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Glass Hammer "Perilous" (Sound Recources 2012)

Dank Alois Alzheimer erinnere ich mich stets daran, im Laufe der Jahre immer mehr zu vergessen. Aber was mir momentan partout nicht einfallen will: waren Glass Hammer schon immer mit einem Jon Anderson Double ausgestattet? Wie dem auch sei, Pt. 1 des dreizehnteiligen "Perilous" eröffnet instrumental in einen sanftmütig schöngeistigen Symphonic Rock Reigen, dem im Laufe der siebeneinhalb Minuten Sänger Jon (!) Davison schließlich seinen Gesang leiht. Und plötzlich ist aus dem angenehm fließenden Symphonic Rock YES geworden. Nix gegen YES, ganz persönlich und allgemein, aber warum klingen Glass Hammer nicht wie Glass Hammer, sondern wie YES? Denn sobald Jon Davison seine glockenklare Jon-Anderson-Stimme erhebt, kann die Band in der Intention nicht mehr verkannt werden und alles, vokal wie instrumental, wird zu YESsound.
Würde der Name Glass Hammer nicht längst bekannt sein - da sind schon etliche, zahlreiche Alben im Backkatalog - könnte "Perilous" wie die perfekte Bewerbung klingen. Ein Sänger schnappt sich Band und Songs, spielt ein ganzes Album ein, um damit bei den alten Recken vorzusprechen und ins Line-Up zu gelangen. Die Gefahr: je älter YES werden und gleichzeitig weiterhin durchhalten wollen, brauchen sie den (im Original verbrauchten) YES-Faktor-Sänger. Der letzte hielt nicht lange durch, wird dieser den Karriere-Kick mitsamt Stress und Anforderung überstehen, sollten YES, und die haben längst zugehört, ihn als Stimmfaktor in die Band holen?
"Perilous" gefiele mir ohne die stete YES-Orientierung deutlich besser, wenn Glass Hammer mit dem Album auch über den Progszene-Rand in den Mainstream zu ragen vermögen und bekannter werden, Erfolg sich verspricht - was bringt die Aufgabe des eigenen Stilcharakters, wenn nur noch der YES-Faktor Impuls und Erfolg verspricht?
Sobald "Perilous" ins Instrumentale fährt, werden die Songs besonders - dunkle Melancholie und breitwandig symphonischer Progressive Rock fahren schöngeistige, reichhaltige Themen auf, neben dem umfangreichen Keyboard-Ensemble stehen dafür ein Streicher-Trio, Chöre (und nicht Chor), Flöte und Oboe ein. Die Atmosphäre ist stets zurückhaltend und sympathisch, weder gehen Glass Hammer ihre Ideen besonders sperrig noch heftig an, der epische Fluss hat viel Lyrik und Harmonie. Doch sobald Jon Davison die Stimme erhebt, wird alles zu YES. Die Gesangslinien, die Stimme, die liedhaft leise Band, Rickenbacker Bass, elektrische Gitarre, Keyboardsounds - alles deutlich einfacher und schlichter als YES zu besten Zeiten, damit eher vergleichbar ab "Tormato" aufwärts (ohne die Pop-80er) und längst nicht so markant und kraftvoll in der Komposition. Und leider klingt mit dem YES-Gesang alles wie "gemacht", wenig authentisch, obschon von hoher Qualität.
Ein allgemeiner Fehler des heutigen Progressive Rock liegt in der Orientierung auf die großen Bands der alten Szene, die Klassiker. Indes kann jede Band nur so echt sein, wie sie authentisch ist. Erstaunlich, dass Glass Hammer, die doch längst ein dickes Fundament ihr Eigen nennen, sich so hingeben. Und schade - in meinen Augen.

glasshammer.com
justforkicks.de
VM



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