DOSSCHE

Gekühlter Rotwein zum Fisch

Wenn ein studierter und praktizierender Psychologe dunkel anghauchte Musik macht und noch dazu "Ich bin Gott" singt, wirft das schon ein paar Fragen auf. Noch dazu, wenn seine Musik ein explosiver Cocktail aus harten Gitarren, fetten Beats und abwechslungsreichen Electronics ist. Dossches "Existenz" ist ein absolut empfehlenswertes Album. Ragazzi sprach mit dem psychologischen Rocker.


ragazzi: "Du bist Psychologe von Beruf. Stehst du da häufiger vor dem Problem, dass ständig an deinen Texten ruminterpretiert wird?"
Dossche: "Eigentlich nicht mehr als andere auch. Natürlich verbinden die Leute mit den Texten eines Psychologen bestimmte Vorstellungen, aber ich mache die Texte ja als Mensch und nicht als Wissenschaftler, und das ist ein großer Unterschied."
ragazzi: "Besonders der Song "Ich bin Gott", aus dem Munde eines Arztes, könnte doch einiges an Auslegungen zulassen. Kannst du bitte auf diesen Titel etwas näher eingehen?"
Dossche: "Wieso denn. Ärzte nennt man Halbgötter in Weiß, aber daran habe ich gar nicht gedacht, auch nicht an plastische Chirurgie oder so was. In "Ich bin Gott" spricht durch mich ein Mensch, der nur sich sieht und um sich herum alles so formt, wie es ihm gefällt, ohne andere Menschen als gleichwertige Individuen wahrzunehmen."
ragazzi: "Woher stammen die Ideen zu deinen Songs, zu deinen Texten?"
Dossche: "Die stammen aus meinem Leben, den Gedanken, die ich mir mache, Dinge, die mich beschäftigen und halt oftmals über das Oberflächliche hinausgehen."
ragazzi: "Sind es manchmal wirklich die Geschichten deiner Patienten, die dich inspirieren?"
Dossche: "Nein, gar nicht. Die Geschichten meiner Patienten liefern möglicherweise einen dunklen Hintergrund als Grundstimmung, aber die Inhalte sind eher auf persönlichen Erfahrungen basierend."
ragazzi: "Siehst du dich als rockender Psychologe oder als psychologischer Rocker?"
Dossche: "Eher letzteres, ich bin Musiker und habe Psychologie studiert, aber mein Output als Musiker ist für mich von großer Bedeutung."
ragazzi: "Wie viel Zeit hast du zum Musizieren? Ärzte haben doch den Ruf, permanent im Stress zu sein und etliche von Überstunden zu absolvieren."
Dossche: "Ich habe die Zeit, die ich brauche. Ich bin ja nicht als Arzt im Krankenhaus angestellt, sondern als selbständiger Psychologe kann ich so viele Stunden am Tag arbeiten, wie ich möchte, das sind so viele nicht..."
ragazzi: "Woher kommt dieses Füllhorn an musikalischen Einflüssen und Elementen in deiner Musik?"
Dossche: "Ich höre alles mögliche, PJ Harvey, Stephan Eicher, Marilyn Manson, DJ Shadow, Rammstein... um nur einige zu nennen. Diese Leute machen total unterschiedliche Sounds, aber dennoch gefallen sie mir alle. Also ist es doch eigentlich ganz logisch, daß ich mich all dieser Stilrichtungen bediene. Ich bin gegen Mauern im Kopf und Schubladendenken. Ich trinke auch gekühlten Rotwein zum Fisch, wenn mir danach ist."
ragazzi: "Wie entstehen deine Songs, wie kreiert man diesen wirklich abwechslungsreichen Sound auf "Existenz"?"
Dossche: "Danke für das Kompliment. Ich schreibe zunächst die Texte, dann setzte ich mich mit Bärbel oder Mat zusammen, sie haben eine Idee, und wenn wir beide darauf einsteigen, wird es dann "ein echter Dossche"."
ragazzi: "Wer sind deine Musiker? Kennt man sie vielleicht aus anderen Bands?"
Dossche: "An der Produktion war beteiligt Topo, der mit Mouse On Mars, Mother´s Finest und Menschenfischer zusammengearbeitet hat, um nur einige zu nennen. Bärbel hat das letzte Album von Laith al Deen gemischt, Mat arbeitet auch mit der Kelly Family und Stephan Runge. Der Drummer Stefanel spielt noch bei Braa Conspiracy, dem Nachfolger von Wondabraa, und Eberhard Arctic macht nebenbei noch unter anderen Namen Platten, hat auch einen Deal..."
ragazzi: "Welche Musik empfiehlst du zu welcher Gemütslage? Stimmt das Klischee, das düstere, melancholische Songs bei schlechter Laune oder Depressionen die Lage nur noch verschlimmern?"
Dossche: "Ich empfehle immer ganz genau das zu hören, worauf man gerade Lust hat. Ich finde es wunderschön, wenn eine tiefe Traurigkeit durch das Hören trauriger Musik in eine echte Verzweiflung mündet. Wenn ich das mit meinen Songs erreichen kann, bin ich sehr glücklich... paradox, nicht wahr?"
ragazzi: "Ja, aber nachvollziehbar. Vielen Dank für das Interview!"


LARS




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