Interview mit Grant Collins

Dieser Musiker "from down under" bildet wie kein Zweiter aus der trommelnden Zunft die Schnittmenge der Sparten D.O.M. und Neoklasmus; er steht zwar erst am Beginn einer internationalen Karriere, aber bereits auf dem Gipfel des Trommel-Olymps und könnte die Welt des Solodrummings evolutionieren, ja sogar nach Joachim Fuchs-Charrier und Terry Bozzio zu deren nächstem Fackelträger avancieren. Dabei ist sein Ansatz geprägt von Melodien ohne dafür aber nach Tonleitern gestimmte Toms zu benutzen. Das Ergebnis sind Hits (in doppeltem Sinne), die im Trommelfell hängen bleiben, weil sie nicht intellektuell durchdrungen werden müssen, sondern direkte Resonanz im "Groove-Hirn" - dem Zwerchfell - auslösen, so dass sich manchmal vor Begeisterung sogar die Nackenhaare kräuseln. Gleichwohl Grants Technik ehrfurchteinflößend ist, wippen fast unweigerlich die Beine der Hörer mit, ergo ist sie Mittel zum Zweck und kein Egotrip wie bei so manchem Supertrommler.


ragazzi: "In welchem Alter und unter welchen Umständen fingst du an zu trommeln?"
Grant: "Das war zur High-School-Zeit, als ich 17 Jahre alt war. Ich hing mit einigen Kumpels rum, die Gitarre spielten und jemanden suchten, der das Schlagzeug bediente. Sie sagten: "Du hast nur wenig Ahnung von Musik, warum spielst Du nicht Schlagzeug." Das ist zwar ein uralter Witz, aber auf diese Art bin ich wirklich zum Schlagzeug gekommen."
ragazzi: "Warum musste es aber davon abgesehen gerade Schlagzeug sein?"
Grant: "Das Schlagzeug war schon immer ein Instrument gewesen, das meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Ich kann mich erinnern, dass mich meine Mutter schon als Kind zu Musikfestivals mitnahm und ich immer ganz fasziniert die Schlagzeuger beobachtete. Ich glaube, da ich ein sehr visuell orientierter Mensch bin, übte das Schlagzeug auf mich große Anziehungskraft aus; ich konnte den Bewegungen eines Schlagzeugers folgen und hörte gleichzeitig die davon verursachten Klänge, was bei vielen anderen Instrumenten nicht in dem Maß möglich ist."
ragazzi: "Was hältst du von der These, dass bestimmte Charaktere bestimmte Instrumente bevorzugen?"
Grant: "Ich habe noch nichts von einer solchen These gehört. Es fehlt mir das Hintergrundwissen um sie kommentieren zu können; allerdings bin ich auch Schlagzeuglehrer und kann von daher sagen, dass es unter meinen Schülern eine große Bandbreite an verschiedenen Charakteren gibt."
ragazzi: "Hattest du am Anfang Unterricht bzw. andere Hilfen wie Schlagzeugvideos oder Lehr-CDs?"
Grant: "Anfangs lernte ich von trommelnden Freunden, die mir einige Dinge zeigten. Ich schaute mir darüber hinaus eine Menge Bands an und studierte viele Schlagzeug-Videos. Mein erstes Lehrvideo war von Tommy Aldridge, der zu dieser Zeit bei Whitesnake spielte und damals einer meiner Lieblingsschlagzeuger war; die Jungs, in deren Band ich spielte, schenkten es mir zum Geburtstag. Meine frühen Bands waren alle rockorientiert, weshalb mein Lernschwerpunkt im Heraushören der Drumparts von CDs bestand. Ich war in der glücklichen Lage, bereits zu Beginn mit Musikern zusammenzuspielen, die immer neue Songs lernen wollten, weshalb wir unser Repertoire ständig erweiterten. So lernte ich viele Dinge direkt durch die Drumparts der jeweiligen Songs. Wir spielten damals sogar schon ungerade Takte ohne dies allerdings zu wissen, da wir nach Gefühl aus dem Bauch heraus spielten."
ragazzi: "War Terry Bozzio, der das Solotrommeln sehr populär machte, ein wichtiger Einfluss für deine Karriere als Soloschlagzeuger?"
Grant: "Terry ist sowohl als Mensch als auch als Schlagzeuger eine bewundernswerte Erscheinung; dabei hatte ich bis 1998 keine seiner Solokompositionen gehört. Wir lernten uns bei einem großen Schlagzeugfestival in Melbourne kennen, bei dem wir beide auftraten. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt bereits jahrelange Erfahrung mit Soloshows im Rahmen von Drumclinics und hatte einiges über Terry gelesen, aber noch nie seine Schlagzeugstücke gehört. Ich war gleichzeitig nervös und sehr gespannt ihn endlich spielen zu hören (und zu sehen), da ich mich fragte, ob all meine Ideen für Solostücke Dinge waren, die er schon seit 15 Jahren spielte oder ob sie sich von seinen Ideen unterscheiden würden. Glücklicherweise trat der letztere Fall ein. Deshalb würde ich Terry eher als Inspiration denn als Einfluss für mein Solokonzept bezeichnen. Natürlich haben wir beide Monstersets, aber unsere Ansätze uns dem Instrument zu nähern sind völlig unterschiedlich. Terry war ein Vorreiter der "Solotrommler-Bewegung" und er öffnete für Musiker wie mich weltweit viele Türen, wofür ich ihm sehr dankbar bin!"
ragazzi: "Welche Musiker, Komponisten und anderen Dinge beeinfluss(t)en dich?"
Grant: "Als Musiker werde ich von anderen Musikern inspiriert und beeinflusst, die Meister ihres Instruments sind, wobei dies nicht nur für Schlagzeuger, sondern für alle Arten von Instrumentalisten gilt. Ich finde es wirklich anregend und möchte in solchen Fällen sofort ans Schlagzeug, um loszulegen. Ich spiele und studiere gerne Musik der verschiedensten Kulturen, was meiner Ansicht nach sehr hilfreich ist, um meinen schlagzeugerischen Horizont zu erweitern. Ein solches Vorgehen führt quasi zur transkulturellen Befruchtung musikalischer Fertigkeiten und Ideen, die dann in das eigene musikalische Repertoire integriert werden können. Als Komponist meiner Schlagzeug-Musik habe ich mich in den letzten Jahren an einer Vielzahl von Komponisten orientiert. Seit kurzem sind dies vor allem zeitgenössische Komponisten wie z.B. Conlon Nancarrow und Elliot Carter. Conlon Nancarrow war ein großer Einfluss vor allem aufgrund der komplexen rhythmischen Strukturen seiner Kompositionen. Diese waren so kompliziert, dass er hauptsächlich für Lochstreifen-Piano bzw. Player-Piano komponierte. (Klaviere, die direkt bzw. deren vorgeschaltete Zusatzapparaturen mit einer Lochrolle ausgestattet waren bzw. sind, die für die Übertragung von Tonhöhe und Rhythmus sorgt(e) - sozusagen eine Art Vorstufe der Sequenzer.) Er verzichtete bewusst auf das menschliche Element bei der Aufführung seiner Stücke, um hochkomplexe Rhythmen verwenden zu können. Er benutzte sämtliche Arten rhythmischer Schichtung wie Isorhythmen, Ostinati, Hypermetren und Polyrhythmen. Das zog mich unweigerlich in den Bann seiner Kompositionen. Ich analysierte einige seiner Techniken und versuche sie in meinen Solokompositionen zu verwenden. Das erfordert zwar ein ausgedehntes Übungspensum, doch die Resultate unterscheiden sich grundlegend von denen anderer Solotrommler. Außerdem schaue ich mir gerne Spielfilme und Dokumentationen an. (Ich sagte bereits, dass ich ein sehr visuell orientierter Mensch bin.) Einige meiner Kompositionen wurden durch Naturdokumentationen inspiriert. Auch reise und treffe ich gerne Menschen verschiedener Kulturen. Das weitet meinen Horizont und ich versuche herauszufinden, wie all diese durch unterschiedliche Kulturen geprägten Gesellschaftssysteme interagieren und nach welchen Prinzipien deren jeweiliges Alltagsleben funktioniert. Einfache Dinge wie im Straßenverkehr von Jakarta unterwegs zu sein oder eine Seitenstraße von Bangkok entlang zu schlendern, machen mir immer wieder bewusst, dass es da draußen eine Menge zu lernen gibt und ich deshalb wachen Geistes meine Umwelt erleben sollte, um von all dem, was das Leben zu bieten hat, zu lernen. "
ragazzi: "Welche Arten von Musik magst du als Hörer?"
Grant: "Eigentlich alles, was Klänge produziert. Ich spiele und höre Jazz, Funk, Rock, Rap, Hip-Hop, Rhythm´n´Blues, Prog, Metal, Punk, Pop, Klassik (auch zeitgenössische), Fusion, Latin und Weltmusik im Allgemeinen. Ich mag all diese Stile, da sie aufgrund ihrer spezifischen Eigenheiten eine Bereicherung für die Welt der Musik darstellen - ein jeder auf seine Weise. Ich versuche stets jeglicher Art von Musik völlig unvoreingenommen zu begegnen, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich es ignorant finde, sich gegenüber manchen Musikstilen aufgrund von Vorurteilen arrogant zu verhalten."
ragazzi: "Hast du schon mit anderen Bands oder Musikern CDs veröffentlicht?"
Grant: "Natürlich! Es ist wirklich merkwürdig, dass viele Leute zu denken scheinen, ich spielte bereits von Anfang an ostinatoorientierte Soloschlagzeugmusik. Seit langem toure und nehme ich mit Bands und Solokünstlern auf. Auch gegenwärtig arbeite ich an etlichen Projekten. Als Sessionmusiker habe ich viele "anonyme" Aufnahmen gemacht. Doch während der letzten acht Jahre habe ich mich vorwiegend mit meiner Solomusik beschäftigt, so dass ich bei der Auswahl meiner Bandprojekte ziemlich selektiv vorgehen musste."
ragazzi: "Hast du, abgesehen vom Collins / Wardingham Project, Pläne in Bands bzw. Projekten zu spielen?"
Grant: "Ja, ein festes Projekt ist das "Trevor Hart Quartet". Trevor ist ein australischer Trompeter und Komponist. Er ist als Mensch und als Musiker absolut einzigartig und war für mich die letzten zehn Jahre eine Art Mentor. Sein Quartett ist im improvisierten Jazz angesiedelt und es macht mir sehr großen Spaß mit ihm zu spielen. Bei jedem Auftritt klingt die Musik anders und ich habe keinerlei Vorgaben, was mein Spiel anlangt, weshalb diese Musik ein idealer "Spielplatz" für mich ist. Eine andere Gruppe im Jazz / Chamber-Bereich nennt sich "babel". Die beiden Komponisten Toby Wren und Andrew Shaw notieren sogar die Schlagzeugstimme Note für Note und die Musik ist teilweise sehr schwierig, so dass die Kompositionen, die manchmal eine Länge von über 15 Minuten haben, eine echte Herausforderung darstellen. Außerdem spiele ich mit einer Rock / Fusion-Band namens "Mr. Data"; musikalisch nichts außergewöhnliches, aber ich habe bei Auftritten immer ein Dauergrinsen im Gesicht, weil ich mich völlig fallen lassen kann. Darüber hinaus spiele ich noch in der indonesischen Rockband "Libero", deren Debüt-CD in den indonesischen Charts ist sowie mit der klassisch ausgebildeten indonesischen Pianistin "Lulu" im Duett. Momentan arrangiere ich einiges aus dem Repertoire der Klassik für letzteres Projekt; 2007 wollen wir dann aufnehmen und touren."
ragazzi: "Wie steht es mit dem Collins / Wardingham Project; sind irgendwelche Veröffentlichungen geplant?"
Grant: "Auf jeden Fall!!! Ich habe vor kurzem die Einspielung der Drumtracks abgeschlossen und nun ist Paul Wardingham mit seinen Gitarrenspuren dran. Es gab einige Computerabstürze, die den Arbeitsprozess verzögerten, doch wir hoffen die neue CD "Interactive" im Juli veröffentlichen zu können. Bei unserer Musik handelt es sich um komplexen Progressive Rock / Metal, der einerseits eine spielerische Herausforderung darstellt, andererseits aber viel Spaß beim Spielen bringt, wenn man die Kompositionen erst einmal auswendig gelernt hat."
ragazzi: "Wird es in absehbarer Zeit auch eine neue Solo-CD von Dir geben?"
Grant: "Meine neue CD "Commando" ist bereits zu 85 Prozent geschrieben und sollte ebenfalls bis Juli veröffentlichungsreif sein."
ragazzi: "Bis wann wird voraussichtlich dein Konzert für Drumset und Orchester fertiggestellt sein?"
Grant: "Das Konzert befindet sich momentan noch im Entwicklungsstadium. Ich schreibe es zusammen mit einem anderen australischen Komponisten und Arrangeur für die Queensland-Symphoniker und mich. Wir hoffen dieses Werk bald beendet zu haben, so dass es im Konzertkalender des Orchesters für 2007 berücksichtigt werden kann."
ragazzi: "Ist das Komponieren eines deiner vielen Talente oder musstest du dir diese Fertigkeit hart erarbeiten?"
Grant: "Ich denke mit dem Komponieren verhält es sich wie mit allen anderen Dingen im Leben, je mehr Übung du darin hast, desto besser wirst du. Ich war schon immer sehr interessiert an kreativen Prozessen und daran, Ideen aus verschiedenen Perspektiven betrachtend mittels eines freien Geistes wachsen und gedeihen zu lassen. In jüngeren Jahren hatte ich diesbezüglich diverse Ventile, aber seitdem ich mich ernsthaft mit Musik beschäftige, habe ich das für mich am besten geeignete Medium gefunden. Das Komponieren erlaubt es mir meine Imagination so zu kanalisieren, dass meine Ideen zu einer Art musikalischer Vision komprimiert werden. Zwar stehe ich erst am Anfang dieses Weges, doch durch die Direktiven, die mir durch verschiedene Mentoren vermittelt wurden, mache ich gute Fortschritte."
ragazzi: "An welchen anderen Dingen, die mit Musik zu tun haben, arbeitest du gerade?"
Grant: "Auf etliche meiner Projekte bin ich bereits in den vorigen Antworten eingegangen. Eine gänzlich neue musikalische Reise stellt mein Promotionsstudium dar. Ich mache gerade meinen Doktor in Philosophie - meine Dissertation trägt den Titel "Die Übertragung von Kompositions- und Spieltechniken der klassischen Musik auf das Soloschlagzeug". Diese Thematik gibt mir die Möglichkeit meine musikalische Kreativität auf höchstem Level auf die Anwendung am Schlagzeug zu übertragen. Ich beschäftige mich dabei intensiv mit vielen Kompositions- und Spieltechniken, die nicht ausschließlich auf das Schlagzeug beschränkt sind und versuche sie auf meine Situation als Soloschlagzeuger zu übertragen. Es sind Fertigkeiten darunter, die weit über mein Schlagzeugspiel hinausgehen und die künftig mein gesamtes kreatives Potential erweitern könnten."
ragazzi: "Hörst du Melodielinien in deinem Kopf während des Spielens deiner Solostücke?"
Grant: "Ja, ganz genau. Ich muss meist Bezug nehmen auf Klangfarben, da mein Instrument melodische Aspekte in aller Regel nur mittels Klangfarben auszudrücken vermag. Der rhythmische Aspekt ist allerdings in meiner Gedankenwelt omnipräsent. Es ist die Kombination dieser beiden Dinge, die mich ständig musikalische Phrasen im Klangdickicht des täglichen Lebens wahrnehmen lässt, beispielsweise wenn das Brummen der Automotoren sich mit dem perkussiven, oft arhythmischen Pulsieren auf den innerstädtischen Großbaustellen vermischt."
ragazzi: "Welchen Entstehungsprozess durchlaufen deine Kompositionen im Allgemeinen; bist du diesbezüglich ans Schlagzeug gebunden oder gelingt dir die Abstraktion auf mentaler Ebene?"
Grant: "Die Ideen für meine Stücke entnehme ich den verschiedensten Inspirationsquellen. Manchmal kommt mir im Flugzeug eine Idee und ich versuche sie sofort schriftlich festzuhalten, möglichst inklusive einiger Variationen. Manchmal spiele ich aber auch am Drumset mit einer Phrase herum. Es ist gut sein Instrument so genau zu kennen, dass man selbst dann Ideen dafür entwickeln kann, wenn es gerade nicht zur Verfügung steht. Es geht natürlich nichts über den unmittelbaren Kontakt zum Instrument, um seine Ideen mittels geballter Physis in Klang umzusetzen, aber gelegentlich bin ich aufgrund gewisser Sachzwänge längere Zeit nicht in der Lage am Set zu komponieren, weshalb in solchen Fällen die mentale Ebene die beste aller Möglichkeiten darstellt."
ragazzi: "Sind deine Stücke komplett ausnotiert oder interagierst du bisweilen mit der Magie des Moments, indem du Teile improvisierst?"
Grant: "Während meiner Solokonzerte spiele ich meine Kompositionen, die zwar in ihrer Art unterschiedlich angelegt sind, aber hinter einer jeden steht ein ganz bestimmtes Konzept. Einige spiele ich jedes Mal genau in der gleichen Weise, andere besitzen einen Improvisationsteil, den ich gerne auch ausdehne. Gewöhnlich improvisiere ich über ein Ostinato-Pattern, das für die jeweilige Komposition von tragender Bedeutung ist, nicht unähnlich einem Jazzstück, wenn ein Solist über ein Begleitschema improvisiert."
ragazzi: "Glaubst du, dass die Fähigkeit Noten lesen zu können einen Trommler vielseitiger werden lässt, da er dann (ohne fremde Hilfe) jeden beliebigen Rhythmus üben kann - mit Ausnahme der Fälle, die sich nicht in ein bestimmtes Metrum pressen lassen und somit nicht notiert werden können."
Grant: "Das ist eine schwierige Frage, da es viele außergewöhnliche Trommler und Musiker gibt, die keinerlei Notenkenntnisse besitzen. Notisten können allerdings schnell für sie unbekannte Musik lernen. So kann z.B. ein Komponist vier Musikern aus verschiedenen Erdteilen Kopien seines neuesten Stückes zukommen lassen und schon wenig später können diese Musiker sich zu einem Auftritt treffen ohne nochmals vorher (intensiv) proben zu müssen. Darüber hinaus können durch die Notenschrift Kenntnisse weitergegeben werden, die ansonsten vielleicht verschütt gehen würden. Ich habe selbst viele Gigs gespielt, bei denen ich ohne jegliche Probe vom Blatt spielen musste, weshalb mir meine Notenkenntnisse geholfen haben mich als Trommler zu verdingen."
ragazzi: "Empfiehlst du jemandem ein Studium an einer Musikhochschule, der vorhat Berufsmusiker zu werden?"
Grant: "Wie bereits erwähnt, gibt es Schlagzeuger, die sehr gut vom Trommeln leben können ohne jemals Unterricht oder eine andere Form von Musikerziehung gehabt zu haben. Strebt man eine Karriere als guter "Handwerker" an, so ist es meines Erachtens nicht zwingend erforderlich eine akademische Ausbildung zu absolvieren. Ich wollte aber z. B Bereiche wie Musiktheorie und -geschichte, Harmonielehre und Komposition erforschen und derartige Informationen kann man viel leichter an einer Hochschule erhalten als über die autodidaktische Schiene."
ragazzi: "Die Drumsets der meisten Soloschlagzeuger werden größer und größer - Mr. Bozzio spielt zurzeit acht Bassdrums (mit Hang zu einer zweistelligen Zahl) und einer der Hoffnungsträger, Angelo Kelly, plant gar für sein Konzept "Piano Drums" eine Oktave gestimmter Bassdrums. (Schon jetzt spielt Angelo mehr als drei Oktaven gestimmter Toms sowie eine Oktave tonal abgestimmter Becken.) Hast auch du Pläne dein Schlagzeug weiter zu vergrößern?"
Grant: "Meine Solokonzerte dauern ca. zwei Stunden; in deren Verlauf versuche ich zwar möglichst viele verschiedene Klangfarben und komplexe Rhythmen entstehen zu lassen, kann aber trotz alledem nicht immer verhindern, dass manche Leute im Publikum einzunicken beginnen. Für mich ist ein großes Drumkit für meinen kompositorischen Ansatz und dessen kreatives Ausleben unbedingt erforderlich. Das Set ist zusammen mit mir als Musiker gewachsen. Wir reden in diesem Kontext nicht vom Spielen einfacher Grooves als rhythmische Begleitung. Allerdings benutze ich für das Spielen in Bands ein Standard-Drumkit, da deren Musik meist nur eine reduzierte Anzahl von Sounds erfordert. Mein Steckenpferd beim Solospiel ist es über möglichst viele verschiedene Klangfarben zu verfügen, die ich immer wieder neu orchestrieren kann. Dies unterscheidet mich beispielsweise von Terry Bozzio, der all diese vielen zusätzlichen Toms benutzt, die in chromatischen und diatonischen Skalen gestimmt sind. Es ist eine jeweils andere Herangehensweise an das Instrument, weshalb sich auch unsere Kompositionen grundlegend voneinander unterscheiden."
ragazzi: "Hast du Pläne den melodischen Aspekt deines Schlagzeugspiels weiter zu intensivieren, indem du gestimmte Instrumente wie Crotales, ein Glockenspiel oder eine Steeldrum einsetzt?"
Grant: "Ich halte mich für ziemlich offen die Soundpalette meines Schlagzeugs betreffend, weshalb ich auch kontinuierlich auf der Suche nach Möglichkeiten bin neue Sounds in mein Set zu integrieren."
ragazzi: "Hast du diesbezüglich schon daran gedacht deine Palette an metallischen Klängen zu erweitern, z.B. durch Klangschalen, Gongs, Crashern oder Produkten der Firma Factory Metal? (Diese Instrumente könntest du ja auch über Fußpedale anspielen.)"
Grant: "Tatsächlich habe ich bereits all die Dinge, die du erwähnt hast, ausprobiert. Ich habe sogar schon aus Becken Teile ausgeschnitten und mit den daraus resultierenden klanglichen Veränderungen experimentiert. Außerdem habe ich sehr viele verschiedene Kombinationen ausprobiert, um spezielle Hi-Hat-Sounds zu erhalten, Aber da aufgrund der Dimensionierung meines Sets Platz ein wertvolles Gut darstellt und ich keinen LKW für den Transport und auch keinen ganzen Tag für den Aufbau verwenden möchte, muss ich mir vorher ganz genau überlegen, ob es auch wirklich Sinn macht, wenn ich weitere Instrumente hinzufügen möchte."
ragazzi: "Warum haben deine beiden 12" A Custom Mastersound Hi-Hats den gleichen Sound? Wäre es nicht interessant gewesen zwei verschiedene Tonhöhen zu verwenden?"
Grant: "Ich verwende diese beiden Hi-Hats für schnelle getretene Patterns, weshalb die Sounds nahezu identisch wirken; bei langsamen Tempi hört man allerdings einen Tonhöhenunterschied. Wenn ich anders klingende Hi-Hat-Sounds verwenden möchte, kann ich auf meine restlichen sechs Hi-Hats zurückgreifen. "
ragazzi: "Trainierst du Stepptanz oder zumindest irgendeine Kampfsportart, um deine rhythmische Flexibilität und insbesondere deine hervorragende Beinarbeit zu unterstützen?"
Grant: "Meiner Ansicht nach reichen Yoga, Pilates sowie eine gesunde Ernährung aus, um mich fit zu halten."
ragazzi: "Hat dein Motto "use the force" eine tiefere Bedeutung?"
Grant: "Nahezu jeder Mensch hat einen individuellen Glaubenssatz, sei es als Quelle der Kreativität oder als Anker zur mentalen Verortung. Bei meinem Slogan kommt hinzu, dass ich als Kind ein Fan von "Star Wars" war."
ragazzi: "Glaubst du, dass Trommeln spirituelle Aspekte besitzt, man denke nur an schamanistische Rituale."
Grant: "Das hängt völlig vom jeweiligen Individuum ab. Für mich bedeutet Trommeln Raum und Zeit hinter mir zu lassen und gleichzeitig zu 100 Prozent das klangliche Resultat kontrollieren zu können. Ich verspüre oft einen regelrechten inneren Drang zum Trommeln und jedes Mal, wenn ich mit Sticks in den Händen hinter dem Schlagzeug Platz nehme, ergreift mich eine Art freudiger Erregung."
ragazzi: "Welche Zukunftspläne hast du?"
Grant: "Viele verschiedene. Zunächst einmal möchte ich mein Promotionsstudium beenden und als Solotrommler bekannter werden. Außerdem spiele ich aber auch gern in Bands und suche nach Möglichkeiten auf internationaler Ebene mit verschiedenen Künstlern zu touren. Auch die Arbeit mit Ballett-Gruppen, wo ich mit einem Choreographen zusammenarbeite und meine Trommelmusik nach den Bedürfnissen der Tänzer ausrichte, macht mir großen Spaß."
ragazzi: "Gibt es bei all den vielfältigen Aktivitäten überhaupt noch neue Ziele für dich, die du erreichen willst?"
Grant: "Ich möchte mir unbedingt Offenheit, Neugier und Lernwillen erhalten. Diese Dinge, verbunden mit der Freude, die ich aus meiner Musik ziehe, sollten ausreichen, dass ich der Musikwelt noch viele Jahre erhalten bleibe."
ragazzi: "Besteht eine Möglichkeit dich in absehbarer Zeit in Europa erleben zu können?"
Grant: "Ich arbeite gerade daran und hoffe 2007 endlich nach Europa zu kommen."

Interview: Frank Bender




Zurück