Indukti "S.U.S.A.R." (The Laser's Edge, VÖ: 20.09.2005)

Manche Ecken dieses Planeten scheinen den Menschen, die in ihnen leben, mehr Inspiration und Ausdruckskraft zu geben, als andere. Skandinavien ist ein Hort großartiger Musik. Polen ist es ebenso. Die polnische Progressive Rock Szene hat sich seit dem Beginn der 90er Jahre einen Namen im symphonischen Neoprog gemacht. Tolle Songs wurden eingespielt und veröffentlicht, begabte Musiker fanden sich in Bands zusammen.
Indukti ist jedoch nicht nur ein weiteres Steinchen der hochqualitativen Musiksprache Polens. Stilistisch eher mit King Crimson, Tool oder Neurosis und vielleicht mit Riverside zu vergleichen, setzt die Band sich über Vergleiche und Stilvorstellungen hinweg und zelebriert auf ihrem Debüt "S.U.S.A.R." ein Monster von Heavy Prog, das ordentlich Sturm macht und die Ohren frei hämmert. Die zart beginnenden Tracks der Band brechen wild und aggressiv aus, dass die Freude beim Genuss der Stücke nicht höher sein könnte. Glaube ich, dass der Höhepunkt der Explosion erreicht ist, legt die Band noch Kohlen nach und lässt es in extremer Hochenergie gewaltig krachen.
Die Stücke von Indukti sind nicht der komplexe Höhepunkt verrückter Prog-Vorstellungen, jedoch der energetische. Da sitzt der Vergleich zu King Crimson und deren überbordende und endlose Ausbrüche wie in "Fracture" oder "Starless". Da steht man wie vor der Düse eines Flugzeuges und lässt sich gern und ganz in die Hölle saugen. Eine Droge!
Dabei sind viele Minuten der 7 Songs der CD episch breit und von schwerer Melancholie und malerischer Lyrik. Es sind die Ausbrüche, die Ewa Jablonska (vi), Piotr Kocimski (g), Maciej Jaskiewicz (g), Maciek Adamczyk (b) und Wawrzyniec Dramowicz (dr) samt ihren Gästen Mariusz Duda (voc) und Anna Faber an der grandios gespielten Harfe (!) ihren Songs gestatten, die nach dem faszinierenden Melodiespiel wegen ihrer überbordenden, kontrollierten Härte hinreißen. Die Stücke sind episch angelegt, von weiter Struktur, idyllischer Lyrik und melodischer Dichte, folkloristisch und introvertiert, gehaucht bisweilen, und üppig fließend.
Und dann bauen sich die einzelnen Instrumente ein, werden die Riffs der elektrischen Gitarre härter und lauter gespielt, wummert der Bass zunehmend, attackiert das Schlagzeug die Trommelfelle. Einige Songs geraten nicht in die brachiale Abgründigkeit der fulminanten Härte, dann greift der große Bogen wilder Leidenschaft über Minuten heftig aus, ohne ins Extrem zu kippen. Da braucht man lange Haare, um die Mähne schmeißen zu können und Kondition, um die Minuten durchzustehen. Es gibt einige Vergleiche zum Metal, zum Hardcore gar - die kompromisslose Härte, die wilde, volle Energie, der gnadenlose, totale Ausbruch.
Psychedelische Motive und Klänge beginnen nicht nur das wundervolle Stück "uluru". Elektrische Geige und Schlagzeug gehen unisono in dem Motiv auf, von kraftvollem Bass begleitet, während die Gitarre zähe Riffs unterstreut. Alles arbeitet auf hohem Niveau, vibriert den Raum und ist doch noch nur Vorspiel für den Sturm, der da kommen soll. Andere, ähnlich orientierte Bands erreichen diesen Level schon nicht, wo Indukti sich noch warm spielen. Kurzzeitig bricht die Energie ein, wirbelt wie in Zeitlupe dahin und dann geschieht es. Ein Sturm geht hernieder!
Kaum klingt der Song verwirrend leise aus und hebt das Motiv von "no. 11811" an, stolpert das Stück erst dahin, brechen schließlich heftige Riffs über das Stück ein, gefolgt von einer lautstarken Lawine, die nicht überrollt, sondern grandios einhüllt. Was für eine Energie! Was für ein tonales Monster, welche Leidenschaft und Ausdruckskraft! Dieser Ausbruch geschieht ganz folgerichtig, der Song hat seine Logik. Und doch geht es noch weiter. "…and weak II" ist mit seinen 9 Minuten geballte Energie, ein Sturm tonaler Gewalt von hinreißender Melodie. Was hier im Mahlstrom geschieht, von verschleppten Gitarrenriffs angetörnt, in Zaum halten und schließlich losgelassen, sucht seinen Vergleich. Das ist Hardcore Metal Prog in Reinkultur, vielleicht ist so etwas in der Form noch nie da gewesen, auf alle Fälle ist der Ausdruck von unberechenbarer Energie hier schier unübertreffbar und von grandioser Schönheit.
Nicht alle Songs von Indukti erreichen diesen kompromisslosen Level, diesen Höhepunkt irrationalen musischen Sturms. Doch an drei oder vier Stellen ist der normale Highpoint als Zwischenstation entlarvt und werden alle Vorstellungen gebrochen.
Danach steckt die Stille wie eine klebrige Masse im Raum und die Sinne wackeln an ihre Ausgangspositionen erschöpft zurück. So, genau so, müssen die Hörvorstellungen und Stilgrenzen von uns festgefahrenen süchtigen Freaks eingebrochen werden. Das ist ein Erlebnis!

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VM



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