Randgruppenmusik innerhalb einer Randgruppe

Im ragazzi-Interview: STENDAL BLAST (01.12.04)

Stendal Blast sind auf ausgedehnter Interview- und Promotion-Tour zu ihrem aktuellen Album "Schmutzige Hände". Da ist der Terminkalender voll und es kann durchaus mal passieren, dass man eine Interviewverabredung vergisst. Reumütig entschuldigte sich Sänger Kaaja Hoyda bei ragazzi für dieses Missgeschick, das ihm in seiner gesamten Karriere noch nie passiert war. Eine Woche später wurde das Gespräch nachgeholt und Kaaja wusste wieder mal eine Menge Interessantes zu berichten...




ragazzi: "Die Singleauskopplung "Schmutzige Hände" steht derzeit auf Platz 18 der Alternative Charts. Seid ihr damit zufrieden und wie wichtig sind euch Chartplatzierungen generell?"
Kaaja: "Der 18. Platz ist natürlich schön. Früher hast du schon drauf geschaut, wo deine Platte gerade steht. Inzwischen ist das nicht mehr so wichtig, zumal die DAC ja eher die Meinungen der DJs darstellen."
ragazzi: "Warum seid ihr zu dem Label Dark Dimensions gewechselt?"
Kaaja: "Zum einen, weil ich Frank D'Angelo (der Mann hinter dem Label, Anm. d. Red.) schon ewig kenne und gern etwas mit ihm gemeinsam machen wollte. Zum anderen, weil ich denke, dass wir mit dem neuen Label die Zielgruppe unserer Musik besser erreichen können. Vorher waren wir bei Moonstorm Records, einem eher auf Metal spezialisierten Label."
ragazzi: "Woher kommen eure textlichen und musikalischen Inspirationen?"
Kaaja: "Mich inspirieren alltägliche Beobachtungen. Der Song "My Private Puff" beispielsweise ist nur entstanden, weil ich längere Zeit in Hamburg tatsächlich über so einem Etablissement gewohnt habe. Außerdem bekomme ich viele Ideen aus den Medien. Ich lese täglich und intensiv 5 Websites, u.a. spiegel.de und satt.org.
Musikalisch fällt mir eigentlich immer etwas ein. Nur selten hab ich da mal eine Blockade. Dann lasse ich mich durch andere Künstler, wie z.B. :Wumpscut:, inspirieren. Aber das ist wirklich die Ausnahme."
ragazzi: "Was hört die Band derzeit, abgesehen von "Schmutzige Hände"?"
Kaaja: "Ich habe mir gerade die neue Diary of Dreams gekauft."
ragazzi: "Manche Texte könnten suggerieren: Der Hoyda ist ein Pessimist. Ist das so?"
Kaaja: "Nun ja. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen hat man eigentlich gar keine andere Wahl. Ja, ich bin schon eher ein pessimistischer Typ. Aber deshalb laufe ich nicht rund um die Uhr mit einem Depri-Gesicht durch die Gegend. Und lachen kann ich auch. Selbst wenn man wie Stendal Blast eigentlich ernste Themen behandelt, darf es doch die eine oder andere witzige Formulierung geben."
ragazzi: "Wenn du Texte schreibst, machst du da einen Unterschied, ob es sich um eine Tanznummer oder eher um ein Nachdenk-Stück handelt?"
Kaaja: "Die Tanznummern sollten sich unbedingt reimen. Bei Stücken wie "My Private Puff" oder "Im Monsun" kann man freier in der Lyrik arbeiten. Daraus ergibt sich auch ein inhaltlicher Unterschied: Die tanzbaren Stücke gehen meist weniger in die Tiefe, weil du eben immer einen Reim finden musst."
ragazzi: "Wer ist in deiner Vorstellung der "typische" Käufer von "Schmutzige Hände"?"
Kaaja: "Das ist die Frage nach dem typischen Stendal-Blast-Fan. Ich glaube, unsere Musik hören Leute, die mehr wollen als 14-mal das gleiche Lied auf einer Platte. Sie sind sehr nachdenklich, aber auch humorvoll und stehen immer ein bisschen außerhalb, auch innerhalb der Szene. Stendal Blast machen ja Randgruppenmusik innerhalb einer Randgruppe."
ragazzi: "Stichwort Randgruppenmusik. Ihr arbeitet auch mit Künstlern wie Alexander Veljanov oder aktuell Blutengel zusammen, die nun alles andere als am Rand der Szene stehen. Versucht ihr euch auf diese Weise mehr vom Rand weg zu bewegen?"
Kaaja: "Naja, ich habe sie nicht bezahlt dafür, dass sie etwas mit uns zusammen machen. Hinter diesen Zusammenarbeiten stecken zwei Dinge. Zum einen bekommen wir dadurch Aufmerksamkeit bei Leuten, die sich vorher überhaupt nicht mit uns beschäftigt haben. Zum anderen ist da die persönliche Seite. Ich mag sowohl Alexander als auch Blutengel sehr, wir kommen super miteinander aus. Wir hatten einfach auch Lust drauf, uns miteinander ins Studio zu setzen."
ragazzi: "Wer könnte da der nächste sein, auf den du Lust hättest?"
Kaaja: "Da fallen mir nur 2 Namen ein: Kiew und Calva Y Nada."
ragazzi: "Deine Stimme klingt jetzt am Telefon ganz anders als in den Songs. Sie wirkt auf CD etwas angestrengt. Warum?"
Kaaja: "Ich habe einen starken Ruhrpott-Akzent und mit dem kann ich nicht singen. Sonst wär' ich ja so etwas wie Stoppok. Aber keiner will Stoppok sein und ich schon gar nicht. Und es gibt ja die Kunstperson Kaaja Hoyda und diese Kunstperson hat eben eine bestimmte Stimme. Die Stimme ist auch ein Ausdruck der Entrücktheit von der Welt. Je schräger die Stimme, desto emotionaler oder komplizierter ist der Sachverhalt um den es geht."
ragazzi: "Im letzten Interview mit ragazzi hast du festgestellt, dass ihr die überwiegende Anzahl der Fans im östlichen Deutschland habt. Hat sich an diesem Phänomen inzwischen etwas geändert?"
Kaaja: "Ja, es gibt da gute Nachrichten: Bayern hasst uns (lacht). Wo wir aufgeholt haben, ist im Norden und im Westen, sprich im Ruhrgebiet. Wo es überhaupt nicht funktioniert, ist ab Hannover abwärts. Da, wo meiner Meinung nach der Süden anfängt."
ragazzi: "Den ersten 1.000 Exemplaren liegt eine "Bonus-CD" bei mit von dir für die Musikzeitschrift "Bodystyler" geschriebenen und jetzt gelesenen Kolumnen. Wie kam es zu dieser Hörbuch-Idee?"
Kaaja: "Ganz spontan. Ich habe gemeinsam mit Frank D'Angelo festgestellt, dass man angesichts der heutigen CD-Preise den Leuten mehr bieten muss. Wenn man schon am Preis nicht drehen kann, sollen sie wenigstens für das gleiche Geld mehr bekommen. Und da habe ich das Hörbuch eingesprochen, was für mich relativ unaufwändig war."
ragazzi: "Gibt es Pläne für Live-Auftritte von Stendal Blast?"
Kaaja: "Der Plan ist, sich endlich mal darum zu kümmern. Wir haben einen neuen Booker, der versucht, für uns etwas auf die Beine zu stellen. Ich denke, wir werden nächstes Jahr ein paar Festivals und einige Einzelgigs spielen."
ragazzi: "Ihr plant auch, ein Video zu drehen. Warum?"
Kaaja: "Es wird eine Low-Budget-Produktion von "Der Fährmann" sein, die ich selbst produzieren werde. Auf den Musiksendern wird es natürlich nicht laufen. Die Idee ist, es auf die Homepage zu stellen oder bei einem nächsten Album als Videotrack mit auf die CD zu packen."

Stefan




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