Interview mit Morgan Ågren im März 2009


2008 begann das für seine erlesenen Spezialitäten berühmte Label Cuneiform Records, den Backkatalog von Mats/Morgan mit Bonusmaterial neu aufzulegen. Seit 2005 ist das musikalisch in jeder Hinsicht gegen den Strich und allgemein beliebte Vorstellungen anarbeitende, wilde Sounds erschaffende und gern auf der Bühne unisono (!) hüpfende schwedische Duo plus mithüpfender Band beim US-amerikanischen Label unter Vertrag. Die erste gemeinsame Platte dort war "Thanks For Flying With Us", ein guter Einstieg, Jazz, Extrem-Funk und so was wie Prog zu eigenwilligem Leben zu erwecken. Zuvor, bis 2002, hatte Morgan Ågren unter eigener Regie Mats/Morgan CDs (und die einiger weiterer Künstler wie etwa Simon Steensland) auf seinem eigenen Label UAE (Ultimate Audio Entertainment) veröffentlicht. Momentan touren Mats, Morgan und Band ausgiebig, im Sommer 2009 werden sie (wieder) auf dem Zappanale Festival (Zappanale 20!) zu sehen und hören sein. Neue Musik ist in Arbeit, alte wird ausgekramt, möglicherweise wird es bei einer der kommenden Reissue-Produktionen auf Cuneiform neben Bonusmaterial Video- oder DVD-Zusätze geben wie auf dem 2008er "Heat Beats Live" Album, dem eine DVD beigelegt war, die eine irrsinnige Schnipseljagd enthielt, Videos von 1991 bis 2007, stilistisch alles dabei, von Free Jazz über Punk Rock bis Jazzrock und Progressive Rock - und vieles (persönliche) mehr.
Das Interview zog sich etwas dahin. Der erste Termin im Januar, am Telefon, erwies sich als ungünstig, in der Nacht zuvor war Morgan Ågrens Hund gestorben, die Familie also aufgelöst. Per Email verloren wir uns im Anschluss, am Telefon ebenso auf Grund diverser Konzerte. Bis schließlich, eine Weile, nachdem der Schlagzeuger mir Fotos übersandt hatte, Morgan die Fragen erneut anfragte und einen Teil davon schriftlich beantwortete. Keine tolle Kommunikation, etwas statisch, das Frage-Antwort-Spiel, aber immerhin ein Statement.


Ragazzi: "Ihr beide, Mats und Morgan, macht seit eurer Kindheit zusammen Musik. Stimmt ihr in eurer musikalischen Arbeit vollkommen überein?"

Morgan: "Das kann ich nicht sagen. Mats ist einzigartig, das ist er wirklich. Vielleicht in der Hinsicht, dass wir uns trafen, als er 10 und ich 14 Jahre alt war, und seitdem zusammen Musik gemacht haben, ist schon eine untypische Sache."

Ragazzi: "Verstehst du Mats Ideen und er deine ohne Worte?"

Morgan: "Ja, Aber es ist nicht unbedingt notwendig, den anderen jeder Zeit zu gut zu kennen. Hin und wieder braucht man neue Herausforderungen. Das kann die gleiche Situation wie in einer alten Beziehung sein, wenn die Dinge sich nur noch bewegen, wenn du es willst. Versteh mich nicht falsch, ich danke Gott, dass ich Mats traf. Es veränderte mein Leben. Aber nach einer so langen Zeit zusammen schaust du einfach nach neuen Dingen. Es ist wie auf der Jagd, Gefühle, Groove und Rhythmus zu finden."

Ragazzi: "Fühlt ihr euch wie Freunde oder wie Brüder?"

Morgan: "Ich denke, wir sind beides."

Ragazzi: "Spielt ihr eure Kompositionen zusammen in Sessions? Und wie komponiert ihr: spontan, intuitiv, konzeptionell?"

Morgan: "Als wir anfingen, haben wir mehr gemeinsam komponiert. Heute macht es jeder für sich. Die Sachen treffen sich, wenn wir es später spielen. Manchmal kann ich Mats einen Groove mit einem Akkord geben und er macht die Melodie dazu."

Ragazzi: "Ist das Komponieren mit den Jahren und Alben, die ihr gemacht habt, leichter oder schwerer geworden?"

Morgan: "Auf die eine Art ist es härter geworden, auf dem Gefühlslevel. Als wir jung waren, fanden wir eine Menge großartig und inspirierend. Heute ist es härter, eine Inspiration zu finden, die dir den gleichen Kick gibt wie damals, als wir jung waren. Es ist definitiv schwerer, neues eigenes Material zu komponieren. Auf der technischen Seite (Equipment) sind die Dinge heute viel leichter und einfacher zu handhaben!"

Ragazzi: "Hast du Schlagzeug/Musik studiert?"

Morgan: "Ich war auf ein paar Oberschulen und so, aber ich bin Autodidakt. Die ganzen großartigen Alben, auf die ich früh gestoßen bin, haben mich ungemein inspiriert. Das war der Schlüssel für mich. Die Freude, die Power, das war's."

Ragazzi: "Du spielst in einer Menge Bands und Projekten als Sessionmusiker. In welchen jetzt gerade?"

Morgan: "Ich gehe bald mit dem BOX Projekt auf Tour und ins Studio. Wir haben letztes Jahr bereits ein Album gemacht, sowie eine Tour mit Trevor Dunn und Company."

Ragazzi: "Was fasziniert dich an diesen Projekten?"

Morgan: "Ständig neue Leute zu treffen und mit ihnen gute neue Musik zu kreieren, das ist immer gut!"

Ragazzi: "Wird es ein weiteres Projekt wie "Sol Niger Within" mit Fredrik Thordendal geben?"

Morgan: "Keine Ahnung. Er hat viel mit Meshuggah zu tun. Gleichzeitig plant er, ein neues Soloalbum aufzunehmen."

Ragazzi: "Wie ist der Deal mit Cuneiform Records zustande gekommen? Sie bringen nicht nur eure neuen, sondern auch die alten mit Bonusmaterial neu heraus!?!"

Morgan: "Ich bin seit langer Zeit in Kontakt mit Steven Feigenbaum (dem Besitzer von Cuneiform Records), wir verkauften schon eine Weile unsere alten Alben über Wayside Music (Web-Mailorder von Cuneiform Records, d.Red.). Darüber kenne ich ihn. Als ich später keinen Bock mehr hatte, mein eigenes Label UAE weiter zu betreiben, fragte ich ihn, ob er unsere Platten rausbringen würde. Lustigerweise war ich, kurz nachdem ich ihn gefragt hatte, mit der Mats/Morgan Band in Paris. Wir trafen uns dort. Es war ein sehr guter Gig, gerammelt voll, Musiker von Magma waren im Publikum und so. Steve kam nach dem Gig hinter die Bühne und sah sehr zufrieden aus. So ging unsere gemeinsame Arbeit los! (Und es ist sauschwierig heutzutage, mit dieser Musik einen Deal zu bekommen…)"

Ragazzi: "Ich habe eine alte Videokopie von der Mats/Morgan Band, "On Air With Guests", wo du Soloparts spielst und mit diesem Typen quatschst. Gibt es das auch auf DVD oder plant ihr, es einem der Cuneiform Remaster CDs als Bonus anzuhängen?"

Morgan: "Das würde ich super finden. Es ist eine Sache der Rechte, denke ich. Wir werden sehen."

Ragazzi: "Du hast einen ganz eigenen Stil. Kraftvoll, verrückt und schräg - wie bist du dazu gekommen?"

Morgan: "Ich bin das Resultat von tausenden inspirierender Alben, gemixt mit meiner eigenen DNA, hahaha!"

Ragazzi: "Mit welchen drei Slogans charakterisierst du deinen Schlagzeugstil?"

Morgan: "Gefühl/Herz, Groove und Energie."

Ragazzi: "Euer neuestes Album klingt improvisierter und jazziger als jedes zuvor. Hat jedes neue Album einen neuen Sound nach dem Motto: ‚niemals das gleiche Album noch einmal'?"

Morgan: "Schwer zu sagen. Die Leute denken und reagieren völlig anders, unterschiedlich auf unser Zeug als du jetzt. Ich meine, auch wenn du denkst, wir hätten neue Wege beschritten, andere denken das nicht. Aber wie auch immer, ich bin mir sicher, dass unsere zukünftigen CDs unterschiedlich klingen werden. Wir haben uns von CD zu CD verändert. Ich steh heute viel mehr auf Electronic als vor 10 Jahren, das ist ein großer Unterschied, und das ist gewiss in unserer Musik zu hören."

Ragazzi: "Dein Bruder Jimmy, Robert Elovsson und Tommy Tordsson spielen nur ein paar Sachen auf dem neuen Album. Sind sie nur lose Mitglieder der Mats/Morgan Band? Haben sie ihre eigenen Projekte und Bands?"

Morgan: "Seit zwei Jahren ist die Mats/Morgan Band ein Trio, mit Gustaf Hielm am Bass. Das Quintett spielt im Moment nicht zusammen. Das begann, als unser Bassist Tommy Tordsson in die USA umzog."

Ragazzi: "Ich mag die Musik von Simon Steensland sehr. In der Vergangenheit wurden seine Alben auf deinem Label veröffentlicht. Ist er weiterhin aktiv, arbeitet er an neuer Musik?"

Morgan: "Simon ist ein guter Freund und ein großartiger Musiker und Komponist. Ich spiele auf seiner neuen CD "FAT AGAIN", die im April rauskommt! Als wir auf dem Montreal Drumfestival im letzten Jahr spielten, hatte ich ein Schlagzeugsolo auf einer von Simons Kompositionen namens "Lost in the Ark", einem wirklich sehr guten Stück!"

Ragazzi: "Du bist Trommler von Beruf…?!?"

Morgan: "Die allermeiste Zeit verbringe ich am - Computer. Ich spiele nur Schlagzeug, wenn wir live spielen oder aufnehmen… Aber im Alter zwischen 5 und 20 spielte ich täglich viele viele Stunden…!"

Ragazzi: "Mats Öberg hat sein großartiges ‚Välling & Fotogen' Album mit G.U.B.B. eingespielt. Ist er derzeit mit Soloprojekten beschäftigt?"

Morgan: "Mats hat gerade zwei Piano-Solo-CDs eingespielt. Vor kurzem begann er, Orchestermusik zu schreiben."

Ragazzi: "Wie war das mit Frank Zappa?"

Morgan: "1984 formten Mats, ich und ein paar Freunde die Band Zappsteetoot in Umeå hier in Schweden. Die Idee war, Zappa-Songs zu covern. Wir machten eine Liste mit den von uns favouritisierten Zappa Kompositionen, hatten ein paar Touren und gaben Radioshows. 1988 kam Frank auf der Broadway the Hard Way - Tour nach Stockholm und Mats und ich waren eingeladen, als Gäste mit Zappa zu spielen! Mats Onkel (Jazzpianist Bernt Egerbladh) hatte Franks Tourneeleiter kontaktiert und ihn über uns informiert, dass wir diese Band namens Zappsteetoot hätten, dass Mats Franks Musik hören würde, seit er 8 Jahre alt war, und dass er alle seine Musik kennen würde. Als Frank davon hörte, meinte er, dass er uns treffen wollte. Mats und ich schmuggelten uns in Franks Soundcheck und nachher kam Franks Tourneeleiter raus und sagte uns, dass Frank backstage warten würde. Ein paar Jahre später lud er uns ein, in die Staaten zu kommen und in Zappas Univers zu spielen. Die ganze Geschichte ist auf meiner Webseite nachzulesen (s.u., d. Red.)."

Ragazzi: "Welche Fähigkeiten braucht ein Schlagzeuger, ungewöhnliche Rhythmen mit Groove zu spielen?"

Morgan: "Schwer zu sagen. Das Wichtigste ist zu fühlen, was die Musik braucht…"

Ragazzi: "Gibt es einige technische Defizite, an denen du arbeitest?"

Morgan: "Häh?"

Ragazzi: "Komponierst du auch Stücke für dich allein?"

Morgan: "Normaler Weise enden sie alle in der Mats/Morgan Band."

Ragazzi: "Kannst du dir vorstellen, irgendwann einmal ein Soloalbum aufzunehmen? Und wenn, wie ungefähr würde das klingen?"

Morgan: "Irgendwann! Wie es klingen wird? Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich denke, dass es sich sehr davon unterscheiden wird, was die Leute von mir erwarten. Wer weiß, vielleicht würde es mehr nach Radiohead als nach Mats/Morgan klingen…"

Ragazzi: "Wer ist, deiner Meinung nach, der generell wichtigste Schlagzeuger für die Weiterentwicklung des Schlagzeugspiels?"

Morgan: "Unmöglich zu sagen! Es gibt so viele, und sie spielen so unterschiedliche Dinge. Ich lege Wert auf Persönlichkeit. Jeder mit einem eigenen neuen Stil ist wichtig."

Ragazzi: "Wann wird es ein neues Mats/Morgan Album geben?"

Morgan: "Sicher 2010. Zudem neue Rereleases."

Ragazzi: "Was hältst du grundsätzlich von progressiver Musik? Und was ist deine Analyse von der momentanen Situation?"

Morgan: "Ich habe immer ein Problem, Kategorien zu definieren. Ich kann nicht einmal sagen, was ‚progressiv' ist… Grundsätzlich: diese Musik hatte ihre Höhepunkte wohl in den 70ern. Obwohl, es gibt Bands, die diese Art Musik heute spielen, die an die 70er erinnert, und die ebenfalls gut klingen."

Ragazzi: "Was sind deine Ziele?"

Morgan: "Musik ist Meditation. Sie hat eine heilende Kraft. Und wenn die Leute das fühlen, wenn wir spielen, ist das ein doppelter Bonus. Sie sind fröhlich, und wir sind es auch."

Ragazzi: "Deine nächsten Zukunftspläne?"

Morgan: "Am wichtigsten ist die neue Mats/Morgan CD (die vielleicht als Solo-CD endet, wer weiß?!?)."

VM




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