Guido Umberto Sacco "Music for Dodos" (Tranquilo 2014)


Guido Umberto Sacco begann seine musikalische Laufbahn im Alter von 7 Jahren. Er studierte Klassische Musik, Komposition und Piano am Konservatorium Brescia sowie 5 Jahre bei dem Konzertpianisten und Lehrer Pier Narciso Masi (klassisches und romantisches Repertoire). Letzterer nicht allein bescheinigt Guido Umberto Sacco das große Talent. Aspekte der musikalischen Kreativität interessieren Sacco, so dass er Sommerkurse (Improvisation) am Berklee College of Music in Perugia absolvierte, Vorlesungen besuchte. Weitere Studien folgten.
Guido Umberto Sacco gibt als Solopianist klassische Konzerte. Seine eigenen Kompositionen wurden und werden in Theatern aufgeführt, zudem schreibt er Filmmusik und stilistisch vielfältige Pianomusik.
"Music for Dodos" nun ist nicht das erste Album des 1981 geborenen Musikers. Die Tradition westlicher klassischer Musik trifft auf Zeitgenössisches; Einflüsse kommen aus den Feldern Progressive Rock, Avantgarde, Jazz und ethnische Musik. Seine musikalische Handschrift überwindet Grenzen und bindet verschiedene, unabhängige Musikarten.
Zuerst einmal ist die klassisch geschulte Handschrift des Pianisten zu bewundern. Technisch meisterhaft, ungemein virtuos, spielerisch versiert und mit kraftvollem Ansatz spielt er, als sei es ein Leichtes, seine eigenen Kompositionen. Und einige davon sind an Tempo kaum nachzuvollziehen.
So ist gleich das zweite Stück auf der CD, "Ricercare sulla Cerchiatura del Quadrato (Omaggio a Conlon Nancarrow)" eine schwindelerregende Tour de Force über 5:36 Minuten. Während die linke Hand das moderate Basisbassmotiv spielt, fliegt die rechte Hand über die Tastatur und trifft jeden einzelnen Ton akkurat und kraftvoll, überbetont und zieht nicht, gibt der extrem schnellen Tonfolge ein virtuoses, kerniges und vollmundiges Gesicht. Ein echtes Abenteuererlebnis!
Doch längst sind nicht alle Stücke auf dem 69:36 Minuten langen Album Pianosoloarbeiten. Gleich der Auftakt der CD, "Il Quadrato Magico (Tridescenze)", vielleicht melodisch etwas zu blumig, wird von Piano und Schlagzeug bestritten, und das Schlagzeug wird in komplexer Intention des Progressive Rock bearbeitet (so wie alle Stücke mit Schlagzeug in eben dieser Ästhetik, sehr komplex, gespielt sind). Die für das Progressive Rock Publikum wohl naheste Komposition ist "Wildstyle (2nd Version)", was nicht allein am hämmernden Schlagzeug mit pumpenden Bass liegt, sondern zudem am elektrischen Tastenensemble. Im Auftakt stecken Alternative Einflüsse, die schnell verfliegen und nur kurz wieder auftauchen - was der Komposition gut steht. Kein weiterer Track auf der CD ist so nah an Progressive Rock orientiert.
Die "Turqueries", dreiteilig, werden von Fagott, Klarinette, Bassklarinette, Bass und Schlagzeug gespielt. Die Komposition hat italienisches Flair, ist fundamentiert in klassischer Musik (Mozart, Haydn, Rossini, Beethoven) und zum anderen im qua (kommunistisch) revolutionären (Eissler-)Stil von Stormy Six ("Macchina Maccheronica"). Jazz und Rock stecken in der Inspiration, viel mehr aber kammermusikalische Idee, die Humor und Nachdenklichkeit in stetes Wechselspiel taucht. Fabelhaft, die Bläserbesetzung in Verbindung mit Schlagzeug und elektrischem Bass.
"O Rei Do Futebol (2nd Version)" beginnt als Varieté-Stück sehr humorvoll und clonewsk überdreht, leicht und verspielt, um alsbald (alte, echte ) volksmusikartige Züge und Rockkabarett zu verbinden. Saxophon (ss, ts) und Akkordeon als Kontrast zu Piano, Bass und Schlagzeug geben der luftigen, aber keineswegs leichten Komposition einen starken Gegenpol, und wieder stehen humoristische Leichtigkeit und nachdenkliche Lyrik gegeneinander, spielen sich verbindend den Ball zu, vereinen gegensätzliche Emotionen höchst meisterlich.
"Suite delle Maschere (for 2 cellos)" spielte Vincenzo Mocata allein ein - die zweite Cellospur wurde über die erste gelegt. Der eindrucksvolle Achtteiler geht weit in die Klassik zurück und orientiert sich in seinen einzelnen Tanzsuiten am Barock.
"Inno All'aquilone (con la testa tra le nuvole)" beginnt fast filmmusikartig und spielt sich in lautmalerisch romantisch-lyrischer Form ab. Sehr anmutig, forsch und durchaus kontrastreich. Das abschließende "De Dodo, Ou L'Amour Au Berçeau" ist die einzige Fremdkomposition. François Couperin schrieb das nachdenkliche Pianostück; Guido Umberto Sacco interpretiert es intim, herzlich und forsch.
Mit dieser Zusammenstellung beweist der junge Komponist seine erstklassige handwerklich-technische Qualität, stilistische Weitsicht, improvisatives Talent, handschriftliche Reife und kreativ-inspirierte Suche nach neuer eigener Musik aus großem Inspirationsraum. Hier ist ein großes Talent zu finden, das ganz gewiss zu weitaus größeren Werken in der Lage ist. Mein Vorschlag wäre, das elektronische Equipment vollständig (so weit es geht) zu meiden und den rhythmischen Rahmen über das hinreißend rasante Schlagzeugspiel zu erweitern (Mallets).
Ich persönlich finde das Album (das auf keinen Fall mit so etwas wie "Genesis for two pianos" zu vergleichen ist, eher mit Tony Carnevales "La vita che grida" - aber auch das hinkt gewaltig!) großartig, will es nicht mehr missen. "Music for Dodos" wird Klassik- und Progressive Rock Freunde gleichermaßen ansprechen, aus beiden Feldern genreübergreifend interessierte, aufgeschlossene Hörer, die Wert auf Komposition und erstklassige handwerkliche Umsetzung haben. Während Klassikfans die Fusion aus Klassik und Rock lieben können, weil die Musik eindeutig im klassischen Rahmen stattfindet und Rock nur marginal die Rahmenrolle spielt, werden Rockfans sich auf das Abenteuer einlassen können, leise, stille und dennoch komplexe, überraschend reiche Musik zu hören, die wenig nur typisch Rock (Prog) ist.
Tipp!

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VM



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