Interview mit Chato Segerer im Juli 2015



               


1. Sag bitte zuerst etwas über Deinen Werdegang als Musiker. Welche Instrumente spielst Du? Was sind Deine Einflüsse, Deine Ideen und zukünftige Projekte, die Du unbedingt in Angriff nehmen willst? Wie bist Du zur Musik, zu Deiner Musik gekommen?

Meine Eltern sind sehr musikbegeistert, ein Musikinstrument haben sie jedoch nie erlernt bzw. erlernen dürfen. Ich hab bestimmt schon im Mutterleib viel Musik gehört. Meine Eltern hören alles kreuz und quer, von Alice Cooper bis ELO, von Cockney Rebel bis Klaatu. Als ich 4 Jahre alt war, hat mir ein Kumpel meines Vaters Drumsticks geschenkt. Ich habe mir das Schlagzeug spielen selber beigebracht, indem ich mir die Moves von Konzertvideos abgeguckt und auf der Couch nachgemacht hab. Ich musste nur ein wenig Fantasie benutzen: das Kissen war die Snare, die Decke die Toms etc. und ich hab so immer zur Musik dazugetrommelt. Als ich als Teenager zum 1. Mal an einem richtigen Schlagzeug saß, konnte ich schon Schlagzeug spielen! Irgendwann hatten wir auch eine Kindergitarre da, auf der ich improvisiert habe, doch ich habs allein nicht geschnallt, wie das Instrument funktioniert. Mit 9 Jahren hab ich Gitarrenunterricht bekommen. Ein Jahr später kam dann die E-Gitarre dazu. Als ich mit 12 in einer 1. Band war, habe ich gemerkt, dass der E-Bass der Gitarre sehr ähnlich ist, also habe ich autodidaktisch E-Bass gelernt. Ich hatte nur 1 Unterrichtsstunde, weil ich allein nicht gecheckt hab, wie man slappt. Ich war auf einem musischen Gymnasium, wo ich Klassische Gitarre spielen musste, weil es gab nur das oder ich müsste ein neues Instrument lernen. Ich hab insgesamt 9 Jahre Klassische Gitarre gespielt und habe es nie bereut, dass ich das machen musste. In der Oberstufe hab ich mir auch noch autodidaktisch ein wenig Klavier beigebracht (Verstehen des Tonsystems, Akkorde, sonstiges leichtes Zeugs). Von 2011 bis 2013 war ich auf der Berufsfachschule für Musik "Musication" in Nürnberg, wo ich mich aufs Studium vorbereitet und nebenbei die Ausbildung zum "staatlich geprüften Chor- und Ensembleleiter" gemacht hab. Seit 2013 studiere ich am Institut für Musik in Osnabrück E-Gitarre im Popbereich.
Musik fand ich schon immer cool, doch so richtig erwischt hats mich, als ich Frank Zappa entdeckt hab. Es war vor allem der Humor verbunden mit der seriösen Musik, was mich ansprach. Von da an gabs kein Halten mehr und ich hörte immer mehr schräges Zeugs. Meine Einflüsse stehen alle im CD-Booklet, doch die wichtigsten außer Zappa sind Cardiacs, Ron Jarzombek, U.K., Mats/Morgan, Panzerballett, System of a Down & Mörglbl.
In meiner Karriere hab ich schon auf einigen Festivals und Gigs in Norwegen, Holland, England und Deutschland gespielt, u.a. auf der Zappanale. Ich hab auch u.a. mit Ike Willis, Denny Walley und The Muffin Men zusammengespielt.
Zukünftige Projekte? Ich bin noch in einer anderen Band namens "The Crosswalkers", wo wir Beatles Songs in instrumentale Jazzrock-Nummern umarrangieren. In letzter Zeit komponiere ich Sachen, die nicht wirklich oder gar nicht in meine Band passen. Was ich damit mache bzw. ob/wie ich das veröffentliche, weiß ich noch nicht.

2. Dein Album "Prog Fusion with Balls" ist kürzlich veröffentlicht worden. Wie lief das ab? Wie fing es an? Wann hast Du die (ersten) Songs geschrieben?

Es war schon in meiner Teeniezeit mein Traum, ein Album mit meiner Musik zu veröffentlichen; es war Zappas Musik, die mich dazu gebracht hat, Komponist zu werden. Ich habe zwar als Teenie Popsongs geschrieben und 1 seriöse Komposition, doch damit konnte ich mich nicht mehr identifizieren. Die ersten Kompositionen, mit denen ich zufrieden war, habe ich 2012 geschrieben. "Inner Peace" war die allererste, "Remembering Good Times" und "Suzy Speedfreak" folgten im selben Jahr. "Suzy Speedfreak" haben wir an einem Prüfungskonzert an der Musication uraufgeführt und die sehr positiven Reaktionen meiner Mitmusiker und des Publikums haben mir gezeigt, dass das der richtige Weg ist. Ab da hatte ich den Gedanken, ein Album mit diesem Material aufzunehmen und zu veröffentlichen.

3. Was sind Deine bevorzugten Stilmittel, wonach soll Deine Musik klingen, welche Ideen willst Du umsetzen?

Mein Stilmittel ist, dass ich alles, was mir Spaß macht, in den musikalischen Kochtopf stecke. Genregrenzen gabs bei Zappa ja auch nicht und ich habe es noch nie verstanden warum man sich nur auf ein Genre beschränken soll. Ich komponiere nach dem Yin und Yang Prinzip. Schnell existiert nicht ohne Langsam, Hart nicht ohne weich. Die ganze Zeit Balladen oder nur Metal zu machen wäre doch langweilig. Außerdem möchte ich etwas komponieren, was ich vorher noch nie gehört habe...was aber gar nicht so einfach ist. Deswegen dauert es bei mir manchmal mehrere Monate, bis ein neues Stück Musik fertig ist.

4. Wie komponierst Du, in Jamsessions mit anderen Musikern oder lieber allein? An welchem Instrument?

Ich komponiere so gut wie immer allein, da in der Vergangenheit den meisten Mitmusikern meine Ideen zu anders bzw. zu krass waren. Ganz selten kommt es vor, dass andere mitmischen. Bei "Chicksy Dicks" haben der Drummer und Bassist im Proberaum geholfen, meine Ideen besser miteinander zu verknüpfen. Ich benutze zum Komponieren alle möglichen Inspirationsquellen: Ich komponiere meistens auf der Gitarre, aber auch auf dem Bass, dem Klavier oder manchmal reicht ein Drumbeat zum Kreativanstoss. Es fängt immer damit an, dass ich beim Improvisieren auf etwas stoße, mit dem ich dann weiter arbeite. Manchmal kommt mir auch eine Idee ohne Instrument (z.B. das Opening-Riff von "Pulsh-Hit") bzw. ich arbeite immer öfter mit Bleistift und Notenpapier. Ich denke mir gern Konzepte aus, die ich aus Beobachtungen im Alltag weiterentwickle. Es kann durchaus vorkommen, dass ich mit einer neuen Idee nicht gleich was anfangen kann und sie deshalb jahrelang herumliegt. Auf das Opening-Riff von "Chicksy Dicks" bin ich z.B. mit 17 Jahren auf dem Bass gestoßen.

5. Hast Du eine feste Band? Wer hat am Album mitgearbeitet und wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?

Seit letztem Jahr hab ich eine feste Band, doch als ich mit den Aufnahmen angefangen habe, hatte ich noch keine. Wer genau alles mitgearbeitet hat, kann man im CD-Booklet nachlesen, doch grob gesagt hab ich mir Kollegen von der Musication und sonstige Musikerfreunde reingeholt, um jeweils 1 oder 2 Nummern einzuspielen. Fast jede Nummer vom Album ist in einer anderen Besetzung aufgenommen worden. "Pulsh-Hit" hab ich sogar (bis auf den weiblichen Gesang) komplett selber eingespielt und -gesungen, weil die Zeit zu knapp war, das jemandem beizubringen. Meine jetzigen Mitmusiker studieren alle am selben Institut für Musik wie ich und heißen: Dave Tiedtke (keys & synth), Adrian "Ad Man" Müller (bass), Sebastian Berg (drums). Manchmal ist Kay Hoffmann (Sax, Klarinette) dabei.

6. Trittst Du live auf und spielst Du da mehr eigenes Material als auf der CD zu hören ist?

Ja, wir spielen live, auch wenn bisher noch nicht viele Gigs angesetzt sind. Am 20. Juli spielen wir als Vorband für ZAPPATIKA feat. Ike Willis in Osnabrück im Big Buttinsky, am 24. Okt. spielen wir zusammen mit Sebkha-Chott in Würzburg im Immerhin. Mehr eigenes Material haben wir momentan nicht, dafür mind. 5 unvollendete Songs. Wer weiß, vielleicht sind ein paar Sachen fertig, bis wir Würzburg spielen !? Wir spielen auch eine unveröffentlichte Zappa-Nummer, die von mir stammen könnte. Die wollte ich eigentlich auch aufs Album packen, das ist aber mit den Rechten schwierig (ich müsste mir ne Erlaubnis von Gail holen). Immerhin gibt's die auf der Compilation "Rare Episodes" vom englischen Label Cordelia Records zu hören/kaufen. In England ist das mit den Rechten einfacher.

7. Die Story ist ein loses, überwiegend instrumentales Konzept. Wie kam die Idee dafür zustande? Worum geht es in den - wenigen - Texten in den Songs?

Die Idee zum Albumintro hatte ich schon seit der Mittelstufe, weil ich Techno hasse und damit desöfteren konfrontiert wurde. Mein Aufnahmeprogramm hat ein Plugin, das "Robota" heißt. Das 1. Preset ist das, was man auch im Albumintro hört und das fand ich so scheiße, dass es mich zu dieser Story inspiriert hat.
Meistens haben die Songs Konzepte bzw. Geschichten, z.B. handelt "Inner Peace" vom Kampf zwischen Gut und Böse in der Psyche des Menschen. "The Story of Suzy Speedfreak Acts I,II & III" ist die Geschichte von Suzy, die als menschliche Laborratte arbeitet und eines Tages unter Drogeneinwirkung ausbricht und ihre Abenteuer erlebt. Der einzige Songtext handelt von einem Protagonisten, der plötzlich gespensterartige Wesen in seiner Wohnung schweben sieht und deswegen erst mal in Angst und Panik gerät, bis diese Wesen zu ihm sagen, dass sie ihm nichts tun werden und nur seine Freunde sein wollen. Als er das erfährt, feiert er ne schöne Party mit ihnen, bis sie so verschwinden, wie sie gekommen sind. Am Ende des Textes stellt sich heraus, dass der Protagonist diese Wesen gesehen hat, weil er Waschmittel geschnupft hatte.

8. Wie in dem kurzen Schnipselsong ‚Intermission' zu hören ist, darf wohl Frank Zappa als eine große Inspiration gelten. Als Gitarrist ebenso wie als Komponist. War es aufwendig, den Song so zusammenzusetzen, wie er auf der CD zu hören ist? Dürfen wir derlei mehr erwarten auf zukünftigen CD-Projekten?

Ich fand die musíque-concrete-artigen Schnipsel von Zappa so interessant und unterhaltsam, dass ich mir gesagt habe "Das möchte ich auch mal machen". Man könnte sagen, ich habe das in die Story eingebaut, um eine Ausrede zu haben, ein musíque-concrete-Gebilde zu kreieren, andererseits macht es Sinn im Kontext. Zappa hat sehr viele Sachen rückwärts bzw. langsamer/schneller abgespielt und sogar unveröffentlichte Sachen hineingepackt. Bei meiner "Intermission" sind sehr viele Geräusche und Schnipsel von meinem Album auf diese Art verfremdet worden; auch ein Song, der nicht auf dem Album ist, ist darin versteckt. Mal kucken, ob ihr alles entschlüsseln könnt...Ich hatte nicht vor, das auf zukünftigen Alben zu wiederholen, denn ich wiederhole mich ungern...aber wer weiß? Es war relativ aufwendig, das zusammenzusetzen. Zum einen habe ich meine Albumtracks jeweils komplett rückwärts und doppelt so schnell angehört, um interessant klingende Sachen zu finden und zu extrahieren. Zusätzlich habe ich Sounds im Studio aufgenommen, die ich mit meinem Mund oder meinen Händen erzeugt habe, die ebenfalls so verfremdet wurden. Ich hatte zwar ne Idee, in welche Richtung das gehen soll, wie genau das klingen wird, wusste ich vorher selbst nicht. Wenn man so experimentiert, kommt es vor, dass man 2 Stunden daran arbeitet und ein Ergebnis von 5 Sekunden vorweisen kann. Deswegen ist der Track so kurz, weil sich das recht langsam aufgebaut hat.

9. Wie wird es weitergehen? Wie sehen Deine Pläne aus? Gibt es konkrete Ansätze, dem Debüt eine weitere Produktion folgen zu lassen?

Wir wollen definitiv Gigs spielen, die Songs im Livekontext präsentieren und gucken, wie die Publikumsreaktionen sind. Ob es weitere Alben geben wird, hängt davon ab, 1. wie viele CDs ich vom 1. Album verkaufe, 2. wie kreativ/inspiriert ich zum Komponieren bin, 3. wie es finanziell aussieht, um ins Studio zu gehen (solange ich studier, kann ich das Tonstudio der Hochschule umsonst benutzen, doch das Studium ist schon halb vorbei). Ich an deiner/eurer Stelle würde jedenfalls nicht zu bald hoffen, dass es ein 2. Album gibt, denn dieses Album hat von Beginn der Kompositionen bis Veröffentlichung 3 Jahre gedauert. Außerdem habe ich meinen Traum, ein Album zu veröffentlichen, erfüllt, deshalb ist mein Drang für ein 2. Album erstmal gering.

10. Wie geht Deine Umwelt mit Deiner Musik um - Deine Familie, Freunde, Fans, Presse - bekommst Du viel und positives Feedback?

Meine Familie steht hinter mir und meiner Mom gefällt das Album wirklich sehr gut. Meine Freunde beglückwünschen mich und können sich größtenteils mit dem Album anfreunden...auch wenn das für meine Popmusikstudentenkollegen schwer verdauliche Kost ist. Die Fans feiern das Album und die Presse hat wie immer nix davon mitbekommen. Die Amberger Zeitung (ich bin in Amberg geboren) ist immerhin dabei, ein Interview abzudrucken, ich war beim Radiosender Afk Max zu Gast, ein weiteres Radiointerview bei einem anderen Sender ist in Planung und rockradio.de spielt nahezu regelmäßig Songs von meinem Album. Dennoch ist die Menschheit bisher sehr schüchtern, was CD-Käufe angeht, aber das wird sich auf der Zappanale ändern.

11. Gibt es etwas in der Szene, der Du angehörst oder nahestehst, was Du als Musiker kritisierst, was kontraproduktiv oder negativ ist? Und als Gegenstück - positive Aspekte?

Prog ist leider heutzutage ziemlich out, deswegen hat man's generell nicht einfach. Als Zuhörer muss man heute erstmal Gleichgesinnte finden, weil sie eine Minderheit sind (jedoch machts einem das Internet leichter) und als Band hat man mit Zuschauerzahlen zu kämpfen und die Veranstalter nehmen ungern Progbands an, weil die lieber Cover-Partybands und Schlageracts engagieren. Dennoch freue ich mich, dass es trotzdem Festivals wie Zappanale, Herzberg, RIO und das Freakshow Artrockfestival gibt und gegen den Strom schwimmen. Schließlich hab ich so super tolle Menschen kennengelernt.

12. Welche Technik ist Dir als Gitarrist wichtig? Welches Instrument spielst Du? Welche Technik nutzt Du?

Hauptsächlich spiele ich eine schwarze LTD (aus dem Hause ESP) Modell KH-203, welche der Signature Gitarre von Kirk Hammett sehr ähnelt. Sie besitzt ein Floyd-Rose-Tremolosystem, das ich sehr gern benutze, weil ich mit der Gitarre mehr Spielmöglichkeiten hab (Steve Vai's Einfluss). Außerdem habe ich noch eine grüne Gibson Blueshawk mit F-Löchern. Ich spiele einen ENGL Screamer 50 Verstärker, aber aus Verstärkern mach ich mir nichts wirklich. Fürs Album hab ich 2 Effektgeräte verwendet: Zum einen das Fractal Audio Axe-Effects, zum anderen den Roland GR-55 Guitar Synthesizer. Die Synth Sounds in der Mitte von "Silverliner" (Pad & Solo Sounds) hab ich auf diese Weise mit der Gitarre eingespielt. Was Spieltechniken angeht, ist Tapping meine absolute Lieblingstechnik. Große Intervalle sind damit total leicht & ultraschnell zu spielen. Ich tappe mit 3 Fingern, der 4. ist einfach zu schwach. Sweeping nutz ich auch, das aber nicht so exzessiv wie Tapping. Und ich bin vernarrt in Obertöne (Danke an Mattias Eklundh & Andy McKee dafür).

13. Ich nehme an, dass Du nicht von der Musik lebst, die Du veröffentlichst. Was machst Du so? Beruflich? Wie stellst Du Dir die Welt vor, in der Du leben willst? Und wie war das mit den Haaren - Du wolltest sie abschneiden, warum & wann?

Wie gesagt, seit 2013 bin ich am Musik studieren, um genauer zu sein: Musikerziehung mit Popgitarre. Es ist ein künstlerisch-pädagogischer Studiengang. Wie ich mir die Welt vorstelle, bin ich mir immer noch nicht sicher, denn wenn man auf diesem Planet als Musiker lebt, der einen eigenartigen und unkommerziellen Musikgeschmack hat, hat mans schwer. Als Gitarrenlehrer zu arbeiten ist die beste Möglichkeit, mit so nem Quatsch weiterzumachen. Was die Haare angeht (wen interessiert sowas?): Ich hatte 20 Jahre lang kurze Haare (ich bin 25) und wollte mal was Neues machen, deswegen die langen Haare. Die kommen aber nicht unbedingt gut an (besonders hier im Norden), sind einfach nicht "fashionable" und nicht zu bändigen. Deswegen werde ich sie dieses Jahr abschneiden lassen. Ich bin aber froh, dass sie auf dem Albumcover drauf sind :)

VM




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