TANZWUT

"Irische Flöten nerven"

Bevor Drummer Norri und Dudelsackspieler Castus im Aschaffenburger Club Colossaal mit ihren Kollegen von Corvus Corax auf die Bühne gingen, hatten sie noch Zeit für ein Interview mit ragazzi. Dabei ging es allerdings um Tanzwut, das andere Projekt der rockenden Spielleute. Bei einem Bierchen plauderten sie über die Tanzwut-DVD, Trommeln, Filmmusiken und Groupies.





ragazzi: "Ab 1. November steht die Tanzwut-DVD in den Läden. Geht ihr dann auch mal in ein paar Musikgeschäfte um zu schauen, ob die Scheibe wirklich im Regal ist?"
Castus: "In der Nähe unseres Studios am Alex ist ein Saturn. Da geht man schon mal hin und legt eine Tanzwut-CD ganz nach vorne ins Regal. Und wenn unsere Platten nicht da sind, dann fragt man den Verkäufer danach und bestellt welche nach."
Norri: "Wir freuen uns auch, wenn die Fans uns sagen, wo in Deutschland unsere CDs nicht zu haben sind. Dann können wir dem Vertrieb bescheid geben, damit sich das ändert."
ragazzi: "Es gibt drei Tanzwut-Alben und jetzt die DVD plus Live-CD. Hattet ihr keine Ideen mehr für neue Tanzwut-Songs?"
Castus: "Nee. Tanzwut ist ja bekannt dafür, dass es eine Show zur Musik gibt. Und die Leute wollten diese Show auch zu Hause sehen. Wir haben da dem Drängen der Fans nachgegeben und diese DVD gemacht."
Norri: "Wir sind eine Live-Band. Viele Gruppen klingen auf Platte toll, doch live überhaupt nicht. Wir können auf der Bühne aber immer noch einen draufsetzen."
ragazzi: "Vor einem Jahr erschien die Corvus-Corax-DVD. Waren die Erfahrungen aus dieser Produktion auch Anlass, dasselbe mit Tanzwut zu versuchen?"
Castus: "Die Corvus-Corax-DVD hatte einen ganz anderen Ansatz. Da ging es um 15 Jahre Corvus Corax, um die ganze Geschichte der Band. Deshalb ist da auch kein zweistündiges Konzert drauf wie jetzt bei Tanzwut, wo der Schwerpunkt eben genau darauf lag."
ragazzi: "Gibt es eigentlich von Seiten des Musikfernsehens Interesse an euch?"
Castus: "Es gibt ja einen Film über uns. Der heißt "Mittelalter jetzt" und lief auch schon im Fernsehen. Sogar bei Sat1."
Norri: "Und bei den Musiksendern passen wir nicht rein. Das kannste vergessen."
Castus: "Das Schlimme ist ja, was die sagen ist Gesetz. Da wird Tanzwut mit der DVD keine Chance haben. Denen ist es entweder zu flach oder zu krass. Aber einen Grund zum Meckern finden die immer."
Norri: "Mal stören die Dudelsäcke, dann hast du die falsche Frisur…"
Castus: "Wir hätten ja auch Popstars werden können."
ragazzi: "Welchen Stellenwert hat das Medium DVD für euch?"
Castus: "Der Stellenwert einer DVD wird meistens überschätzt. Denn viele Leute sind technisch noch gar nicht so weit, dass sie von einem 5.1 Dolby Surround Mix auch wirklich was haben. Uns hat die Arbeit mit dieser Technik aber viel Spaß gemacht. Das ist schon krass, wenn du die Musik hörst und das Gefühl hast, mittendrin zu stecken. Von daher kann ich jedem nur empfehlen, sich so eine Anlage daheim hinzustellen."
ragazzi: "Sind solche Formate wie DVD, DVD-Audio oder Super-Audio-CD die Zukunft? Auch weil sie nicht ganz so leicht zu kopieren sind?"
Castus: "Ich glaube nicht. Auch die werden gebrannt. Die Tanzwut-DVD kann man zwar nicht so einfach kopieren, aber wenn man will, kriegt man auch das hin. Dauert nur etwas länger."
Norri: "Die Musikindustrie ist doch ein träger Haufen. Die wird jetzt den Fehler machen, alle Klassiker des Rock als Surround-Mix herauszubringen. Anstatt nach vorne zu schauen und in die Zukunft zu investieren. Da spielen wir als kleines Label doch gern die Vorreiterrolle in Sachen Innovation."
ragazzi: "Du sprichst es gerade an. Ihr habt ein eigenes Label, managt euch selbst. Ist das der richtige Weg für Bands, die wie ihr unabhängig sein wollen?"
Castus: "Genau das ist es. Unabhängigkeit. Wir waren ja auch mal bei der EMI und hatten einen Manager. Daraus haben wir nur gelernt und machen es jetzt allein. Wir haben erlebt, wie man Geld in anderer Leute Taschen scheffeln kann. Uns ist es aber lieber, das Geld in die eigenen Taschen zu scheffeln. Dann macht das Leben auch mehr Spaß. Wir sind natürlich nicht reich und werden es auch nie, aber wir können alles selbst entscheiden. Das ist das Wichtigste."
Norri: "Wenn du bei einer Plattenfirma mit einer außergewöhnlichen Idee ankommst, dann sagen die "wer soll das bezahlen, macht mal lieber das was ihr bisher gemacht habt" und schon ist die Idee gestorben."
ragazzi: "Wie teilt ihr die Label- und Management-Arbeiten untereinander auf?"
Norri: "Jeder hat so sein Aufgabengebiet. Teufel macht das Booking, Castus kümmert sich um die Gema, Andreas betreut die Website, Wim ist für die Live-Technik zuständig und ich bin der Studioverantwortliche. Wichtige Entscheidungen werden natürlich gemeinsam getroffen."
ragazzi: "Norri: Tanzwut oder Corvus Corax - welcher Job ist für dich als Drummer härter?"
Norri: "Schwer zu sagen. Ich mach ja schon recht lange Rockmusik. Selbst in einer Trash-Metal-Band habe ich gespielt. Anstrengender geht's fast nicht mehr. Das Besondere an Corvus ist, dass ich nicht allein trommle. Wir sind zu dritt, müssen aber wie ein Klangkörper funktionieren. Sonst groovt es nicht. Und das ist sehr speziell."
ragazzi: "Was ist das Komplizierte daran?"
Norri: "Schlagzeuger sind es normalerweise nicht gewohnt mit anderen Schlagzeugern zusammenzuspielen. Man muss sich die Arbeit gut aufteilen. Es kann nämlich nicht einer alleine die ganze Zeit den Beat spielen. Und dazu braucht man gute Kollegen."
Castus: "Norri gibt den Ton an, weil er die Basstrommel spielt. Die andern haben dadurch einen Halt."
Norri: "Ich bin sozusagen das Metronom."
ragazzi: "Das ist doch bestimmt sehr anstrengend…"
Norri: "Auf jeden Fall! Nach einem Zwei-Stunden-Konzert bei dem kaum noch Sauerstoff in der Luft ist und die gefühlte Temperatur bei 70 Grad liegt, sieht man schon mal Sterne."
ragazzi: "Wie viel Liter Wasser trinkst du dann?"
Norri: "Reichlich. Mindestens zwei Liter, aber das reicht meistens nicht."
ragazzi: "Eure Dudelsäcke sind selbstgebaut. Das Schlagzeug und die Trommeln auch?"
Norri: "Das ist gemischt. Ein Teil der Trommeln ist von uns entworfen und entwickelt worden. Ansonsten bauen wir alte Drums um. Eine Originaltrommel gibt es bei uns nicht mehr."
ragazzi: "Hört man sich Tanzwut-Songs auf CD an, kann man den Eindruck bekommen, viele Beats würden von einem Drumcomputer stammen. Ist es nicht auf Dauer langweilig, diese meist sehr monotonen Beats live zu spielen?"
Norri: "Ich weiß, dass viele Schlagzeuger das nicht können. Und ich bekomme immer einen Nervenzusammenbruch, wenn ich so was höre. Ein Schlagzeug ist dazu da, dass die Leute tanzen können. Es ist die Basis, die den Arsch wackeln lässt. Da macht mir das auch Spaß, gnadenlos einen Beat durchzuspielen."
ragazzi: "Ihr lebt alle in Berlin, im Prenzlauer Berg. Könnt ihr da noch unerkannt durch die Straßen und in die Kneipen gehen?"
Castus: "Berlin ist cool. Selbst die Kollegen von Rammstein bleiben da unerkannt. In München dagegen, da sind wir durch das Kaltenberger Ritterturnier sehr bekannt, passiert es uns regelmäßig, dass wir auf der Straße angesprochen werden. In Berlin wird höchstens mal in der Kneipe oder in einem Club getuschelt. Sonst hat man seine Ruhe."
ragazzi: "Habt ihr Ausgehtipps für Prenzlauer-Berg-Besucher?"
Castus: "Auf der Schönhauser gibt es einen neuen Psychobilly-Club, da waren wir aber auch noch nicht drin. In der Bornholmer Straße gibt es ein mongolisches Restaurant und eine sehr gute Sauna. Viele Kneipen sind in der Kastanienallee. Das Nemo ist zum Beispiel total cool. Da trifft man ab und zu auch mal den einen oder anderen Kollegen Musiker."
ragazzi: "Durch eure Musik habt ihr eine hohe Affinität zum Mittelalter. Spielt das auch in anderen Lebensbereichen eine Rolle?"
Castus: "Ja ich gucke gerne Science-Fiction-Filme." (lacht)
Norri: "Ich auch. Am liebsten mit fiesen Aliens."
ragazzi: "Als Kontrastprogramm?"
Castus: "Ich beschäftige mich nicht so gern mit der Gegenwart. Unser Leben ist schon genug Gegenwart. Das reicht."
Norri: "Wir mögen absurde Handlungen und Filme die auf reiner Fantasie aufbauen. Und das ist nun mal fast immer Science Fiction. Filme über die Vergangenheit sind ja auch oft Fiktion. So wie "Troja" beispielsweise. Das ist doch Fantasy. Und ich finde es interessant, was sich die Filmemacher bei solchen Streifen alles so ausdenken."
ragazzi: "Könnt ihr euch vorstellen, eine Filmmusik zu komponieren?"
Castus: "Ja. Haben wir ja auch schon gemacht. Wim und ich haben bei DEFA-Märchenfilmen mitgewirkt. Als Schauspieler aber auch als Musiker. Und so was würden wir gerne wiederholen."
ragazzi: "Müsste das dann ein Science-Fiction- oder ein Mittelalter-Film sein?"
Norri: "Das kann alles sein, wenn sich die Produzenten damit anfreunden, uns die Musik zu überlassen."
Castus: "Es gab auch mal die Idee, dass wir für einen Pornofilm Musik machen sollten. Aber so was ist mit Vorsicht zu genießen. So einen Film müssten wir uns natürlich erstmal ansehen und dann entscheiden, ob wir uns dazu hinreißen lassen."
Norri: "Aber gerade jetzt, wo so viele Historienfilme herausgebracht werden, ärgert man sich einfach, wenn man die Musiken dazu hört. Und man fragt sich, warum können wir nicht mal die Musik zu so einem Film machen. Dann würde es da wenigstens mal richtig rumsen. Meistens ist es doch immer so eine Neo-Klassik-Variante, die man schon tausend Mal gehört hat. Am besten noch mit einer irischen Flöte. Das ist das akustische Erkennungszeichen für alt. Und das nervt!"
Castus: "Gerade in Hollywood-Filmen - irische Flöte und Tin Whistle - die hörst du in "Titanic", in "Gladiator" und in Horrorstreifen. Dabei gibt es historische Instrumente die ähnlich klingen. Wir haben auf dem Corvus-Corax-Album "Seikilos" ein Stück aus der griechischen Antike gespielt. Warum machen wir nicht den Soundtrack zu "Troja"? Aber nein - da erklingen wieder nur Geigen, Flöten und Tin Whistles! Verdammt noch mal!"
ragazzi: "Schickt eure CDs nach Hollywood! Bei Rammstein und David Lynch hat es doch auch geklappt!"
Norri: "Naja - was da wirklich passiert ist, weiß keiner so genau. Es ist aber eine schöne Legende…"
ragazzi: "Hängt ihr auch privat zusammen rum? Macht ihr gemeinsam Urlaub?"
Norri: "Privat versuchen wir eher Abstand voneinander zu bekommen. Wir hängen jeden Tag zusammen. Auf Tour, im Studio, im Büro. Sich zwei Wochen mal nicht zu sehen, kann da sehr angenehm sein. Sonst würde man bestimmt mit Würgemahlen am Hals aus dem Urlaub kommen."
ragazzi: "Auf der DVD sieht man euch in kurzen Sequenzen mit Go-Karts fahren. Ist das euer Hobby?"
Norri: "Das war so eine Art Ausflug. Wir wollten eh schon immer mal Go-Kart fahren und suchten auch noch für die DVD einen speziellen Gimmick. Also haben wir das gefilmt und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Und das hat richtig Spaß gemacht. Zum Schluss sind wir wie die Irren gefahren, mit rempeln und drängeln, denn jeder wollte gewinnen."
ragazzi: "Guckt ihr euch denn auch Formel-Eins-Rennen an?"
Castus: "Nee. Das ist doch langweilig. Immer nur im Kreis und dann dieses Geheule."
ragazzi: "Wer von euch kriegt die meisten Groupies ab?"
Norri: "Das ist ja eine fatale Frage."
Castus: "Groupies haben wir alle. Die werden aber nicht gezählt." (langes Schweigen)
Norri: "Theoretisch ist es gerecht verteilt. Praktisch muss jeder selber wissen was er macht."
Castus: "Wir finden es jedenfalls sehr gut, dass wir Fans haben."
Norri: "Wir sind ja auch eine Art Boygroup. Jeder ist ein Typ und sieht anders aus. Wir sind acht Spezialisten."
ragazzi: "Ihr habt euch als Corvus Corax an die Carmina Burana gewagt. Steht das Jahr 2005 ganz in diesem Zeichen?"
Norri: "Kann man so nicht sagen. Im Januar proben wir mit dem Cottbusser Staatsorchester. Die CD wird wohl im April oder Mai veröffentlicht. Aufführungen wird es im August geben, aber konkrete Termine gibt es noch nicht. Mit Tanzwut wollen wir aber auch spielen und außerdem sollen beide Projekte im Ausland touren."
ragazzi: "Für ein neues Tanzwut-Album bleibt da wohl keine Zeit?"
Castus: "Wir werden nächstes Jahr ein neues Tanzwut-Album aufnehmen und spielen mit dem Gedanken, es auch noch 2005 zu veröffentlichen."
Norri: "Und wenn uns nicht jemand ganz viel Geld für eine Welttournee bietet, werden wir das auch schaffen."
ragazzi: "Dann wünsche ich viel Erfolg für 2005 und bedanke mich für das Interview."

LARS




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