hr-Bigband mit Billy Cobham "Meeting of the Spirits - A Celebration of the Mahavishnu Orchestra" (In+Out Records 2006)

"Hope" setzt als Entree der CD erfreulicher Weise mit elektrischer Gitarre ein. Billy Cobham kommt mit dem Schlagzeug hinzu, soweit klingt der Track originalgetreu. Das hat Verve und Elan und erfreut den Fan. Auf der anderen Seite fragte ich mich gleich nach dem ersten positiven Gefühl, was denn die Bigband dabei solle, wenn die klassische Besetzung doch eigentlich ausreicht, diese grandiosen Mordssongs zu intonieren und die Bigband zudem am Anfang so wenig zu gestalten hat. Doch bereits mit dem zweiten Stück "Birds Of Fire" verliert sich jedes Misstrauen, die Bigband hat von Colin Towns erstaunlich aussagekräftige Arrangements geschrieben bekommen, die den Bläsern viel Freiraum für Improvisationen bieten, den ganzen Klangkörper vielfach komplett fordern und den Jazz famos heavy rocken lassen.
Colin Towns, der die Bigband dirigiert (unter anderem mit diesem Programm auch während des Berliner Jazzfestes 2006), hat den originalen Arrangements manche Zacken genommen, um dafür diverse andere einzufügen. So ist das Spiel der elektrischen Gitarre bis auf den ersten Track und einige Soli erheblich weniger "heavy" als John McLaughlins originale Spielweise, das Schlagzeug, obschon komplex und virtuos gespielt, hat einiges der urkräftigen Energie der Originaleinspielung lassen müssen, selbst die Piano- und Tastenarbeit verliert gegenüber dem Original. Dafür jedoch setzt die Bigband saftige und disharmonische Spitzen, die das Blut gefrieren lassen. Aus den krachend-lauten Heavy-Jazzrockern werden voluminöse Bigband-Tunes, die anders und doch ähnlich klingen. Manches in der live eingespielten hr-Bigband Version klingt versponnener, melancholischer, dabei aber kein Stück nostalgisch. Andere Parts, so etwa die schneidend-kreischenden Sätze in "You Know, You Know", haben eine andere Gewichtung als beim Original und geben der Energie des Stückes eine neue Dimension.
Billy Cobham spielt so manchen solistischen Part, wenn auch nicht so viele wie auf dem Jazzfest Berlin, wo zudem Jerry Goodman, zweiter Mann aus dem "originalen" Mahavishnu Orchestra, elektrische Geige spielte.
"Meeting Of The Spirits" ist ein unbedingt empfehlenswertes Album. Sowieso für Fans des Mahavishnu Orchestra. Auf der CD sind nur Stücke der ersten beiden Mahavishnu Orchestra LPs enthalten, Funk oder Pop, wie auf späteren Alben in anderen Besetzungen intoniert, finden hier nicht statt (leider ist von "Apocalypse" nichts für Bigband arrangiert worden - ein kommendes Towns-Projekt?). Zuvor hatte Colin Towns mit der NDR-Bigband Frank Zappa neu arrangiert. Die Towns-Versionen der Mahavishnu-Tracks klingen deutlich verzahnter und runder, intensiver und kraftvoller und nicht so verfranst und solistisch orientiert wie die Zappa-Versionen. Colin Towns lernt mit den Projekten, seine Bigband-Handschrift ist sicherer und fundierter geworden. Unbedingt testen!

hrbigband.de
colintowns.com
billycobham.com
inandout-records.com
VM



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