DEINE LAKAIEN (21.01.2005)

Die Schere im eigenen Kopf

Es ist eine der längsten Erfolgsgeschichten in der dunklen musikalischen Szene, die Deine Lakaien geschrieben haben. Und ein Ende ist nicht in Sicht! Im März kommt die neue Platte in die Läden, im April geht das ungleiche Duo auf Tour. Ragazzi sprach mit Ernst Horn über Anstehendes und Vergangenes. Dabei verriet der musikalische Kopf der Band auch geheime Wünsche, beispielsweise, dass er gern einmal mit dem Schlagzeuger von Rage Against The Machine zusammen arbeiten würde.


ragazzi: "Warum gab es für die Presse "nur" eine Snippet-CD mit Fade-In/Fade-Out-Versionen der Titel? Habt ihr spezielle schlechte Erfahrungen gemacht?"
Ernst Horn: "Das war eine Vorgabe unseres Labels. Ich finde es auch überhaupt nicht toll, wenn deine Scheibe schon vor der offiziellen Veröffentlichung im Internet steht. Bei der letzten Platte von Helium Vola war dies schon 5 Wochen vorher der Fall."
ragazzi: "Ihr seid jetzt bei Capitol/EMI. Warum der Labelwechsel?"
Ernst Horn: "Der hatte keine spektakulären Gründe. Letztes Jahr war die Zukunft von unserer alten Plattenfirma Sony ja relativ unsicher nach der Fusion mit Bertelsmann. Außerdem sind die Leute bei der EMI wirklich nett."
ragazzi: "Ihr seid ja nun schon einige Zeit bei Major-Labels. Wie sieht es dort mit den künstlerischen Freiheiten?"
Ernst Horn: "Einer Band in unserem Alter macht man da keine künstlerischen Vorschriften mehr, das wussten die bei der EMI auch. Okay, das mit der Fade-In/Fade-Out-Promo-CD kam von ihnen...
Es ist eher die Schere im eigenen Kopf, über die nicht gern geredet wird, die aber definitiv vorhanden ist und über die man als Künstler auch nachdenken sollte."
ragazzi: ""April Skies" erscheint nicht im April, sondern im März. Hat der Titel einen Bezug zu den Wetterkapriolen dieses Monats?"
Ernst Horn: "Ja, genau. Das war Alexanders Idee. Der Titel spielt auf die Abwechslung der Scheibe an."
ragazzi: ""April Skies" ist insgesamt weniger ruhig als "White Lies" und weist auch deutliche Bezüge zu älteren Lakaien-Scheiben auf. Ist das bewusst passiert?"
Ernst Horn: "Ja, schon. Wir waren bei der Arbeit an diesem Album in einer ganz anderen Stimmung als bei "White Lies". Die letzte Platte war viel introvertierter. Ich war in keiner so guten Verfassung, hatte mich damals gerade von meiner Frau getrennt.
Bei "April Skies" haben wir uns gesagt: Lass uns doch ruhig mal wieder was richtig Pathetisches machen.
Aber auch das Mitwirken der Gastmusiker hatte seinen Einfluss."
ragazzi: "Wie habt ihr die Musiker, die ja schon auf der ""White Lies"-Tour dabei waren, gefunden?"
Ernst Horn: "Tobi von den Inchtabokatables kannten wir schon lange, er hatte schon bei den Solo-Sachen von Alexander Cello gespielt. Auch Robert ist ein alter Bekannter, er war ja früher bei "Sleeping Dogs Wake". Tobi hatte uns dann die eine Geigerin empfohlen, die wiederum eine andere Geigerin kannte. So ergab sich das."
ragazzi: "Mit "Vivre" gibt es - ungewöhnlicherweise - ein französisches Stück auf der neuen Scheibe. Wie kam es dazu?"
Ernst Horn: "Das war ein Versuch, zu dem Alexander die Idee hatte. Ich habe ihn dann ermutigt. Er ist ja irgendwie auch ein alter Chansonnier und war auch mal Jaques-Brel-Fan. Außerdem passt es einfach gut zu seiner Stimme. Und es klingt sogar besser als ich gedacht hatte."
ragazzi: "Was ist das Rezept der inzwischen jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte der Lakaien?"
Ernst Horn: "Hmmm... Eigentlich sind wir zwei ganz unterschiedliche Typen, es kommt auch immer wieder zu Spannungen. Ich beispielsweise bin sehr harmoniesüchtig, streite mich nur ungern...
Vielleicht ist es auch der Altersunterschied. Und dass wir zwischendurch lange Pausen machen. Auch der Ehrgeiz, immer wieder Neues ausprobieren zu wollen, spielt eine Rolle. Viele Bands geraten irgendwann in so eine Erfolgsspirale, nehmen Drogen usw. Das war für uns nie ein Thema."
ragazzi: "Innerhalb der Szene hierzulande habt ihr wirklich alles erreicht. Was könnte die nächste Stufe sein?"
Ernst Horn: "Ich habe da keine Strategien. Mich interessiert immer mehr das Album. Alexander möchte gern mehr im Ausland machen. Und es gibt ja auch genügend Anfragen, zum Beispiel aus Mexiko. Aber mir ist da der ganze Aufwand einfach zu groß. Obwohl - ein bisschen in der Welt rumkommen, das wäre gar nicht schlecht..."
ragazzi: "Was ist euer persönlicher Antrieb, immer wieder eine neue Platte zu machen, immer wieder auf Tour zu gehen. Sind das nach 20 Jahren nicht immer wieder die gleichen Rituale?"
Ernst Horn: "Ach, ich finde es immer wieder spannend, neue Ideen zu verwirklichen. Ich bin auch kein Stubenhocker, sondern gern unterwegs nach der meist langen Zeit im Studio. Alexander ist da anders. Für ihn ist eine Tour anstrengender, er ist gern zu Haus."
ragazzi: "Woher kommt dein musikalischer Input?"
Ernst Horn: "Ich glaube, das sind inzwischen die Erfahrungen meines Lebens. Ich habe ja schon alles Mögliche gemacht: viel Klassik, auch in Theatern, auf Weinfesten und Metzgerinnungsfesten gespielt. Ich war aber auch mal großer Rockmusikfan. Da ergibt sich einfach ein Spektrum, aus dem man schöpfen kann. Platten wie "Kid A" von Radiohead sind auch wichtig. Die war richtig schön sperrig, obwohl die Band da ja schon sehr bekannt war."
ragazzi: "Nach seinen beiden Alben hat Alexander nichts Solistisches mehr gemacht. Wird es demnächst eventuell etwas Neues geben?"
Ernst Horn: "Ja, er bastelt an etwas. Allerdings ist er da sehr zurückhaltend, er redet nicht mal mit mir darüber."
ragazzi: "Wie wichtig sind euch Kontakte und der Erfahrungsaustausch mit Kollegen innerhalb oder auch außerhalb der Szene? Wäre für euch beispielsweise eine Kollaboration mit anderen Musikern denkbar?"
Ernst Horn: "Es gibt schon einige Freundschaften mit alten Bekannten wie Bruno Kramm oder Oswald Henke... Es ist sehr angenehm, sich mit ihnen zu treffen und zu reden. Wenn ich Fragen habe, rufe ich sie auch schon mal an. Musikalisch mache ich aber eher meins, ich bin da nicht so sehr in der Szene.
Kollaborationen mit anderen Musikern könnte ich mir schon vorstellen. Mit Kollegen aus dem klassischen Bereich, aber auch Rockmusikern wie dem Schlagzeuger von Rage Against The Machine."
ragazzi: "Was wird während der im Frühjahr anstehenden Tour auf der Bühne passieren?"
Ernst Horn: "Dieses Mal wird das Musizieren im Mittelpunkt stehen. Es wird durchmischt werden, wie auf der Platte. Wir werden uns instrumental alles abverlangen. Klassiker werden auch gespielt werden, allerdings in neuen Versionen."

Stefan




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