Interview mit Ginger im Sommer 2008


Viele junge Bands bedienen heute die Retroschiene. Die zeitgeistigen Sounds langweilen alternative und innovative Musik liebende Nachwuchsmusiker, die Power und Dynamik der Endsechziger und Frühsiebziger Rockmusik mit ihrer Wildheit, Ungezügeltheit und Lebendigkeit, ihrem Inhalts- und Ideenreichtum stecken junge Musiker an, sich eben diese Klänge als Inspiration und Vorbild zu nehmen und ihre eigenen Klänge in diesen "alten" Sphären anzusiedeln. Ginger sind eine dieser Bands, die nicht nur ein enormes Niveau, handwerklich wie ideentechnisch, sondern ebenfalls ein Händchen für ausgefallene Improvisationen, lange Songs und einen eigenen, nicht schnell eingängigen Stil haben. ragazzi wollte mehr wissen.


ragazzi: Seit wann gibt es Ginger und wie seid ihr zusammen gekommen?

Marc: Ginger gibt's seit Anfang 2007. Arie und ich kennen uns schon seit der Schulzeit, wir haben damals auch unsere erste Band zusammen gehabt. Danach sind wir beide eigene musikalische Wege gegangen und haben uns dann für Ginger wieder zusammengefunden. Micha und Ändu haben wir im Internet gesucht.

ragazzi: Woher der Name?

Marc: Wie's halt mit Namen so ist… kurz und prägnant sollten sie sein, aber doch Spielraum für eigene Assoziationen offen lassen.

ragazzi: Ihr seid rein technisch und handwerklich gute Musiker. Habt ihr Musik studiert - oder wart ihr auf der Musikschule?

Arie: Die meisten von uns dürfen sich wohl als Autodidakten bezeichnen. Meiner Meinung nach lernt man beim Jammen mit anderen Leuten oder beim Üben in einer Band mehr als zu Hause im stillen Kämmerchen oder mit einem Musiklehrer... ausserdem machts mehr Spass! Aber das ist wohl Ansichtssache...

Marc: Alle von uns haben einen gewissen technischen Hintergrund aus privaten Musikstunden, aber keiner war auf einer Jazzschule oder ähnlichem.

ragazzi: Wo habt ihr eure Einflüsse her? Ihr spielt Musik, die vor 40 Jahren aktuell war - habt ihr in den Plattenschränken eurer Eltern oder in Second Hand Shops gestöbert? Wo kommt das Interesse für diese Art Musik her? Welche Sounds haben euch bisher geprägt? Zuerst einmal: habt ihr alle den gleichen Musikgeschmack?

Micha: Jedes Mitglied von Ginger hat einen anderen musikalischen Background. Es gibt kaum gute Musik, die uns nicht beeinflusst hätte! Allen Bandmitgliedern gemeinsam ist die Überzeugung, dass in den Siebzigern zeitlose Musik geschrieben wurde, die von Nichts und Niemand in den Schatten gestellt werden kann. Gleichzeitig ist der jammige und psychedelische Hardrock für mich die natürlichste Art von Musik, die im Proberaum entstehen kann, und es gibt zumindest von meiner Seite her keine Absicht, "alt" tönenden Sound zu kreieren.

Marc: Dass wir alle von verschiedenen Stilrichtungen kommen ist eine grosse Stärke von Ginger. Das macht uns zwar nicht zu Spezialisten einer bestimmten Richtung erlaubt uns aber einen Mix zu schaffen, der bestimmt einzigartig ist.
Dass zwei von uns eindeutig von den späten Sechzigern und frühen Siebzigern geprägt sind ist in unserem Sound aber dauerhaft präsent.

Arie: Laut Erzählung meiner Eltern habe ich schon im zarten Alter von 4 Jahren lieber die LPs meiner Eltern nach Covers sortiert und auf dem Plattenteller ihre Runden drehen lassen - und meine Mutter hatte natürlich immer Schiss, dass ich ihr die Platten zerkratzen würde (lacht).

ragazzi: Gibt es eine Szene in Zürich, die diesen Sound am Leben erhält?

Marc: Es gibt in Zürich drei Veranstalter die den Sound der 60er mehr oder weniger erfolgreich versuchen am Leben zu erhalten… vor 5 Jahren war das mal so ein richtiger Boom. Da waren bis zu 800 Leute an solchen Parties, heute sind das noch zwischen 100-300. Wir betreiben nebenbei eine Reihe namens Shake-A-GoGo die sich auf Psychedelischen Sound spezialisiert hat. Zu unserem Konzept gehört immer eine Live Band, am liebsten aus dem Ausland. (shakeagogo.com)

ragazzi: Wie kommen eure Songs zustande? Wer von euch ist Komponist? Arrangiert ihr die Songs gemeinsam?

Micha: Vieles entsteht spontan beim Jammen. Komponiert wär's dann schon mal, und arrangiert wird's von der Band als Ganzes. Einige Songs im Repertoire wurden auch "im stillen Kämmerchen" von ein oder zwei Bandmitgliedern geschrieben, besonders die Älteren.

Marc: Bei Proben wird deshalb ständig aufgenommen und die Besten Teile davon werden weiter verarbeitet.

ragazzi: Micha spielt Trompete. Das gibt euren Songs eine besondere Note, improvisierst du und spielst nach Gefühl oder spielst du nach Noten? Wo hast du das gelernt?

Micha: Bei Ginger kann man nicht nach Noten spielen, denn schliesslich sind wir eine Jamband. Als ich zu Ginger kam, hatte ich noch nie auf der Trompete improvisiert. Das Wissen über's Solieren liess sich aber recht gut von der Gitarre auf die Trompete übertragen.

ragazzi: Micha und Marc, ihr improvisiert viel und spielt ausgiebige Soli. Sprecht ihr ab, wer wann dran ist? Spielt ihr die Songs live jedes Mal genauso oder gibt es im Laufe so eines Stückes spontane Veränderungen?

Marc: Unseren Songs liegen gewisse Strukturen zu Grunde die Fest sind und erst nach einer gewissen Zeit wieder verändert werden, etwa wenn sich nach einigen Shows zeigt, dass gewisse Parts nicht funktionieren. Vieles bleibt aber offen bis es tatsächlich gespielt wird, das fängt bei der Setlist an und hört bei der Länge einzelner Soli auf. Die Dynamik innerhalb eines Songs hängt auch von vielen Faktoren ab die erst auf der Bühne ersichtlich sind.

ragazzi: Wie auf beiden CDs gut zu hören ist, seid ihr eine Liveband. Habt ihr die Idee, mal ein reines Studioalbum zu veröffentlichen?

Micha: Ein Studioalbum steht für Anfang nächstes Jahr auf dem Programm. Wir sind eine Liveband, aber im Studio kann man die Songs feiner ausgestalten und auch mal etwas aufnehmen, das live unmöglich wäre…

Arie: ...bis dahin hören wir uns mal ein bisschen nach einem guten alternativen Label um, das uns bei diesem Projekt zu unterstützen bereit wäre.

Marc: Studioalben sind halt so eine Sache… ich persönlich bevorzuge nur in sehr wenigen Fällen die Studioalben gegenüber Livealben… und zwar dort wo man die studiospezifischen Vorteile wirklich bis an die Grenzen ausgenutzt hat. Bei den Beatles etwa oder bei Pink Floyd. Das braucht aber Jahrelange Erfahrung gute Techniker und vor allem viel Studiozeit.

ragazzi: Auf eurer MySpace Seite sind eure Einflüsse nachzulesen. Darunter ist auch das Mahavishnu Orchestra. Gibt es Ideen, von der Band zu covern oder eigene Songs in der Spielart dieses Klassikers zu komponieren?

Marc: Das ist wohl vor allem ein Einfluss der mich betrifft. Diese Vielschichtigkeit und der immer wieder leicht ins disharmonische driftende Sound hat mich schon immer fasziniert und auch inspiriert, wie auch viele andere Fusion Alben aus dieser Zeit. Technisch gesehen liegt das aber weit über unseren Möglichkeiten.

ragazzi: Wie sieht es mit Konzerten aus. Seid ihr quasi pausenlos auf Tour oder ist es schwer, Gigs an Land zu ziehen? Wie ist der Kontakt zum Hippiefestival zustande gekommen, auf dem ihr 2008 spielen werdet?

Arie: Nein auf Tour sind wir nur ca. 4 mal pro Jahr, zwischen 2 Tagen und eineinhalb Wochen. Das Burg Herzberg Festival kommt zu uns etwa so wie die Jungfrau zum Kinde, nämlich ungewollt. Wie letztes Jahr gehen wir da einfach mal hin, stellen unser Zelt auf, und spielen drauf los. Im offiziellen Lineup sind wir aber leider auch dieses Jahr nicht berücksichtigt.

Marc: Es braucht als unbekannte Band schon immer einen grossen Aufwand Gigs zu buchen. Das ist einfach sehr viel bürokratische Arbeit, die sich aber in dem Moment wo man die Bühne betritt auf jeden Fall gelohnt hat. Es wird aber mit der Zeit schon einfacher, wenn Kontakte mal geknüpft sind und sich der Ruf einer Band auch unter den Veranstaltern herumgesprochen hat.

ragazzi: Wie sehen eure Zukunftspläne für die Band aus?

Arie: Spielen, spielen, spielen....

VM




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