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FRED "Fred" "Notes on a Picnic" "Live at The Bitter End" (World In Sound 2002-04)
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Fred ist eine der vielen Bands, die niemals eine LP veröffentlicht, sich aber während ihrer aktiven Zeit (1970 - 1974) einen guten Ruf erarbeitet haben. Die Ursprünge der Band gehen bis 1967 zurück, als Ken Price (key, voc) und Joe DeCristopher (g) planten, eine Band zu gründen. Ken spielte bereits in Still at Large, aber dort stieg der Lead-Gitarrist aus und Ken und Joe kamen zusammen. Einen Schlagzeuger hatten sie in Aussicht, Bo Fox, doch der spielte bereits in einer populären Tanzcombo namens Gross National Product. Während der Suche nach einem Schlagzeuger kam Gary Rosenberg zur Band. Er sollte der Texter werden, spielte zu Beginn auch Tamburine und Kuhglocke, wurde Bandmitglied, aber nicht als Musiker. Seine Lyrics prägen alle jetzt auf den drei CDs veröffentlichten Vokalsongs.
Zur gleichen Zeit entstand der Kontakt zu David Rose, der vielleicht wichtigsten Person in der Band Fred. David Rose war älter als die anderen Musiker, spielte seit seinem 6. Lebensjahr Violine (was er zuerst verschwieg) und stieg als Lead-Vokalist ein. Die Band nannte sich erst David Rose and his Orchids und Mustang Turfbinder and the Swelltones, schließlich wurde Fred daraus. 1969 wurde das Dilemma mit der Besetzung des Schlagzeuges beendet. Bo Fox stieg ein, weil Gross National Product sich aufgelöst hatte.
Einige Dinge passierten nebenher. Die Schule endete für die Jungs, das Elternhaus von David Rose wurde von einer Flut weggespült. Doch die Band blieb zusammen. Sie bauten eine neue Farm für die Rose-Familie, wo sie auch musizieren, arbeiten und leben konnten. Die Band spielte Songs von Procol Harum, Frank Zappa, Jethro Tull, King Crimson und The Mahavishnu Orchestra nach, komponierte eine unendliche Anzahl Songs, von denen auch einige brauchbar waren. Eingespielt und aufgenommen wurde viel Material, veröffentlicht nichts.
Ende 1971 jedoch produzierten Fred eine Single mit den Songs "Salvation Lady" und "a love song", die beide auf der ersten der drei CDs zu hören sind. Fred hatten viele Freunde, die hier und dort halfen, mit Fotos, Bildern, dem Organisieren von Konzerten. Zur gleichen Zeit explodierte die Rockmusik, entwickelten sich progressive Dinge in der Rockmusik, eine Menge Chemie war am Kochen. Mit dem später einsteigenden Peter Eggers und David Rose waren zwei musikalische Wunderkinder an Bord, die zu der enormen Qualität der Songs herausforderten.
Auf CD1 sind 10 Stücke gesammelt. Eingespielt von Joe DeCristopher (g), David Rose (lead-voc, vi), Ken Price (key, voc), Mike Robinson (b, voc), Bo Fox (dr, voc) und Peter Eggers (dr) sind hier die früheren Stücke (1971 - 1973) zu hören. Noch war der Sound, der gruppeneigene Klang nicht ausgereift. Fred spielten frühen Progressive Rock typisch amerikanischer Natur, ein folkloristischer Zug in den Stücken lässt sich leicht feststellen. Das liegt nicht nur an der stets präsenten und die Stücke sehr bestimmenden Violine, sondern an den Kompositionen, die noch zu sehr ländlich, zu sehr von der allgemeinen amerikanischen Musik geprägt sind. Doch schon hier ist die hohe Qualität des Songwritings zu hören, spielen Fred toll arrangiertes, beeindruckendes Material. Viele Bands in der damaligen Zeit klangen wie Fred. Die Betonung auf Chorgesänge und akustische Instrumente bringt den Vergleich zu Crosby, Stills & Nash, wenn Fred auch komplexere Songs spielten und zumeist zu elektrischen Instrumenten griffen. Blues und Folk standen parallel und gleichwertig neben den führenden Jazz- und Klassik-Einflüssen. Insgesamt hatte die Band noch nicht richtig ausgeholt. Die Songs waren dynamisch, lebendig, machten Spaß, man konnte mit dem Fuß mitwippen und im Saloon einige Bier ziehen, während die Band da vorn spielte. Doch das wollten Fred nicht, das reichte nicht.
Die Auswahl der Songs ist sehr gut sortiert, das Material der beiden ersten CDs unterscheidet sich deutlich voneinander. Die Band war in den ersten Jahren qualitativ sehr gewachsen. Das lag an David Rose, der klassisch geprägt war. Die Soundqualität der ersten CD ist nicht durchgehend sehr gut, aber stets im grünen Bereich, wer eine gute Anlage hat, wird die Differenzen hören, ohne aber die Nase rümpfen zu müssen. Hier ist wirklich gute Arbeit geleistet worden und die Songs mit schlechterer Soundqualität entschädigen durch den hohen musikalischen Gehalt.
CD2 präsentiert 11 Songs, die 1973/74 in New York City aufgenommen wurden. Personell hatte sich in der Band nichts geändert, musikalisch dafür einiges. Die Songs waren deutlich Jazz-orientierter, zwar macht sich auch hier noch das typisch amerikanische Songwriting aus, doch in einem selbstbewussten, sehr dynamischen Jazz-Rock Kontext, der die Band zu Soli und Improvisationen inspirierte. Viele Songs sind rein instrumental; Gitarre, Keyboard und vor allem Violine setzen solistische Höhepunkte. Die Musik ist komplexer als auf der ersten CD, da gibt es sensationelle Parts, komplexe Durchbrüche und virtuose Harmonien, wie sie sonst nur bei Frank Zappa zu hören waren. Aus unisono gespielten Motiven brechen Soli aus; geht das vielschichtige melodische Geschehen, vor allem zwischen Keyboard und Violine, eine Verbindung ein, die einfach faszinierend ist. Die Band arbeitet sehr homogen, nahtlos sind die Arrangements verschweißt, dynamisch das Spiel, die handwerkliche Begabung der Musiker herausragend. Allein das 5. Stück "For Bela Bartok" mit seiner intensiven Spannung und leisen Romantik ist die CD wert, der Rest der Songs steht dem nicht nach.
Die dritte und leider schon letzte CD zeigt die Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens mit einem Konzert von 1974 im The Bitter End in New York City. Die 8 Songs sind kräftiger, grandioser Jazzrock, unglaublich vital und lebendig. Die Spielfreude und Dynamik der Band ist jede Sekunde zu spüren, es macht große Freude, diese Songs zu hören. David Rose an der elektrischen Geige rast über die Saiten wie Jerry Goodman von The Mahavishnu Orchestra, überhaupt ist die Band ein gutes Beispiel für Fred. Übrigens gibt es auf den 3 CDs keine Überschneidungen. CD 2 und 3 haben hervorragenden Klang, sicher keinen heutigen digitalen Standart, sind aber sehr gut anzuhören. Alle Songs sind digital remastert worden.
Das spannendste an der dritten CD ist die gewaltige Kraft der vertrackten, wahnsinnig spannenden Arrangements, wieder geben Keyboard und Violine alles, die Gitarre soliert perfekt, als Vergleich neben dem Mahavishnu Orchestra sind vor allem King Crimson und Frank Zappa zu nennen. Ähnlich wie auf den allgemein bekannten Live-Alben der genannten Bands geht auch Fred vor, es gibt eindrucksvolle Soli, plastische Unisono-Passagen und grandiose melodische Eskapaden. Da bleiben keine Wünsche offen, das exzellente Zusammenspiel ist ein mitunter schräges, stets überzeugendes Hörabenteuer voll Wucht und hoher Spielkultur.
Leider löste sich die Band 1974 auf. Allein David Rose blieb musikalisch aktiv, spielte weitere Platten ein, deren einige bereits digital remastert wurden, so sein ausgezeichnetes Album "Distance Between Dreams" (Review hier auf Ragazzi), das vom französischen Label Piano Bass Music veröffentlicht wurde.
In den 3 unterschiedlich aufgemachten Booklets erzählen ehemalige Musiker der Band ausführlich, informativ und detailreich die Fred - Story aus der heutigen Perspektive. Die CDs sollen nicht die einzigen Veröffentlichungen bleiben, World in Sound planen dieselben Veröffentlichungen auf LP (die erste LP ist bereits erschienen). Für Sammler und Freaks der alten Schule ein gefundenes Fressen, ich kann die drei CDs nur unbedingt empfehlen.
Gary Rosenberg und David Rose haben die endliche Veröffentlichung der drei Fred - CDs nicht mehr erleben können, ihnen wurden die CDs gewidmet.
Das Label World In Sound gibt es seit 1999. Spezialisiert als Musiklabel und Vertrieb für Sammler mit Sinn für ausgefallene Spezialitäten im Psychedelic-, Progressive-, Folk-, Jazz-, Fusion- und Rock-Genre gibt es schon etliche Veröffentlichungen des Labels. Tolle Arbeit, die das engagierte Label leistet.
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