The Flower Kings "The Sum Of No Evil" (InsideOut Music, VÖ: 28.09.2007)

"Eine CD einschätzen zu können", meinte einst Roine Stolt, wie wir alle wissen, der Betreiber, Chef, Komponist, Gitarrist und Sänger des Progressive Rock Unternehmens The Flower Kings, "müsse man die Musik etliche, zumindest zehn Male, gehört haben". Recht hat er. Es reicht nicht, in einige Tracks hineinzuhören und eine Einschätzung Pi mal Daumen abzugeben. Jedoch, und das ist schon beim ersten Hören zu erkennen, sind Macken und unschöne Dinge, die einem sauer aufstoßen, schnell, nach dem ersten Hören bereits, zu hören und beschreiben.
So viele bekannte Attribute die Alben der Flower Kings aufweisen, nicht nur für ihre unkritischen Fans, die alles lieben, was die Schweden einspielen, ebenso für diejenigen unter den Progfans, deren Interesse im Laufe der Alben und Jahre deutlich abgeschliffen ist, werden, wenn sie ehrlich sind, immer noch die angenehmen, witzigen, flotten und tollen Dinge auffallen: zuerst sind das die Gitarrensoli Roine Stolts, die nach 13 Jahren wie zu Anfang Schneid und Knackigkeit, Inspiration und melodische Ausdrucksstärke, improvisatives Talent wie musikalische Hingabe verraten, dann die eckigen, kantigen Geröllwelten des instrumentalen Musikplaneten, deren Freakigkeit zu erforschen und überschreiten wir Fans eingeladen sind, schließlich der "herrliche" Bombast der überlangen Symphonien.
Negativ sind wohl die sich immer ähnlicher werdenden Arrangements, die "typischen" Flower-Kings-, oder wohl eher Roine-Stolt-Licks, die aus dem instrumentalen Intro zum Gesang führen oder aus der komplexen Vitalität langer instrumentaler Ausflüge in die Liedhaftigkeit der Vokalpassagen, usf. Jeder wird wohl, ebenso wie bei den positiven Eindrücken, persönlich etwas anfügen können. Da stelle ich mich hier in den Mittelpunkt und meine, der zweite Sangesknabe neben Roine solle zu einer seiner Stimme, seiner Gesangsart passenden Pop-Ecke verschwinden und die ambitionierte Musik einer Stimme überlassen, die wie Roines Charakter und, ja, 'Stimme', hat.
"The Sum of no Evil" sollte eigentlich "Love" heißen, was es letztlich auch heißt, und was aus kommerziellen Gründen verändert wurde, weil die Beatles schon ein Werk dieses Namens haben - oder just veröffentlichen (was mich einigermaßen irritiert, sind die nicht schon "halb"-tot und gar nicht mehr als solche aktiv?). Roine Stolt ist ein unverbesserlicher Hippie, dem persönliche Liebe, Vertrauen und Zuneigung ebenso wichtig sind, wie politischer Frieden und das friedliche Miteinander der Menschheit auf Erden. Das bringt er immer wieder in seinen, mitunter kritischen Texten zum Ausdruck.
"Liebe ist die einzige Antwort", heißt der längste Song auf "The Sum of no Evil", darunter ist alles zu verstehen, was Roine Stolt als Botschaft vermitteln will. Die neue CD wird als Rückkehr angekündigt, als Rückkehr zum komplexen Progressive Rock, weg von Pop und Jazz. Alle Kompositionen stammen von Roine himself und wahrhaft ist der symphonische Rock genau das, was er für nach diesem Sound lechzende Ohren sein soll. Wie immer sehr gut komponiert und arrangiert, voll der schönsten instrumentalen Passagen, die lang ausgespielt etliche Brüche und Wechsel präsentieren und neben symphonischen Licks, Unisono-Passagen, fettem Bombast auch kurze, aber wunderschöne Jazzrock-Typen draufhaben, erweist sich diese neue CD als echter Hinhörer, wenn man denn nicht satt und überdrüssig der Stolt'schen Spielart ist (die hier vermehrt Inspiration vom Symphonic Vorbild Genesis in ihrer "klassischen" Phase [wissen wohl alle, was ich damit meine] aufzeigen).
Zuerst einmal sind Stolts Gitarrensoli grandios, und was die Band macht, ist viel besser als alles, was auf dem Vorgänger "Paradox Hotel" zu hören war. Weder ballert das Schlagzeug simple Takte, noch verirrt die Band sich in langweiligem Allerweltssound. Einzig dieser zweite Sänger...
Drei Songs sind über 13 Minuten lang, der längste über 24, einer um 6, einer um 5 Minuten, zusammen sind das 75 Minuten feiner melodischer Progressive Rock Minuten á la The Flower Kings.
Kein Vergleich zum diesjährigen Best of. Kein Pop, wenn hier und da auch, wie zu Beginn des letzten Songs, die komponierte Struktur auch erst aus ihrer Simplizität erwachsen muss und einige balladeske Stränge sehr mit ihrer harmoniesüchtigen Lieblichkeit kokettieren. Roine spielt manches Riff erstaunlich heavy, fast schon metallisch, oder hatte er wieder Unterstützung? Hasse Bruniusson darf einige "Crazyness" einfügen, es gibt Marimba! Ole!! Und in einer Passage geraten die Blumenkönige einem anderen wohlbekannten Gitarristen in die Kompositionsnähe: Frank Zappa. Aber nur kurz, die Band muss schließlich weiter, es gilt, die Minuten abwechslungsreich und vital zu gestalten.
Fazit: Unternehmen gelungen, Plan geglückt, Sanierung positiv ausgeführt (was man heute alles so für blöde Müllworte benutzt...). Alles Quatsch, tolle Platte, na gut, etwas zu viel Refrain, etwas zu selbstverliebte Ballade.

flowerkings.se
insideout.de
VM



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