KADA Interview im April 2005

Zu soft für Rock, zuviel Rock für Jazz

Die ungarische Band KADA bringt höchst eigenwillige Musik und CDs auf den Markt. Bisher hatten die CDs stets ein künstlerisch gestaltetes Cover. Und plötzlich erscheint das unaussprechliche "Ohoáéib" mit seltsamen Kinderzeichnungen ringsherum. Musikalisch arbeiten KADA nach wie vor zwischen Ambient Jazz und Avant Prog grandiose und verblüffende Songs aus. Ich musste eine Weile bohren, um Kontakt zur Band zu bekommen, doch dann waren sie umso auskunftsfreudiger.




ragazzi: "Zuerst, wie seid ihr zur Musik gekommen? Was waren eure Einflüsse und wie hat sich das über die Jahre verändert? Was inspiriert euch?"
Attila Boros: "Ich begann früh, Bass zu spielen, mit 12 Jahren. Meine ersten Einflüsse kamen von Rockbands wie Deep Purple, Led Zeppelin, frühe Iron Maiden, Queen. Vor allem mochte ich Ian Gillans Stimme und die Art, wie Steve Harris den Bass spielt. Ich hörte mir auch Rockmusicals wie Webbers Jesus Christ Superstar und Hair an.
Später wechselte ich zum Jazz. Große Einflüsse sind Miles Davis (alles von Davis, und alles seiner Musiker), vor allem Joe Zawinuls Weather Report und Syndicate, auch Bill Frisell, David Torn und viele andere aus dem Avantgarde Jazz bis hin zu Popmusik.
Genauso liebe ich klassische Musik und alle Arten von Folk und Ethno. Ich steh auf Flamenco und Reggae, vor allem Bob Marleys Musik. Als ich das erste Mal Jaco Pastorius hörte, veränderte das sofort mein Bassspiel und was ich darüber dachte. Ich baute die Bunde aus meinem Bass, genauso wie Jaco. Seine Musik hat mich stark inspiriert (wahrscheinlich wirst du das hören, wenn du meinem Spiel folgst). Weitere Einflüsse sind Victor Bailey, Marcus Miller, Jeff Andrews und seit kurzem Richard Bona.
Die allerwichtigste Sache für mich, wenn ich Musik höre, ist die spirituelle Energie der Musik und zudem der "Sound" und die Momente, wenn die Musik wirklich "passiert" - Miles Davis nannte das den "spirituellen Gast"."
Kornél Mogyoró: "Mein Bruder Gyozo gab mir Perkussion Unterricht als ich ein Kind war. Meine ersten Einflüsse waren Billy Cobham und Allen Holdsworth. Später entwickelte ich Interesse an Latin und indischer Perkussionmusik. Meine größten Einflüsse sind Manulo Bandrena, Codona und Sándor Födo, Gergo Borlay, Péter Papesh und László Válik aus Ungarn. Ich stehe auf alle Arten von ethnischer Musik. Ich konzentriere mich vollkommen auf den inneren Inhalt von Musik."
László Válik: "Ich suche immer nach Reinheit und Ehrlichkeit in Musik, ich erwarte, dass sie mir eine neue Welt offenbart, einen neuen Aspekt des Absoluten. Das trifft auf jede Art von Musik zu, egal welchen Genres. Damit mir eine Musik gefällt, muss ich den "Kratzer" daran finden. Obwohl ich diesen Gedanken, diese Beschreibung erfunden habe, fand ich das in der Musik von Miles Davis, Frank Zappa, King Crimson, Bill Frisell, David Torn oder Johann Sebastian Bach oder Béla Bartók genauso wie in alter indischer Musik.
Ich bin musiksüchtig, seit ich 10 Jahre alt war. Damals war ich ein Fan von Led Zeppelin, Black Sabbath, AC/DC und Ted Nugent, später bewunderte ich die Musik von Jimi Hendrix, Frank Zappa und King Crimson. Und obwohl ich sehr wählerisch bin, höre ich mir verschiedene Arten von Musik an, das geht von Jazz bis Ethno, Free Noise, klassische und neue Musik. Ich glaube, es würde kein Problem für mich sein, wenn ich jetzt anfangen würde, nur noch indische Musik zu hören!"
Dániel Váczi: "Für mich muss Musik ein Link zwischen Gott und dem Menschen sein. Ich lernte auf einer Grundschule nach der Kodály Methode (ungarischer Komponist, 1882 - 1967, Red.). 10 Jahre lang spielte ich Violine, mit 17 wechselte ich zum Saxophon. Meine Haupteinflüsse sind Bach, Beatles, Miles Davis, Dresch und Gadó."
Ballay: "Ich war ein Teenie, als ich mich in Led Zeppelins "Black Dog" verliebte, seitdem ist Bonzos Schlagzeugspiel der größte Einfluss für mich. Später waren meine Haupteinflüsse King Crimson, Miles Davis, Zawinul Syndicate, David Torn, Terry Bozzio und Bob Marley. Heute haben Bonzo, Bob Marleys Rhythmusgruppe, Tony Williams, Al Foster, Joey Baron und Paco Sery großen Einfluss auf mich. Wenn ich mir Musik anhöre, entscheide ich mich ganz schnell, ob sie gut ist oder nicht. Aber was heißt schon gut!"
ragazzi: "Wie und wann hat Kada sich gefunden? Was bedeutet der Bandname?"
Attila: "Kada wurde 1992, zuerst mit Sänger gegründet. Stücke mit Gesang schienen zu kompliziert, wir hatten immer schwer zu tun, den perfekten Sound zu finden. Das brachte uns dazu, Gesang gegen Blasinstrumente auszutauschen. Das war eine gute Entscheidung, das wussten wir sofort. Zu der Zeit stießen Gábor Kollmann und Gergely Katona zur Band. (Vom Song "Farewell" gibt es eine Vokalversion.) Gyozo Mogyoró kam hinzu, als das erste Album fertig war. Weil Kollmann viel damit zu tun hatte, in anderen Bands zu spielen (unter anderem mit Aladár Pege vom Budapester Jazz Orchester), wurde er durch Dániel Váczi eingetauscht. Gyozo Mogyoró hatte die Schnauze von Musik spielen voll, und so kam sein Bruder Kornél zu Kada. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Leute mittlerweile in Kada gespielt haben, manchmal waren wir zu acht in Kada, manchmal auch nur zu viert (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Perkussion). Das reflektiert unser neues Album "OHOÁÉIb" am besten. Kada ist ein ungarischer Vorname ohne besondere Bedeutung. Nichts ausgefallenes, wir gaben unserem Baby einfach einen Namen…?"
ragazzi: "OHOÁÉIb hat dieses von Kinderhand gemalte Cover, hat das irgendeine Bedeutung?"
Attila: "Das Konzept von OHOÁÉIb ist klar und komplex… für uns. Du sollst nur auf die Zeichnung schauen, dir das Motto durchlesen, die Texte der Songs, dann weißt du schon, worum es geht. Es ist ein Rätsel; die Auflösung darf ich nicht verraten."
ragazzi: "Wie ist die Situation in Ungarn für eine experimentelle Rockband? Habt ihr viele Fans?"
Attila: "Das bewegt sich zwischen grauenhaft und schrecklich. Es gibt überhaupt kein Interesse, keine Offenheit. Die Clubs haben schlechte Akustik und sind nur daran interessiert, Kohle zu machen… Nun, es gibt einige gute Clubs und Festivals, aber die bevorzugen "populäre" Genres. Bands, die nicht zu kategorisieren sind, werden gar nicht erst eingeladen. Wir sind zu soft für Rock, haben zuviel Rock für Jazz, und man kann es nicht Weltmusik oder Progressive Rock nennen. Normaler Weise gehen progressive Bands den Weg ihres alten Vorbildes mit wieder erkennbarem Inhalt.
Aber um etwas Gutes zu sagen: seit September haben wir ein Management, das uns helfen wird, Kada zu promoten, so wie einigen anderen Bands wie Dániel Váczi Trio, Nigun, Egy Kiss Erzsi Zene oder Ad Matay (Adform Arts)."
ragazzi: "Die ungarische Rockszene steht eher für melodische Bands mit harmonischer Musik. Ihr geht völlig anders vor. Seid ihr die einzige Band mit dieser Vorstellung von schräger und freier Musik?"
Attila: "Wir sind beeinflusst von alten ungarischen Bands wie Syrius, als sie noch von Jackie Orszácky geleitet wurden, oder von Jazzmusikern wie Mihály Dresch, István Grencsó, György Szabados oder Gábor Szabó.
Ja, Kada hat einen unverwechselbaren Sound. Das überrascht mich bisweilen selbst… Es gibt keinen Trend, keine Band, der wir nachfolgen, die die gleiche Musik macht. Selbst die Bands in Adform Arts spielen eine völlig andere Musik."
ragazzi: "Einige eurer Ideen sind sehr Jazz infiziert, andere eine Mischung aus Ambient und Heavy Rock. Was bevorzugst du davon? Und wie kommt ihr auf diese ungewöhnlichen Ideen?"
Attila: "Unsere Antworten auf die erste Frage zeigen, wie unterschiedlich wir alle sind, welche verschiedenen Arten von Musik uns inspirieren. Diese Vielfalt gibt, wie auch immer, die Energie für Kada. Die Komplexität entwickelt sich aus diversen Elementen. Wir haben einige Gemeinsamkeiten mit Miles Davis, Bill Frisell, Bach, Bártok und indischer Musik, und das alles hat einen starken Einfluss auf uns. Wir sind schon immer eine experimentelle Band gewesen und vor allem an kollektiver freier Improvisation, Kommunikation und den Grenzen von Musik interessiert… das begeistert uns."
ragazzi: "Ihr seid alle ziemlich perfekt an den Instrumenten. Seid ihr Musiker von Beruf?"
Attila: "Ballay, Mogyoró und ich leben nicht von Musik. Ich bin Soundingenieur, also bin ich mit meinem Job nah dran…"
ragazzi: "Eine Band zu gründen kann eine schwierige Angelegenheit sein. Wie war das bei euch?"
Attila: "Kada wurde von Freunden gegründet, die wiederum später ihre Freunde mitbrachten…, es war also keine große Sache, gute Musiker zu finden."
ragazzi: "Gibt es eine Chance, euch außerhalb Ungarns live zu sehen?"
Attila: "Unglücklicherweise haben wir keinen Club, der uns außerhalb bucht, aber dank Adform Arts ist das in Arbeit. Natürlich sind wir jeder Zeit offen für Einladungen."
ragazzi: "Wie wird Kada zukünftig klingen? Wie sehen eure Pläne aus? Wie geht es weiter?"
Attila: "Wir arbeiten an einer DVD, die hoffentlich im April veröffentlicht wird. Darauf wird das Konzert vom 23. Dezember 2004 enthalten sein und ein paar Gigs an verschiedenen Orten. Wir haben massenweise unveröffentlichtes Material und Videoaufnahmen."

VM




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