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Gansan "Elégie berbère" (Homerecords, 11/2011)
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Der Ethno Jazz auf "Elégie berbère" ist so locker und frisch wie just aus dem Ofen geholter Kuchen. Bauchschmerzen machen die 9 herzhaften Stücke indes keineswegs. Das Projekt, dessen Resultat "Elégie berbère" ist, geht auf die Liebe zu einem Instrument und seinem Klang zurück: der Ribab, die vor allem von Berbern im südlichen Marokko gespielt wird. Ludovic Jeanmart (as, ss, u.a. The Wrong Object), der schon diverse Projekte zwischen Rock und Jazz ins Rollen brachte, traf während einer Reise durch Marokko auf Bouhssine Foulane (vi, Ribab), einen Musiker aus Agadir. Gemeinsam wurde die Idee ausgeheckt, einen ganz eigenen Mix aus der Passion der Musik der Berber, der Freiheit des Jazz und der Energie der Rockmusik zu kreieren.
Bouhssine Foulane brachte Ahmed Khaili (perc) mit, die weiteren Musiker gehören zum losen Kern Gansans: Nicolas Dechène (g), Luc Evens (b) und Benoît Ruwet (dr). Die Ribab wird in Südmarokko ‚Souss' genannt, hat große Ähnlichkeiten zur Violine, jedoch nur eine Saite, wird gehalten wie die Gitarre und mit einem Bogen geschlagen. Zwei Kompositionen hat Bouhssine Foulane eingebracht, die weiteren 7 stammen von Ludovic Jeanmart. Beide stehen im Zentrum des melodisch-harmonischen Geschehens, dem die weitere Band sich indes nicht unterordnet, sondern darin vital mitarbeitet. Der ethnische Einfluss ist stark, prägend und beeindruckend, stilistisch liegt das Ensemble jedoch tief im Jazz und was Rockenergie, findet eher nebenher statt, in saftig wuchtigem Rhythmusspiel etwa oder einigen Gitarren- und Saxophonsoli. Manche Komposition, etwas "Timanssit" aus Bouhssine Foulane Feder, hat einen dezenten Zappa-Einschlag, für den nicht zuletzt Ludovic Jeanmart selbst steht. Das Bandprojekt bemüht sich nicht, bestimmten stilistischen Vorgaben zu genügen, sondern setzt Maßstäbe weit darüber hinaus. Die südmarokkanischen Melodiebögen sind der größte Reichtum der Songs, selbst in dieser starken Jazzprägung und europäisch modernen Form. Vom Jazz aus betrachtet nehmen die ethnischen Motive alles gefangen, bis auf manche instrumentale Wendung, in der kaum urbane Klänge auszumachen sind und in der die Band trotz afrikanischer Perkussion neben dem Schlagzeug modern, zeitlos und europäisch klingt.
Die überwiegende Anzahl der Kompositionen hat episches Format, weht luftig und lyrisch durch den tonalen Raum, und selbst die disharmonischen modernen Jazzkanten unterstützen nur den sanftmütigen Ton. Bis die Rockidee dann doch kraftvoll einschlägt und das Ribab-Solo inmitten harter Gitarrensounds sitzt, von einem Jazzrhythmus unterhoben, der zwischen den Soloparts zu kraftvoll derbem Rock mutiert und dabei komplex und virtuos zuschlägt. Aus der saftigen Rockhärte entlädt sich die Komposition in lichte Zartheit, der selbst die rauen Gitarrenklänge nur weitaus mehr Lyrik geben.
Gansan drücken nicht auf die Tube, machen keinen Stress, holen nicht zu schwer komplexen Themen aus, sondern lassen ihre Ideen schweben. Die verzaubernden ethnischen Motive im Jazzumfeld sind von ganz besonderer Qualität. "Elégie berbère" wird, wenn die Band und das kleine Label Glück haben, großen Eindruck machen. Bleibt zu hoffen, dass die Jazzwelt das feine Album entdeckt.
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