne vom Band."
ragazzi: "Was sind deine Wünsche für die Zukunft?"
Ben: "Ich würde gern mal in England spielen. Und aufgrund unserer Musik natürlich auch in Irland. Ein kleiner Gig in einem netten Pub... Dann wünscht man sich logischerweise, dass die CD gut ankommt und uns weiter nach Vorne bringt."
ragazzi: "Vielen Dank für das Interview."

LARS




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