Fermáta Interview im November 2007


Gewiss hat der Marktauftritt der CD nicht allein die Frischzellenkur für diverse Musiker bewirkt, sie wieder für ihre alte Musik interessiert, alte und neue Fans finden und wieder finden lassen. Die slowakische Band Fermáta um den Gitarristen František Griglák durchlebte nach ihrem ersten Ende nach 1984 in den 1990ern einige Inkarnationen. Ihre großen Erfolge feierte die bedeutende Band ab 1975 bis etwa 1981. Artverwandte Bands wie The Mahavishnu Orchestra, Iceberg (Spanien) oder Kornet (Schweden) sind längst nicht mehr aktiv und haben teilweise, wie Kornet, noch nicht ein Album auf CD veröffentlicht. Fermáta haben nie aufgehört, Jazzrock zu spielen, wenn nach 1981 die musikalische Qualität ihrer LPs auch nachließ und ihre beiden ersten Alben in den 1990ern auch nicht wirklich an die alte Qualität anschließen können, was sich mit dem instrumentalen Album "X", der 1999er CD, änderte. Nachdem die Band jetzt erneut reaktiviert wurde, die beiden "alten" Musiker František Griglák und Fedor Frešo (b, Collegium Musicum) sich mit jungen Musikern zusammengetan haben, geben Fermáta wieder Konzerte, veröffentlichen demnächst eine Live-CD plus DVD und haben, endlich (!), eine informative, wenn auch nur in slowakischer Sprache geführte Webseite frei geschaltet. Nach Jahren der Suche konnte ich schließlich Kontakt zum Bandmanagement, das Fedor Frešo, der perfekt deutsch spricht, selbst führt, finden. Dieses Email-Interview mit František Griglák ist ein erstes über die Slowakei hinaus öffentliches Lebenszeichen einer noch immer aktiven Band, die mit zumindest fünfen ihrer Alben (Progressive Jazz) Rockgeschichte geschrieben hat.


ragazzi: "František, hast du Musik studiert? Wie bist du zur Musik gekommen - und wann war das?"
František Griglák: "Ich komme aus einer Musikerfamilie und habe Musik studiert, wenn du aber an Berkeley denkst - so etwas war bei mir nicht der Fall."
ragazzi: "Wie war die politische und musikalische Situation damals am Anfang? Warst du als Rockmusiker unter Druck des kommunistischen Systems?"
František: "Jeder Musiker war damals mehr oder weniger unter Druck, aber ich fühle es nicht als große Tragödie. Heute gibt es anderen Druck - das ist kein so großer Unterschied."
ragazzi: "Die meisten Fermáta-Alben sind instrumental. Aus politischen Gründen?"
František: "Nicht nur. Ich denke, ich legte meinen Fokus auf instrumentale Musik aus mehreren Umständen."
ragazzi: "Was waren deine ersten musikalischen Einflüsse und wie hat sich das über die Jahre verändert?"
František: "Natürlich Gitarristen - von George Harrison bis Jeff Beck - aber heute sind das ganz andere Leute, von denen ich lerne."
ragazzi: "Wie hieß deine erste Band? Ist ‚Konvergencie' von Collegium Musicum das erste Album, an dem du mitgespielt hast? War Collegium Musicum die erste Band, in der du gespielt hast?"
František: "Zuerst spielte ich in einer Amateurband namens ‚Innerhalb des Feuers'. Alle aus der Band gingen zu Prúdy von Pavol Hammel. Das war mein professioneller Start. Meine erste LP war die zweite LP von Prúdy."
ragazzi: "Wann hast du Fermáta gegründet? Was bedeutet der Name? Stammt der Name von dir? Mit wem hast du Fermáta gegründet?"
František: "Ich verließ Collegium Musicum, weil meine Vorstellung von Musik sich von der Band unterschied, zudem, ich konnte mich gegen einen solchen Solisten wie Marián Varga (Keyboarder von Collegium Musicum, d. Red.) nicht durchsetzen. Ich traf Tomáš Berka und wir gründeten eine neue Band. Fermáta heißt Bushaltestelle (Bus Stopp) auf Italienisch, und als musikalische Terminologie bedeutet es ‚Stopp bei der Diskredition des Musikers' - Fermáta!"
ragazzi: "Die Musik auf dem ersten Album ist sehr hart. Woher kam die Inspiration?"
František: "Das ist eine lange Geschichte, ich war von so vielen Dingen beeinflusst, ebenso wie meine Kollegen."
ragazzi: "Der erste Song heißt "Rumunskà Rapsódia". Warum rumänisch?"
František: "Das ist nur der Titel der Komposition, das hat mit Rumänien nichts zu tun."
ragazzi: "Euer zweites Album 'Piesen Z Hol' war deutlich jazziger, hatte strukturiertere Kompositionen. Es war zudem das erste und einzige Mal, dass ihr mit einem Viola-Spieler gearbeitet habt. Wer hatte die Idee für die Viola? Waren Tomáš Berka und du beide die Bandleiter?"
František: "Die Idee für die Viola kam von zwei exzellenten Jazzmusikern, Anton Jaro und Cyril Zelenák. Andere Instrumente haben wir später auch verschiedentlich genutzt, um die Arrangements reicher zu gestalten. Tomáš und ich haben perfekt zusammengearbeitet - was ich nicht konnte, das hatte er drauf - und anders herum."
ragazzi: "Huascaran. Die Band hatte einige Umbesetzungen. Es gab gewiss einige sehr gute Musiker in der damaligen Tschechoslowakei? Auf der CD sind einige Bonustracks zu hören, die deutlich poppiger sind als die LP-Tracks. Für die Radiostationen eingespielte Songs?"
František: "Huascaran war als Suite komponiert. Die Idee kam von Tomáš. Die Komposition veränderte sich in der Band, wurde eine gemeinsame Sache. Gute Musiker können überall gefunden werden, wenn sie aber weit weg wohnen, gibt es Probleme. Wer letztlich mitspielte, war meine Entscheidung. Die Bonustracks wurden vom CD-Editor ausgesucht, sie haben mit Huascaran nichts zu tun. Wir wollten halt einiges weitere Material beifügen. Sie haben keinen Bezug zur Platte, Huascaran ist in sich geschlossen."
ragazzi: "Wenn Fermáta live gespielt hat, habt ihr improvisiert, lange Songs gespielt? Habt ihr alte Konzerte aufgenommen, auf dass eines Tages eine CD damit veröffentlicht werden kann?"
František: "Live haben wir die Songs nicht unbedingt ausgedehnt - aber wir haben lange Soli gespielt. Wir haben einige Konzerte für TV aufgenommen, alles live eingespielt, wir haben niemals Playback gespielt, und sind gut damit angekommen. Bisher bin ich allein mit der Idee, diese Liveaufnahmen eines Tages auf einem Livealbum zu veröffentlichen."
ragazzi: "Das folgende Album kam erst zwei Jahre später, 1980 heraus. Warum die lange Pause dazwischen? ‚Dunajská Legenda' und das ein Jahr später folgende ‚Biela Planéta' sind Jazzrock wie die früheren Alben, jedoch weitaus weniger heavy, softer und wärmer. Warum dieser Wechsel? Fedor Frešo vom Collegium Musicum kam zu Fermáta, ist er der von dir favoritisierte Bassist?"
František: "Die Pause kam, weil ich meinen zweijährigen Militärdienst absolvieren musste. Als ich zurückkam, akquirierte die Band ein neues Mitglied - Fedor Frešo, der im Moment kein Engagement hatte. Collegium Musicum war aufgelöst. Wir kannten uns gut aus der Vergangenheit und ich war überzeugt, dass er für die Band von Vorteil sei. Jeder personelle Wechsel verändert die ‚Handschrift' der Band. Das ist ähnlich wie schon bei ‚Huascaran'. Die Alben sind monothematisch aufgebaut, in sich geschlossen. Nicht der musikalische Sinn ändert sich, aber die Spielweise. Themen und Songtitel, die slawischen Fürsten wie auf ‚Dunajská Legenda' oder Entdeckern wie auf ‚Biela Planéta' gewidmet sind, waren Tomáš Berkas Ideen. Er war begeistert davon und wir haben nicht opponiert."
ragazzi: "'Biela Planéta' ist das einzige Album, das bislang nicht auf CD veröffentlicht worden ist. Warum nicht?"
František: "Das stimmt nicht, das Album wurde auf CD aufgelegt, aber nur in limitierter Edition. Es war eine Frage der Rechte. Wir hoffen, dass Opus, die schon unsere anderen Alben auf CD mit Bonustracks veröffentlicht haben, im kommenden Jahr ‚Dunajská Legenda' und ‚Biela Planéta' auf einer Doppel-CD veröffentlichen werden."
ragazzi: "Ich kann mir gut vorstellen, dass du wie Fermáta auch heute noch wohlbekannt in der Slowakei seid. Habt ihr damals vor großem Publikum gespielt? Wart ihr auch im tschechischen Teil, und wart ihr dort bekannt? Wie sieht es mit Kontakt zu anderen Jazzrock Band wie Energit oder Jazz-Q aus? Gab es eine lebendige Szene mit politischen und musikalischen Diskussionen?"
František: "Wir haben stets ein kleineres Publikum bevorzugt, aber sicher haben wir auch große Konzerte gegeben. Wir fuhren regelmäßig in die tschechische Republik, unser Publikum dort war genauso gut wie das zuhause. Wir spielten auch in Ungarn, zumeist als Supportband vor den Konzerten ihrer legendären Bands. Möglicherweise sahen sie uns als Konkurrenz, obwohl es nicht eine Band wie unsere in Ungarn gab. Und sicher, wir waren in Kontakt zu unseren Kollegen, aber das waren eher einfache Kontakte zwischen Musikern und ich erinnere nicht eine musikalische oder politische Diskussion."
ragazzi: "'Generation' zeigt die Band verändert. Jetzt spielt ihr mehr Pop als Rock. Warum dieser Wechsel?"
František: "Wir wollten einfach etwas Neues probieren, zudem waren wir unter Druck, weil unsere Musik für normale Hörer zu anspruchsvoll war."
ragazzi: "Drei Jahre später folgte ‚Ad Libitum', das erste Album mit Text und Gesang. Warum habt ihr angefangen, Texte in eure Songs zu integrieren? Worum geht es in den Texten? Die Musik ist zudem zeitgemäßer Rock mit Popeinflüssen. Wie ist der Wechsel zustande gekommen?"
František: "Seitdem wir begonnen hatten, nur instrumentale Songs zu spielen, waren wir dafür kritisiert worden. Also entschieden wir uns, Gesang einzusetzen. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Heute sehe ich das Album als einen großen Fehlschlag. Der einzige Vorteil des Albums ist, dass ich heute weiß, dass es ein falscher Weg war."
ragazzi: "Existierte Fermáta über die politische Wende hinaus? Wie habt ihr die Wende gesehen? 1993 (‚Simile'), 1994 (‚Real Time') und 1999 (‚X') folgten neue Alben, ohne Tomáš Berka, mit neuem Line-Up. Wie ging es euch in den Jahren?"
František: "Von der politischen Wende hielten wir soviel wie alle anderen - eine Wende. Es geschah, und nicht alles war nur positiv. Zum Beispiel, dass neue private Sender nur diese "Merry-Go-Round" - Popmusik und Musik für die Jugend bevorzugen, sie sind grundsätzlich nicht an unserer Musik interessiert. Alles auf dem Markt der Kunst ist umgekrempelt und für uns Alte ist es sehr schwer, am Ball zu bleiben.
Tomáš resignierte und so blieb ich allein, die Band wieder auf die Beine zu stellen. Man kann sich vorstellen, dass die folgenden Alben sich stark von den vorhergehenden unterschieden. Aber ich kehrte wieder zu der guten Formel zurück, instrumentale Musik wie in der guten alten Zeit zu spielen, nicht nur Radiofutter (sicherlich schreibe ich auch weiterhin Songs fürs Radio, jedoch nicht für mich, für andere Musiker). Nebenbei habe ich das Problem, Label und Geld auftreiben zu müssen.
Nach ‚Real Time' kam ich wieder mit Fedor Frešo in Kontakt. Wir hatten ständig mit personellen Problemen zu kämpfen, vor allem mit Schlagzeugern. Schließlich schafften wir es, eine weitere CD mit Martin Valihora und Peter Preložník aufzunehmen, zudem veröffentlichten wir bei einem Major -BMG. Wir nannten das Album ‚X', in Gedanken an das Millennium und weil es das 10. Album von Fermáta war. Ich bin sehr stolz darauf."
ragazzi: "Habt ihr in den 90ern wieder live gespielt? Nach der politischen Wende auch im Ausland?"
František: "Wir haben Konzerte vor kleinem Publikum gegeben, aber es war unmöglich, dabei gute Aufnahmen für eine CD zu machen. Leider waren unsere Aktivitäten im Ausland eingeschlafen."
ragazzi: "Ihr plant die Veröffentlichung einer DVD. Wird altes Konzertmaterial als Bonus enthalten sein?"
František: "Es wird eine Live-CD mit Bonus-DVD. Weil es unser erstes Livealbum sein wird, enthält es von allem etwas, altes und neues Material. Lass dich überraschen…"
ragazzi: "Fermáta ist gerade frisch wiedervereint. Welche Musik spielt ihr heute?"
František: "Heute spielen wir einen Mix aus altem und neuem Material. Wir haben eine große Auswahl."
ragazzi: "Habt ihr noch altes Material, das in der Zukunft auf CD veröffentlicht werden kann?"
František: "Ich bin mir nicht sicher, ob das für eine CD reichen wird. Es wäre möglicherweise interessanter, einiges auf einer repräsentativen CD zusammenzustellen, etwas wie ‚Best of'."
ragazzi: "Seid ihr weltweit in Kontakt zur Progressive Rock Szene? Und seid ihr euch bewusst, dass Fermáta einen Namen in der Szene hat?"
František: "Wir sind stets froh, wenn wir von Fans aus dem Ausland hören. Und es macht mich sehr froh, dass wir, wie du sagst, populär in der weltweiten Progressive Rock Szene sind. Es wäre nur schön, wenn wir diese Popularität nutzen könnten, um live spielen zu können, sagen wir in Deutschland, oder in Übersee…"
ragazzi: "Was denkst du heute, wenn du an die komplette Bandgeschichte denkst? Was denkst du über die Platten und Konzerte, die ihr gespielt habt?"
František: "Oh, es ist nicht mein Job, über Fermáta nachzudenken. Das müssen andere Leute tun. Ich spiele und arbeite, wie ich es fühle. Es ist nur natürlich, dass meine Arbeit alles reflektiert, was ich aus der Musik absorbiert habe, aber das ist nichts Neues, oder?"
ragazzi: "Die Texte in den Booklets der Fermáta CDs sind nur in slowakischer Sprache festgehalten. Die LPs hatten noch englischsprachige Texte. Warum die CDs nicht mehr?"
František: "Wir sind nicht in der Lage, über das CD-Design zu entscheiden. Weil niemand darüber nachgedacht hat, die CDs auch im Ausland zu verkaufen, wurden die Texte nur auf Slowakisch geschrieben. Aber ich bin mir sicher, dass es ein Leichtes ist, die Texte für ausländische Käufer ins englische zu übersetzen. Bisher hatten wir jedoch kein seriöses Interesse aus dem Ausland bemerkt."
ragazzi: "Wenn ihr jetzt Konzerte gebt, spielt ihr altes Material verändert? Und könnte ihr euch vorstellen, in Deutschland aufzutreten?"
František: "Wir spielen nach wie vor altes Material, das Publikum weiß das und wartet darauf. Es ist nur gut, dass die alten Sachen den Leuten heute nicht egal sind, dass es Relevanz hat. Jedoch, alles ändert sich und die alten Sounds klingen heute ein wenig anders. Ich glaube besser. Und in Deutschland spielen? Na klar, wenn wir einen Promoter oder Agenten finden, der das arrangiert!"
ragazzi: "Was macht Tomáš Berka heutzutage? Ist er weiterhin als Musiker aktiv? Bist du in Kontakt mit Collegium Musicum? Was meinen eigentlich deine Familie und Kinder zu Fermátas Musik?"
František: "Tomáš Berka ist ein graduierter Designer und heute verwendet er alle Zeit auf seinen Job. Ich bin in Kontakt mit Fedor, er ist mein Bandkollege, zudem mit Marián (Varga, d. Red.). Hin und wieder spielen wir mit Dušan Hájek.
Meine Frau Vierka gibt mir alle Möglichkeiten und unterstützt mich wie sie nur kann, andernfalls hätte ich nicht tun können, was ich tue. Und was andere Kollegen angeht, ist alles gesagt, wenn ich sage, dass Fedors Sohn, Fedor Junior, den Sound unserer Konzerte mixt. Zudem, er macht seinen Job sehr gut. Ich bin mir sicher, dass er Fermáta mag. Abgesehen davon, die CD-Cover und das Design unserer Poster werden von seinem zweiten Sohn Victor gestaltet - auch ein Fan von uns."

VM




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