Ephel Duath Interview im November 2005

Die Zerstörung der zyklischen Repetition von Riffs
oder
Die Freiheit zeitgenössischer Musik

Die Italiener Ephel Duath sind im Extrem-Metal diejenigen mit den komplexesten Songs. Wie denkt man sich eine derartige Musik nur aus? Und wie setzt man das technisch um? Erstaunlich, mit welcher Kompromisslosigkeit die 3 Musiker Töne zusammensetzen und ihre eigenen Songstrukturen in Stücke zerhacken; und diese zuckenden Splitter mit Lust intonieren.
Gitarrist Davide Tiso beantwortete einige
meiner Email-Fragen:

ragazzi: "Wann wurde Ephel Duath gegründet?"
Davide: "Die Band legte im Februar '98 los."
ragazzi: "Kannst du die Bandgeschichte kurz zusammenfassen?"
Davide: "Unser Demo "Opera" entstand im Oktober '98. Unseren ersten Deal hatten wir mit den Italienern code666 und unser Debütalbum "Phomula" kam '99 raus. 2001 unterschrieben wir den Vertrag mit Earache, im gleichen Jahr kam das Debüt als Reprint neu heraus, der Titel änderte sich in "Rephomula". 2003 veröffentlichten wir das zweite Album "The Painter's Palette", jetzt gerade unser drittes, "Pain Necessary To Know"."
ragazzi: "Welchen musikalischen Stil wolltet ihr zu Anfang spielen?"
Davide: "Während der ersten Jahre machten wir so eine Art extremen symphonischen Metal. Wir spielten als Duo, zwei Gitarren, Synthesizer, Gesang und Schlagzeugmaschine. Mit harter Einstellung und einer Menge Ambition habe ich den Fokus der Band objektiviert."
ragazzi: "Was hat euch beeinflusst - und wie hat sich das über die Jahre geändert?"
Davide: "Das Demo Tape und das erste Album waren wahrscheinlich von extremen Acts wie Emperor und Limbonic Art inspiriert. Nach dieser Periode änderte sich das Line-Up und ich begann, andere Bands zu hören, etwa Opeth, Neurosis, Isis, Dillinger Escape Plan, Locust, Fantomas. Jetzt bin ich sehr interessiert an Rooster."
ragazzi: "Was wollt ihr mit eurer Musik rüberbringen? Was ist die Philosophie hinter der Musik?"


Davide: "Ich will die Sinne schärfen für Dinge wie Verlangen, die zwischen Komfort und Entfremdung wechseln. Es gibt keine eigentliche Philosophie im Bandkonzept, nur unseren essentiellen Willen, dass Experimente alles sind."
ragazzi: "Wie komponiert ihr eure Songs? Kannst du etwas über den kreativen Prozess sagen? Wie konstruiert ihr die Kompositionen?"
Davide: "Alles startet mit einem von der Gitarre gespielten Skelett. Danach präsentiere ich meine Strukturen unserer Rhythmusfraktion. Sie komponieren ihre Parts nach meinen Anweisungen. Danach arrangieren wir alles gemeinsam neu und bewerten, ob es nötig ist, noch etwas zu ändern. Danach schreibe ich die Texte und diskutiere mit Lucio (Lorusso, Screams, d. Red.) über die beste Weise, die Stimmen einzubringen."
ragazzi: "Was bedeutet der Name Ephel Duath?"
Davide: "Ephel Duath ist aus Tolkiens Mythologien entnommen und heißt "Berg des Schattens"."
ragazzi: "Wie, würdest du sagen, hat sich der Sound der Band in den Jahren entwickelt?"
Davide: "Album für Album haben wir unsere Einflusspalette erweitert und unsere Vorstellungen von Musik befreit von den typischen Beschränkungen der Genres. Jetzt will ich mit Ephel Duath die vollkommene Freiheit der zeitgenössischen Musik ausdrücken, mit offenen Strukturen und ohne die Dauerwiederholungen von Riffs."
ragazzi: "Ich denke, jedes Mitglied der Band hat seine eigenen musikalischen Präferenzen. Welche sind das und wie kommt das zusammen?"
Davide: "Jetzt arbeiten wir als Trio zusammen, Luciano Lorusso George (voc), Fabio Fecchio (b) und ich, Davide Tiso (g). Andrea Rabbini ist unser neuer live Schlagzeuger für die Promotion von "Pain Necessary To Know". Luciano hat einen Hardcore-Metal-Background, Fabio kommt von Kazz Lux, Funk und Pop und unser Schlagzeuger hat Rock und Metal gespielt. Ich komm vom Metal, aber ich bin ebenso an Stoner, Post Rock und Ambient interessiert."
ragazzi: "Wie würdest du Leuten, die Ephel Duath noch nie gehört haben, eure Musik beschreiben?"
Davide: "Ephel Duaths Musik ist ein obskurer und ironischer Trip zwischen Hardcore, zeitgenössischer Musik und Jazz, ebenso methodisch strukturiert wie voll von Gefühlen und Kontrasten."
ragazzi: "Eure Songs sind sehr komplex und technisch. Wo kommt das her?"
Davide: "Seit unserem Beginn haben wir niemals unmittelbare Musik gespielt. Das ist ein spontaner Prozess, der mich nicht dahin bringt, konventionelle Songstrukturen zu erarbeiten. Vielmehr haben wir mit "Pain Necessary To Know" versucht, in die Band die Freiheit zeitgenössischer Musik einzubringen. Wir haben die zyklische Repetition von Riffs zerstört und instrumentale Suiten mit vokalen Teilen komponiert, gleich wie die Bewegung eines Ungeheuers im Wald: es schlägt zu und versteckt sich wieder gleich darauf."
ragazzi: "Ich kann die Texte nicht verstehen. Wovon handeln die Lyrics? Und warum singt ihr die Texte so, dass man sie nicht nachvollziehen kann? Warum Texte überhaupt? Kannst du dir vorstellen, rein instrumentale Musik zu machen?"
Davide: "Unsere Texte sind geschrieben worden, um verstanden zu werden, sie komplettieren den Sinn der ganzen Arbeit und ich kann mir Ephel Duath ohne Texte nicht vorstellen.
Ich schreibe alle Texte für Ephel Duath, das geht von einfachen Dingen los über, die um mein Leben kreisen. Ich benutze eine Menge von Eindrücken und Metaphern, ich teile mich mit offenen poetischen Texten mit. Ganz speziell handeln die Texte auf "Pain Necessary To Know" von all den Masken, die wir über unsere Gesichter stülpen, um unser Leben zu leben. Wir benutzen die Figur der Medusa im Artwork, um den Titel des Albums zu symbolisieren. Du kannst nicht sagen, dass du weißt, was eine Medusa ist, wenn du nicht ihr Zeichen auf der Haut trägst. Du kannst nicht sagen, dass du auch nur eine entfernte Idee davon hast, was das bessere Leben für dich ist, wenn du die Zeichen der erlebten Schmerzen nicht in deinen Gedanken trägst. Meiner Meinung nach ist es unbedingt notwendig, über die eigenen Qualen und die eigene Pein genau Bescheid zu wissen."
ragazzi: "Eure Musik ist absolut unkommerziell. Wie findet ihr diesen Mix aus Progressive Rock, Jazz, Metal und Avantgarde? Gibt es da Vorbilder?"
Davide: "Dies ist die einzige Musik, von der ich sagen kann, dass sie meine ist. Ich denke nicht darüber nach, was zu spielen ist, ich spiele nur die Freiheit meiner Visionen. Anders wüsste ich meine Gitarre nicht zu benutzen. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Finger setzen muss, um perfekt zu spielen, aber ich weiß es perfekt, wenn ich liebe, was ich höre: ich liebe die Musik von Robert Fripp, David S. Were, Steve Von Till, Mike Patton, Pink Floyd und Angelo Badalamenti."
ragazzi: "Deine Songs sind sehr hart. Die Stimme schreit die Lyrics raus. Im Gegensatz dazu sind die instrumentalen Passagen wunderbar komplex und lyrisch, was bevorzugst du, die harten Sachen oder die komplexen lyrischen Parts?"
Davide: "Kontraste sind einige der wichtigsten Aspekte in der Musik von Ephel Duath. In jedem Song gibt es Füllen und Leeren, Schreie und Liebkosungen. Screaming hilft uns, diesen Willen zu unterstreichen, es explodiert und zieht sich sofort wieder zurück, wie ein Wolf im Wald.
Ich kann nicht sagen, was ich weniger oder mehr liebe, das ist eine gut ausbalancierte Fusion zwischen beidem, das macht unseren Stil aus und um diesen Aspekt zu betonen, lege ich beim Komponieren die größtmögliche Aufmerksamkeit auf Dynamik und Volumen."
ragazzi: "Warum sind die Songs in kleine Stücke zerschnippelt worden?"
Davide: "Das ist Earache's Politik, um die Verbreitung der Songs vor der Veröffentlichung via Web zu stoppen."
ragazzi: "Was hältst du von Progressive Rock und Jazz? Beeinflussen diese Stile deine musikalische Arbeit?"
Davide: "Ich habe diese beiden Genres nie viel gehört, aber ich gebe zu, dass es in unserer Musik eine Menge von Jazz-Intuition gibt und einige Prog-Strukturen. Die beiden Stile bieten uns unbewusste Inputs, was zur Vergrößerung unserer Einflüsse beiträgt."
ragazzi: "Können wir euch demnächst in Europa und speziell in Deutschland live sehen und hören?"
Davide: "Im kommenden Frühjahr wird die erste Ephel Duath Europatour stattfinden, wir kommen auch nach Deutschland. Zudem organisieren wir für den gleichen Zeitraum eine Minitour durch Deutschland."
ragazzi: "Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Vielleicht eine DVD mit Konzertmitschnitten und Wissenswertes um die Band?"
Davide: "Wir haben gerade die Promotion für das neue Album gestartet. Wir versuchen, so viel wie möglich zu spielen. In der Zwischenzeit bin ich schon wieder dabei, über neues Material nachzudenken. Unser Plan ist, sobald wie möglich wieder ins Studio zu gehen. Im Moment haben wir keine Live DVD geplant."

VM




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