Interview mit Alex Holzwarth (Sieges Even)

Alex Holzwarth gehört zu den wenigen mir bekannten Menschen, die nicht nur eine Doppel- sondern eine Triple-Existenz führen. Als Trommler von Rhapsody und Sieges Even, einer Band, welche die Klassiker von morgen schreibt, bedient er verschiedene musikalische Geschmäcker und darüber hinaus ist er noch als Lehrer am Drummer's Focus in München tätig. Das folgende Interview entstand im Rahmen der Sieges Even / Dead Soul Tribe - Tour, die am 13. Januar im Karlsruher "Substage" ihren Abschluss fand.



Fotos: Timo Schmitt

ragazzi: "Wann und wodurch bist du zum Trommeln gekommen?"
Alex: "Das war vor 27 Jahren und zwar deshalb, weil mein Bruder angefangen hatte, Bassgitarre zu spielen. Ich wollte dann auch Bassgitarre lernen, weil ich das nachmachen wollte - mein Bruder ist ein Jahr älter - doch er sagte mir, ich solle was anderes üben und da hab ich mich für Schlagzeug entschieden."
ragazzi: "Hattest du gleich zu Beginn Unterricht?"
Alex: "Nein, ich hab erstmal für mich selber rumgekloppt. Wir wohnten früher in Frankfurt und dort hatte ich ein Jahr Unterricht bei einem sehr guten Lehrer, dem Seppl Niemeyer von Flatsch. Danach habe ich wieder ohne Lehrer geübt und die ersten drei Scheiben von Sieges Even ohne weiteren Unterricht aufgenommen. Erst später habe ich dann am Drummer's Focus eine Ausbildung als Schlagzeuglehrer begonnen und währenddessen sehr viel geübt. Man kann fast sagen, ich habe das meiste auf dem zweiten Bildungsweg nachgelernt."
ragazzi: "Nach welcher Lehrmethode wurdest du am Drummer's Focus unterrichtet?"
Alex: "Am Drummer's Focus gibt es eine Ideologie, in deren "Focus" die Ergonomie steht; nach diesen Idealen bin ich vorgegangen und habe dort auch die ganzen Prüfungen gemacht."
ragazzi: "Spielst du weitere Instrumente?"
Alex: "Nein. Schlagzeug reicht mir schon. Ich habe genug damit zu tun, dieses Instrument richtig spielen zu können."
ragazzi: "Wer waren und wer sind deine Vorbilder - musikalisch, aber auch in anderen Bereichen?"
Alex: "Früher war mein Vorbild immer Michael Schenker von seinem Ausdruck auf der Gitarre und seinen Soli; schlagzeugmäßig war Neil Peart von Rush ein großer Einfluss, aber auch Bill Bruford mag ich sehr gerne, aber momentan richte ich mich nicht mehr nach anderen Leuten."
ragazzi: "Hast du ein spezielles Lebensmotto und falls ja, wie lautet es?"
Alex: "Ojeh! Man sollte auf jeden Fall immer den jetzigen Zeitpunkt genießen und einfach das Beste aus dem Moment machen."
ragazzi: "Wie und wann begann das damals mit Sieges Even? Hast du vorher schon mit Oliver in anderen Bands zusammengespielt?"
Alex: "Mit Olli hatte ich davor noch nicht zusammengespielt - ich hatte meine eigene Band. Olli spielte schon bei Sieges Even, die vorher übrigens lustiger Weise "Sodom" hießen und einen Drummer suchten; weil alle vorherigen Schlagzeuger wohl nicht den technischen Ansprüchen genügten, musste ich ran und seitdem hat das dann hingehauen. Das ist übrigens fast 20 Jahre her."
ragazzi: "Meine Lieblingsscheiben von Sieges Even sind "A Sense of Change" wegen der ganz speziellen Atmosphäre - damals habe ich mir extra deswegen, weil diese Aufnahme nur als CD erschien, einen CD-Player gekauft [Alex: Ha! Ich auch.] - und "Uneven", weil diese Scheibe für mich Prog-Metal in Vollendung darstellt, quasi die Quadratur des Quintenzirkels. Welches ist dein Lieblings - Sieges Even - Album, und warum?"
Alex: "Also mir gefällt die neue Scheibe am besten, "The Art of Navigating by the Stars", denn ich denke, dass wir da das Beste abgeliefert haben vom Songwriting und vom Bandfeeling her, weil wir jetzt Arno Menses als Sänger haben, der seine Gesangslinien selbst geschrieben hat. Ansonsten finde ich "A Sense of Change" und teilweise "Steps" sehr gelungen."
ragazzi: "Ihr fabriziert absolut keine Blabla-Texte; inwieweit möchtet ihr durch die Texte euren Fans Denkanstöße vermitteln?"
Alex: "Texte sollten immer im weitesten Sinne unterhaltend sein, unsere Texte sind letztendlich sehr abstrakt gehalten, deswegen werde ich da auch jetzt nicht viel kommentieren. Ich finde es ganz gut, wenn man wie auch bei der Musik dem Leser bzw. dem Hörer die Möglichkeit bietet, sich selber ins Klangbild einzuspielen, das ist ja der ganze Witz bei der Sache."
ragazzi: "Was hältst du von folgenden Aussagen: a) "Es gibt weder gute noch schlechte Musik; jegliche Musik wird durch ihre Fans legitimiert."
Alex: "Finde ich absolut richtig. Ich kenne viele Schallplatten, die sind miserabel gespielt, aber haben ein wahnsinniges Flair, was mir besser gefällt, als eine All-Star-Band, die keine guten Songs hat. Wenn die Musik, die man macht, Leuten gefällt, hat man viel erreicht, z.B. verschiedene Emotionen erzeugt bzw. verstärkt."
ragazzi: "b) 'Lehrer sein heißt Lernen'"
Alex: "Genau so sehe ich das auch; ich höre nie auf zu üben und versuche stets meine Methoden, Dinge den Schülern nahe zu bringen, zu verbessern. Momentan bin ich gerade dabei, für das Schlagzeugmagazin "Drum Heads" einen Doublebass-Workshop zu schreiben, wo ich versuche, schülernah vorzugehen. Ein Lehrer sollte nie aufhören, sich weiterzubilden, sonst ist er eigentlich kein guter Lehrer."
ragazzi: "Übst du eigentlich noch regelmäßig?"
Alex: "Also ich spiele sehr viel als Lehrer und mit sehr sehr guten Schülern, das heißt, ich habe eigentlich während des Unterrichtens sehr viel Praxis, also übe ich quasi mit. Davon abgesehen übe ich pro Woche noch drei bis vier Stunden, mehr Zeit habe ich leider nicht."
ragazzi: "Hast du schon daran gedacht, deine Soundpalette zu erweitern (Bells, Stacks, Timbales, Octobans etc.), um dein akzentuiertes Spiel noch differenzierter zu gestalten?"
Alex: "Es ist immer interessant, verschiedene Sounds zur Verfügung zu haben - ich habe das für die Aufnahmesessions zu "Steps" so gemacht und mir zwei Bassdrums, vier Hängetoms und Dinge gekauft, wie sie auch Neil Peart benutzt hat, aber letzten Endes bin ich wieder zu den Basics zurückgekommen. Ich habe jetzt ein ganz normales Five-Piece-Kit, da für mich der Groove das Wichtigste ist. Durch die Interaktion von Bassdrum, Snare und Hi-Hat kann man so viel ausdrücken, dass mir manchmal schon die Toms zuviel sind."
ragazzi: "Ihr habt auf "A Sense of Change" mit einem Streichquartett gearbeitet. Tragt ihr euch mit dem Gedanken, weitere "genrefremde" Instrumente, wie z.B. Vibraphon, Gamelansounds, Koto, Erhu oder Saz auf künftigen Produktionen einzusetzen?"
Alex: "Falls wir das machen sollten, dann wie beim Flötenpart der letzten CD, also extern von jemandem eingespielt, z.B. als Solo, denn wir wollen unsere Stücke möglichst eins zu eins auf der Bühne umsetzen können, aber wenn es der entsprechende Song erfordert, warum nicht?"
ragazzi: "Oliver und du habt Jobs bei Blind Guardian bzw. Rhapsody, ist demnach Sieges Even eure 'Hobbyband'?"
Alex: "'Hobbyband' fasse ich als Kompliment auf, weil das ja bedeutet, dass man die Musik macht, die einem am Herzen liegt. Trotzdem ein klares "nein", da wir es mit Sieges Even jetzt wissen wollen und die Sache sehr ernst nehmen. Die Tätigkeiten in den anderen Bands sind, wie du bereits gesagt hast, eben Jobs."
ragazzi: "Mit welchen Musikern - tot oder lebendig - hättest du gerne mal zusammen gespielt?"
Alex: "Das ist schwierig, weil ich mit Sieges Even superglücklich bin, aber ein Trio mit Phil Lynott am Bass und Michael Schenker an der Gitarre wäre eine echte Herausforderung gewesen."
ragazzi: "Plant ihr die Veröffentlichung einer Live-DVD?"
Alex: "Da gibt es jetzt noch nichts zu planen, wir müssen bis dorthin noch einige Studioalben schreiben, denn "The Art of Navigating by the Stars" war ja für uns so eine Art Neubeginn mit Arno. Wenn wir mal drei Platten draußen haben, kann man mal darüber reden. Außerdem kostet die Produktion einer DVD auf dem Qualitätslevel, wie wir uns das vorstellen, schon eine Menge Geld und deshalb warten wir erstmal noch ein bisschen damit."
ragazzi: "Bist du schon solistisch in Erscheinung getreten, wie das beispielsweise Terry Bozzio macht bzw. hast du das noch vor?"
Alex: "Eher weniger. Ich sehe das Schlagzeug als Bandinstrument. Bei Rhapsody spiele ich gerne live ein Solo - auf der am 23. Januar erscheinenden Live-CD ist auch ein Solo von mir drauf - aber nur Schlagzeug-Arrangements, das ist mir persönlich zu einseitig, auch wenn Terry Bozzio und Konsorten ganz klasse sind."
ragazzi: "Hast du beim Entwickeln der Drumparts der Sieges Even - Stücke völlig freie Hand oder versuchen dich die anderen zu beeinflussen? Arno ist ja selber auch Trommler."
Alex: "Nein. Meist haben wir zunächst die Melodieparts und probieren im Proberaum ein bisschen rum. Wenn ein anderes Bandmitglied eine bessere Idee hat, dann machen das auch so, da gibt es keine Ego-Probleme; das gilt genauso für Gitarre und Bass."
ragazzi: "Gibt es bei euch eine klare Aufgabenteilung beim Schreiben der Stücke wie z.B. bei Rush?"
Alex: "Markus schreibt die ganzen Texte und die Musik schreiben wir zu dritt zusammen; darauf setzt Arno dann seine Gesanglinien."
ragazzi: "Seid ihr dennoch, wie man vermuten könnte, eine demokratisch organisierte Band?"
Alex: "Absolut, obwohl das heutzutage eine immer größere Seltenheit darstellt."
ragazzi: "Wie war die Zuschauerresonanz auf der heute zu Ende gehenden Tour insgesamt?"
Alex: "Ganz klasse. Gerade auch in Deutschland kamen zu jedem Gig 300 bis 400 Leute. Das ist ein Riesenerfolg, vor allem wenn man bedenkt, dass das Publikum super mitgegangen ist und teilweise sogar schon die Texte der neuen CD mitgesungen wurden."
ragazzi: "Habt ihr schon Pläne für eine weitere CD?"
Alex: "Auf jeden Fall, denn man muss immer im voraus planen. Gleich nach dieser Tour wird das Songwriting für die nächste Platte losgehen, die im Sommer aufgenommen werden soll."
ragazzi: "So dass man spätestens in Jahresfrist mit deren Veröffentlichung rechnen kann. Ich freue mich schon jetzt darauf. Vielen Dank, Alex, für das aufschlussreiche Interview."
Alex: "Auch dir, Frank, vielen Dank."

Interview: Frank Bender




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