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Gentle Knife "Gentle Knife" (Bajkal Records, 19.06.2015)


Die norwegische Band, mit 10 Musikern mehr Leute in der Band als Songs auf der CD (die 58:43 Minuten läuft, 8 Tracks), beginnt ihr Debüt erst etwas schwerfällig. Der schwere Musikkorpus will in Schwung gebracht werden. Ehe der Motor warm gelaufen ist, sind die ersten Minuten vergangen. Dabei haben Gentle Knife Charakter, Stil und Handschrift.
Der erste Höreindruck meint zu erkennen, dass Gentle Knife naiv, engagiert und sehr charmant rocken. Die frische Truppe spielt symphonischen Progressive Rock mit marginalen Einflüssen aus der Neoprog-Szene, fokussiert auf den Sound der Mittsiebziger Großtaten aus der Prog-Szene mit (zarten) Reminiszenzen an King Crimson.
Die Songs sind gut komponiert, handwerklich (erst) ausreichend, dann gut interpretiert, und transportieren ganz eindeutig hohen Nostalgiefaktor für Old School Freaks, die Camel & Co. sowie symphonischen Krautrock zugetan sind. Die instrumentalen Inlays, schön ausgeprägt, aber ohne besondere Schrägheiten und Frickeleskapaden, episch, lyrisch, schöngeistig, gehen schnell ins Ohr und unterstützen die fabelhafte Gesangsabteilung kernig.
Der Gesang hat seine besondere Note. Zum einen liegt das daran, dass männliche und weibliche Stimme sich die Texte teilen, miteinander singen und ergänzen, zum anderen, wie sie dies tun. Ansprechende Gesangslinien, wenn auch nicht überragend ausgefallen, so doch erfrischend, werden transportiert. Besonderes Merkmal ist die Stimme von Melina Oz, die die Stimm-Tochter von Kate Bush ist und mit ihrem kraftvollen Organ ebenso schmeichelt wie plättet. Hinreißend!
Nach dem 10:06 Minuten langen Opener "Eventide", der handwerklich noch etwas rumpelt, dessen Instrumentalarbeit auf der Bühne überdacht werden kann (ohne dass die Macken schlimm auffallen), folgt das mit 12:35 Minuten längste "Our Quiet Footsteps". So leise ist der Track nicht, hier ist der Motor auf Betriebstemperatur. Schon im ersten Track (und bis zum letzten durch) hält die Band schicke Instrumente als stete prominente Begleitung bereit: Trompete, Flöte, Saxophon - neben dem üblichen Rockinstrumentarium. Jazz gibt es hier nicht im Ansatz, die Bläser rocken unisono mit Gitarre und Synthesizer, oder ergänzen das melodische Geschehen mit solistischen Schlenkern.
Lustiger Weise wird das Album von Song zu Song besser. Track 4, "Tear Away the Cords that Bind" beginnt mit einem Gitarrensolo und will nicht mehr stoppen - herzhaft und fabelhaft! Danach folgt die instrumentale Ballade "Beneath the Waning Moon", die ganz tief anschlägt und an Landberk erinnert. Ganz Old School, nix modern. Die jüngsten Einflüsse (neben den leisen Neoprog-Anklängen) stammen von 1980er King Crimson. Gentle Knife gehen weder Gentle Giant noch Genesis (des Namens wegen) besonders nahe, spielen nicht mit dem skandinavischen Melancholie-Ass, sondern machen einfach, was sie wollen. Und das gut.
Progfritzen, die symphonische Arbeiten bevorzugen, werden ihre Freude haben - und die kleinen Macken und ungewollten Kanten mitnehmen.
Das vorletzte "Epilogue: Locus Amoenus" ist ein über 8 Minuten laufendes, tolles Ambient-Electronic-Stück, das ebenso inspiriert wie inspirierend klingt und angenehm kurzweilig ins Ohr schwebt.
Damit nicht Schluss, folgt "Coda: Impetus". Hier ist der KC-Einfluss am spürbarsten. Es ist, als wäre "Larks Tongues…" im neuen Kompositionskleid flott und eingängig zu neuem Leben erwacht.
Großes Potential!

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VM



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