MASSIV IN MENSCH

    

Reine Töne

Tanzbare Beats mit einigen Samples. Sonst keine Schnörkel. Kaum Gesang. Verschmolzen aus Techno und EBM, doch mit deutlichem Trend zur Dancemusic haben Daniel Logemann und Mirco Osterthun ein clubtaugliches Album geschaffen. Dabei hat "Die Rein" sogar das Zeug, sowohl Techno- als auch Electro/EBM-Clubs zum Beben zu bringen. Komplettiert werden Massiv In Mensch durch Sängerin Sarah Folkens, deren Stimme auf diesem Instrumental-Album aber nur einmal zu Hören ist.
ragazzi: "Wo liegen die Wurzeln von Massiv In Mensch. Im Techno oder in der EBM?"
Daniel: "Als wir begannen, hatte ich gerade eine ganz starke EBM-Phase. Mirco dagegen war total von Dance und Techno beeinflusst. Diese Kombination fanden wir ganz spannend. Fünf Jahre, von 1993 bis 1998, haben wir damit experimentiert, ohne etwas zu veröffentlichen. Unsere Arbeitsweise wurde dabei immer professioneller. Wir wurden songorientierter und damit wurde das Projekt konkret."
ragazzi: "Euer aktuelles Album "Die Rein" soll eine Art Brückenschlag zwischen dem Debütalbum "Belastendes Material" und dem Album "Menschdefekt" sein, welches auch noch in diesem Jahr erscheinen soll. Wie muss man das verstehen?"
Daniel: "Das war so geplant: "Die Rein" sollte in Deutschland zur selben Zeit erscheinen wie in Amerika. Dort gibt es die Platte schon seit Mai. Das hat aber nicht geklappt, weil unser amerikanisches Label noch keinen deutschen Vertrieb hatte. Deswegen wird "Menschdefekt" auf Frühjahr 2003 verschoben. So haben wir auch etwas mehr Zeit für den Feinschliff der Songs."
ragazzi: ""Die Rein" ist also ein reguläres Album, und zwar eure Nummer Zwei."
Daniel: "Genau. Auch wenn "Die Rein" instrumental ist. Das mindert den Wert überhaupt nicht. Es ist ein reguläres Album."
ragazzi: "Welche Bedeutung hat der ungewöhnliche Titel?"
Daniel: "Der Titel bezieht sich auf den Charakter des Materials. Die Songs sind zu 90 Prozent instrumental. Dieser reine Charakter frei von Gesang sowie die Reinheit der Klänge, die sehr klar, deutlich und stringent zum Vorschein kommen, war ausschlaggebend für diesen Namen."
ragazzi: "Nach welchen Aspekten betitelt man überhaupt rein instrumentale Songs? Wie kommt man auf Titel wie "Der Kotzbrocken" oder "Mein erstes Bonbon"?"
Daniel: "Meistens hat man ein bestimmtes Sample und die Idee, was man um dieses Sample herum baut. Der Titel muss natürlich im Kontext mit dem Song stehen. "Mein erstes Bonbon" klingt logischerweise harmonischer als "Der Kotzbrocken"."
ragazzi: "Im Song "Massiv In Mensch" habt ein ihr Zitat von Bundeskanzler Schröder verarbeitet. Welche Idee steckte dahinter?"
Daniel: "Wir wollten einen Song machen, der so heißt wie wir. Der sollte einen leicht epochalen Charakter haben. Aber auch sehr augenzwinkernd und zynisch sein. Da passte das Zitat total. Es ist eine typische Schrödersche Worthülse ("Die Rahmenbedingungen stimmen..."). Wir müssen jedesmal darüber schmunzeln. Deshalb haben wir den Satz gleich als Einleitung genommen und danach unseren Bandnamen ausgerufen. Der Song selbst ist dann ja auch entsprechend wuchtig und opulent."
ragazzi: "Worauf achtet ihr beim Produzieren eurer Songs?"
Daniel: "Manchmal hat man schon vorher ein Raster im Kopf. Meistens beginnen wir mit einem Beat, setzen eine Bassline dazu und legen eine Harmonie darüber. Das ist ein Prozess, der dann automatisch weiterläuft. Viel genauer kann ich das gar nicht beschreiben. Es passiert sehr viel aus dem Bauch heraus."
ragazzi: "Wo würdet ihr euch musikalisch einordnen?"
Daniel: "Wir bezeichnen unseren Stil als Dark Rave. Das passt ganz gut. Viele meinten ja, wir machen EBM. Aber das sehe ich anders. Denn das, was man mal darunter verstand, gibt es heute doch gar nicht mehr. ElectronicBodyMusic ist nur einer von vielen Einflüssen. Andere sind Techno, Dance und Trance. Aus all diesen definieren wir unser eigenes Ding."
ragazzi: "Sascha von Neuroticfish sagt sogar: "EBM is dead". Würdest du das unterschreiben?"
Daniel: "Sofort!"
ragazzi: "Eine andere Schublade nennt sich Future Pop. Ich kann mir vorstellen, dass ihr da auch mit reingestopft werdet..."
Daniel: "Und gerade das lehnen wir ab. Von den Sounds und Strukturen kann man uns überhaupt nicht gleichsetzen mit Bands wie Covenant oder Apoptygma Berzerk."
ragazzi: "Böse Zungen nennen Future Pop auch Weiberelectro. In eurem Booklet steht: "Massiv In Mensch lehnen Weiberelectro ab...""
Daniel: "Wir wollen von diesem Klischee weg und deshalb haben wir das ins Booklet geschrieben. Guckt man sich die Weiberelectro-Website an, findet man keine Parallele zwischen einer der dort genannten Bands und uns."
ragazzi: "Was aber, wenn euer Name doch eines Tages dort auftaucht?"
Daniel: "Ich glaube nicht. Wir haben einen guten Kontakt zum Macher dieser Seite. Er wird auch "Die Rein" rezensieren und findet es ganz lustig, dass wir diesen Satz im Booklet haben."
ragazzi: "Diese Sticheleien und der Begriff Weiberelectro sind ja erst aufgekommen, als Bands mit dieser Art von Musik immer größere Erfolge feierten. Neidet man sich in der Szene gegenseitig den Erfolg?"
Daniel: "Das ist gut möglich. Aber mir ist das total egal. Ich würde es einer Band wie Covenant gönnen, Platz Eins der Charts zu sein. Es geht mir nur um das Musikalische. Mal ehrlich: Die erste Platte von VNV Nation fand ich noch gut. Aber jetzt kann ich es nicht mehr hören. Die Strukturen, die Modulationseffekte der Bässe - man erkennt sofort, wer es ist. Die Songs unterscheiden sich zu wenig. Das ist mir zu offensichtlich. Aber deswegen bin ich nicht neidisch."
ragazzi: "Wird es eine Singleauskopplung für die Clubs geben?"
Daniel: "Da müsste das Album schon einschlagen wie eine Bombe. Geplant ist es nicht."
ragazzi: "Und wie sieht es mit Live-Aktivitäten aus?"
Daniel: "Erst 2003 wenn "Menschdefekt" erscheint."
ragazzi: "Vielen Dank für das Interview."

LARS





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