Interview FUNKER VOGT

Texte wie Ausmalbilder

Intro

Funker Vogt melden sich mit neuem Album und interessanten, neuen Tönen zurück. Die Band hat sich spürbar weiterentwickelt, was das neue Album mehr als nur unterstreicht. Dass Funker Vogt gereift sind, zeigen nicht nur die neuen Songs, sondern auch die Antworten von Gerrit und Jens im ragazzi-Interview. Oder hat man vorher von Funker Vogt schon einmal einen Satz wie: "Wir sind alle lernfähig" gehört?





ragazzi: "Was fasziniert euch nach inzwischen 10 Jahren Bandgeschichte und 6 Studioalben noch immer am Thema Krieg? Man könnte meinen, ihr hättet dazu alles gesagt…"
Jens: "Wie du siehst, ist noch nicht alles gesagt. Wobei man das Wort Faszination im Zusammenhang mit dem Thema Krieg und im Zusammenhang mit Funker Vogt aus dem Wortschatz streichen sollte. Uns fasziniert - wie die Meisten - nichts an Krieg und Gewalt. Wenn ich die Tagesschau angucke, dann habe ich von diesen 15 Minuten vier Minuten Wetter, zwei Minuten Lottozahlen und der Rest dreht sich um die Schlechtigkeit dieser Welt. Genau das verarbeiten wir auch in unseren Texten."
ragazzi: "Es gab in der Vergangenheit nicht nur positive Reaktionen auf eure Attitüde, euer Image. Hat sich das inzwischen geändert?"
Jens: "Ja, auf jeden Fall. Die so genannten Kritiker sind deutlich weniger geworden. Nach 10 Jahren Funker Vogt haben die Meisten verstanden, was wir meinen. Und alle, die immer noch Probleme haben, können gern ihre Fragen oder auch Kritik an uns richten.
Wir sind eine Band, die offen gegenüber allem ist, die nach den Konzerten nicht im Backstageraum verschwindet, sondern das Feedback der Leute aufsaugt."
ragazzi: "Habt ihr je - vielleicht angesichts von Ereignissen wie 09/11 oder dem Irakkrieg - über einen Imagewechsel nachgedacht?"
Jens: "Nein, weil wir ja nichts verherrlichen. Wir weisen eher auf subtile Sachen hin, die real erscheinen. Aber wir werfen keiner einzelnen Person und auch keinem Staat etwas vor. Unsere Texte sind rein fiktiv und was du da herauslesen willst, ist deine Entscheidung. Die Texte sind wie Ausmalbilder: Wir geben die Umrandungen vor und du musst den Rest ausmalen."
ragazzi: "Jens, du hast im Sonic Seducer den Satz gesagt: "Wir haben unseren Auftrag bei weitem noch nicht erfüllt". Was ist der Auftrag von Funker Vogt?"
Jens: "Das war vielleicht etwas überspitzt formuliert. Aber ich denke, dass wir mit Funker Vogt noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Das bezieht sich auf Verkaufszahlen, aber auch musikalisch sind wir noch nicht am Ende unserer Entwicklung angekommen. Wir sind alle lernfähig und wollen noch mehr. Das heißt natürlich nicht, dass ich je ein Pavarotti werde, aber es gibt mit Sicherheit noch Verbesserungsmöglichkeiten."
ragazzi: "Woher kommt generell und speziell bei "Navigator" eure musikalische, aber auch inhaltliche Inspiration? Schaut ihr vielleicht unentwegt Kriegsfilme bzw. CNN?"
Jens: "Textlich macht der Kai Schmidt bei Funker Vogt das meiste. Er hat da die nötige Zeit und Phantasie. Es ist aber auch so, dass Gerrit und ich durchaus mal einen Text schreiben. Was die Musik angeht: Das ist Gerrits Job, und er ist einfach so begabt, dass immer ein vernünftiger Output da ist."
Gerrit: "Die musikalischen Ideen kommen aus dem täglichen Leben, von dem, was ich aufsauge. Ich kann nicht ins Studio gehen und von null auf hundert einen Song komponieren oder arrangieren. Man hat immer irgendwelche Ideen, die man sammelt. Und dann fährst du mit diesem gesammelten Input ins Studio und lässt ihn raus."
ragazzi: "Die neue Platte klingt im Vergleich zu euren anderen Alben abwechslungsreicher. An der einen Stelle habe ich mich sogar an Apoptygma Berzerk erinnert gefühlt, an einer anderen an Suicide Commando…"
Gerrit: "Auweia, hör auf… So was passiert durch Zufall. Wir sind eine Electroband, und dass sich da Parallelen zu anderen Electrobands auftun, bleibt nicht aus."
ragazzi: "Wie gesagt - die neue Platte klingt abwechslungsreicher. Warum öffnet sich Funker Vogt gerade jetzt neuen Elementen?"
Gerrit: "Wir haben den Funker Vogt Style, die gesunde Mischung aus Härte, Melodie und Eingängigkeit, immer weiter getrieben. Der große, krasse Sprung ist jetzt gar nicht beabsichtigt gewesen. Es ist einfach passiert."
ragazzi: "Ihr seht den Albumtitel "Navigator" auch als eine Metapher für die Entwicklung der Band hin zu neuen Ufern. Wie sehen diese neuen Ufer aus?"
Gerrit: "Während der Entstehung der neuen Songs hat sich herauskristallisiert, dass wir musikalisch auch ganz andere Wege gehen könnten, wenn wir die Funker Vogt Wurzeln etwas vernachlässigen. Die kommende Zeit wird zeigen, ob unsere Fans und auch wir selbst die neuen Elemente annehmen. Deswegen ist "Navigator" auch ein Richtungsweiser für unser zukünftiges Schaffen."
ragazzi: "Ihr werdet auch und gerade wegen eurer Live-Shows geliebt. Wie lange dauert die Vorbereitung jeweils und wie sieht sie konkret aus?"
Jens: "Momentan sind wir dabei, die Songplanung zu machen. Das wird natürlich von Album zu Album schwieriger, weil man auch die ganzen alten Sachen mit bedenken muss. Dann geht Gerrit an die Arbeit, arrangiert die Stücke. Und danach geht es ins Studio zum Üben. Wobei wir ja die meisten Sachen beherrschen, so dass wir uns jetzt nicht sieben Tage am Stück einschließen und irgendeine Choreographie einstudieren. Wir sind uns auch nicht zu schade für Fehler. Da sieht man wenigstens, dass wir eine Liveband sind und nicht so viel vom Band kommt."
ragazzi: "Warum ist euer langjähriger Livegitarrist Thomas Kroll ausgestiegen?"
Jens: "Wenn ich jetzt sage, wir haben uns im Guten getrennt, dann ist das auch wirklich so gemeint und nicht nur ein Spruch. Thomas hat ja eine Kneipe, in die er stark involviert ist. Musikalisch war er für uns nicht mehr der richtige Mann. Thomas ist auf seine Weise sehr limitiert gewesen. Das hat uns irgendwann nicht mehr gereicht. Es war für uns eine schwere Entscheidung, weil er nach wie vor unser Freund ist. Wir sitzen also immer noch bei ihm in der Kneipe und können ganz normal miteinander reden."
ragazzi: "Ihr spielt keine Festivals in diesem Sommer?"
Jens: "Das ist richtig, wir werden erst im Oktober wieder auf der Bühne stehen. Wir haben da einen Zwei-Jahres-Rhythmus. 2006 stehen wieder die größeren Festivals an."
ragazzi: "Seid ihr trotzdem privat auf Festivals unterwegs?"
Jens: "Ich schätze, beim M'era Luna werden wir wohl auflaufen, weil es direkt vor der Haustür liegt. Auf dem WGT waren wir dieses Jahr auch wieder, Gerrit hat da mit einem Nebenprojekt gespielt."

Stefan




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