NIK PAGE

Schöne Vorstellung: Mephisto ist eine Frau

Der Ex-Blind-Passenger Nik Page holt mit seinem zweiten Soloalbum "Sinmachine" zu einem gewaltigen Schlag auf die Trommelfelle der Gothic-Gemeinde aus. Zwölf stimmungsvolle Songs mit großen Melodien und dunkler Atmosphäre sowie ein Heer illustrer Gastmusiker erwarten den Hörer. Ob Joachim Witt, Tanzwut, Angelzoom, Eva Poelzing (Blutengel) oder Dirk Scheuber (Project Pitchfork) - sie alle unterstützten den blonden Berliner und dürfen sich nun gemeinsam über ein großartiges Album freuen. Einen Tag vor der Albumveröffentlichung, am 13. September, sprach ragazzi mit Nik Page.


ragazzi: "Du bezeichnest dein neues Album "Sinmachine" als eine sehr aufwändige Produktion. Was für einen Aufwand hast du denn betrieben?"
Nik: "Aufwändig ist, wenn du pro Song über einhundert Tonspuren so zusammenmischen musst, dass es nicht überladen klingt. Das ist etwas anderes, als eine Rockband ins Studio zu stellen, wo der Gitarrist ein paar Gitarrenlinien spielt, der Bassist seinen Lauf aufnimmt, der Drummer trommelt. Und zum Schluss kommt noch der Gesang dazu. Das sind dann vielleicht zwanzig Spuren und ist wesentlich schneller eingespielt und abgemischt. Wir haben elektronische und rockige Elemente kombiniert. Allein bei den Drums gibt es stellenweise mehrere Loops, die übereinanderlaufen, darüber wurde ein Rockschlagzeug gespielt und dann gibt es noch spezielle Effekte. Die ganze Programmierung der Drums war so aufwändig, wie sonst die Produktion eines einzigen Songs. Ich bin eben immer so hin und her gerissen zwischen Rock und Electro und deshalb ist es für mich am interessantesten, die Stärken beider Sounds zu kombinieren. Das versuche ich mit meiner Musik."
ragazzi: "Wirft man bei diesem Aufwand aber nicht Perlen vor die Säue, wenn viele Leute die Feinheiten des Sounds auf ihrer Heimanlage gar nicht wahrnehmen?"
Nik: "Wenn man es gut mischt und arrangiert, hört man die Feinheiten selbst auf einem Kassettenrecorder. Aber wenn ich manchmal in Gothicclubs höre, wie schlecht gemachte und billig in der Küche zusammengeschusterte Musik abgefeiert wird, dann frage ich mich natürlich, warum ich so einen Aufwand betreibe. Ich könnte ja auch diesen Billigsound produzieren und dafür unter fünf verschiedenen Projektnamen fünf Alben pro Jahr rausbringen. Aber ich habe eben meinen eigenen künstlerischen Anspruch."
ragazzi: "Du hast, wie schon auf deinem Debütalbum, wieder mit vielen Gastmusikern gearbeitet. Was reizt dich an so einer Zusammenarbeit?"
Nik: "Es gibt keine bessere Möglichkeit, einen bestimmten Song noch besser zu machen und von den anderen abzuheben, als einen Gastsänger singen zu lassen. Jemand, der seinen Charme, sein Charisma und vor allem seine Stimme mit einbringt. Außerdem bekommt man von den Leuten jede Menge Impulse. So ein offenes Projekt ist ein Tiegel voller Ideen und wenn man sich die stärksten rauszieht, entsteht eine viel größere Kreativität. In der schwarzen Szene kochen die meisten Bands doch im eigenen Saft und schauen nicht über den Tellerrand. Das hat diese Art Musik in den letzten Jahren leider etwas langweilig und enttäuschend gemacht. Ich versuche die Leute mit immer neuen Impulsen und Wendungen zu überraschen. Und die Arbeit mit anderen Musikern ist für mich der Motor."
ragazzi: "Auf dem neuen Album heißt es: "Sinmachine - die Verführung der Technologie". Die Thematik Mensch und Maschine taucht ja auch schon auf den Blind-Passengers-Alben auf. Warum zieht sich dieses Thema wie ein roter Faden durch dein Schaffen?"
Nik: "Weil mich diese Thematik extrem interessiert! Wobei "Sinmachine" wieder an den Anfang der ganzen Geschichte zurückgeht. Das Epos begann mit dem Album "Destroyka" und zog sich durch alle Passengers-Alben. Es ging um Technologie und Zerstörung, die multimediale Überflutung unseres Alltags, DNA-Styling, die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Auf "Sinmachine" geht es um den Pakt zwischen Mensch und Mephisto. Mephisto schenkt den Menschen die Maschinen und damit unbegrenzte Möglichkeiten. Und auf den Luxus, den uns die moderne Technik brachte, möchte wohl heute niemand mehr verzichten. Aber alles hat auch seine Kehrseite. Wir werden immer abhängiger von der Technik und nutzen sie zu allem Übel zum Zwecke der Zerstörung. Und damit komme ich wieder beim Thema des "Destroyka"-Albums an und der thematische Kreis schließt sich. Jetzt stecke in dem Dilemma, dass ich nicht weiß, wie es thematisch weitergehen soll. Der Kreis hat sich geschlossen"
ragazzi: "Das Artwork deiner CDs ist immer sehr auffällig und aufwändig. Welchen Stellenwert hat es für dich?"
Nik: "Das ist enorm wichtig. Die Optik soll die Musik unterstreichen und umgekehrt. Ich möchte halt das Optimale aus dem Produkt CD herausholen und da gehört das Cover nun mal mit dazu. Ich habe mir schon Monate vor der Fotosession eine Art Drehbuch überlegt. Denn wenn man kein Konzept im Hinterkopf hat, kann man auch nicht solche Fotos machen. Bei meinen Artworks muss man genau wissen, wie was fotografiert wird, damit man hinterher die entsprechenden Fotomontagen herstellen kann."
ragazzi: "Jetzt kann man dir aber auch vorwerfen, dass du mit den Abbildungen halbnackter Damen in Fetish-Outfits nur einen optischen Kaufanreiz bieten willst. Denn vordergründig haben diese Motive doch nichts mit der Musik zu tun."
Nik: "Es hat schon was mit der Musik zu tun. Erotik spielt in den Texten eine große Rolle. Es geht unter anderem um das Machtspiel zwischen Dominanz und Hingabe. Auf der anderen Seite kommt wieder Mephisto ins Spiel: Er steht für die Verführung zur süßen Sünde. Und Verführung funktioniert am ehesten über Schönheit. Und für mich ist nun mal die Gestalt einer Frau das Schönste. Wenn ich mir vorstelle, Mephisto würde auf die Erde kommen, dann in der Gestalt wie die Frauen in meinem Booklet."
ragazzi: "Bist du eigentlich der Typ, der, wenn seine Platte veröffentlicht ist, selbst mal in den Laden geht und schaut, ob sie auch im Regal steht?"
Nik: "Momentan hab ich leider kaum Zeit dafür. Ich habe ja ein eigenes Label gegründet und dadurch so viel um die Ohren. Aber wenn wir auf Tour sind, mache ich das bestimmt. Schließlich ist es wichtig, dass die CD in den Läden gut präsentiert wird. Sonst verkauft man ja nichts."
ragazzi: "Ein eigenes Label? Warum? Und gibt es dort weitere Künstler außer dir?"
Nik: "Wir wollen den dunkeln Sound des Ostens nach vorn bringen. Am 4. Oktober wird Joke Jay (Ex-And-One) sein Solodebüt "Fiasko Deluxe" auf dem Label herausbringen. Aber mehr kann ich noch nicht berichten. Es gibt ein paar Verhandlungen, aber noch nichts Konkretes."
ragazzi: "Hast du trotz der vielen Arbeit mal die Zeit privat auf Konzerte oder Festivals zu gehen?"
Nik: "Ich schaffe es nicht oft. Aber wenn Zeit ist, klar. Das Meraluna-Festival lohnt sich besonders. Zumal man dort viele Leute aus der Branche trifft."
ragazzi: "Vielen Dank für das Interview."

LARS




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