Flora Quartet "Muzikka Organikka" (gusstaff records 09.10.2015)


Piotr Janiec (Tuba) und Tomek Stawiecki (Klarinette) arbeiten im Umfeld des "Borderland of Arts, Cultures and Nations", beide sind Klezmer-Musiker, spielen im Klezmer Orchestra of the Sejny Theatre. Marcin Dymiter aka Emiter (Elektronik, Objekte) arbeitet im Feld moderner Elektronik und improvisierter Musik, baut Sound-Installationen, entwirft Radio-Shows, schreibt Musik für Filme, Theater, Ausstellungen und öffentliche Räume, ist Musikproduzent und hat ein Faible für Field Recordings. Malgorzata Wawro entwirft und performt audiovisuelle Projekte, organisiert Konzerte und Kunstevents und arbeitet mit der Band Jak zwal tak zwal. Im Flora Quartet wird sie als ‚slide projector' gelistet. Während die drei Musiker instrumental arbeiten, ist die Bildkünstlerin darin aktiv, über einen Projektor Bilder zur Musik an die Wand zu werfen und der Musik ein Bild, eine Farbe, einen visuellen Raum zu geben. Auf der CD ist davon nichts zu sehen, aber in den Konzerten der Band, die eine ganz eigene, interessante Atmosphäre haben. Die kreative Bildsprache folgt der kreativen Musiksprache.
Elektroambiente Musik mit leichtem Klezmer-Link ist zu hören. Düster, sphärisch, kaum greifbar, sehr lyrisch und von einer Fülle an Field Recordings durchzogen, Aufnahmen, die in der Natur, auf der Straße gemacht wurden und das unmittelbare Äußere in die instrumental erzeugte Musik einfließen lassen. Die beiden Bläser füllen mit langen Tönen und melodischen Läufen den Raum, während die Electronics Basisdüsternis ins Off werfen, ausgefallene elektronische Sounds entwerfen und stellenweise mit hohem Fiepen auf sich aufmerksam machen. Oftmals wirkt so ein ‚Song', der durchaus über 17 Minuten laufen, aber auch kurze 3 bis 5 Minuten lang sein kann, sehr zurückgehalten. Bedrohliche Düsternis im Off, als kämen die Klänge von weit her, aus einem Traum, von einem Krieg, der Vergangenheit.
Doch trotz der düsteren Note wirkt das Werk "Muzikka Organikka" (das 50:42 Minuten füllt) lyrisch und angenehm, bedrückt kaum, sondern berückt mit seiner lasziven, fast sentimentalen Art. Lebhaft wird es, wenn die Bläser unvermittelt Klezmer-artige Melodien, stark verfremdet und improvisiert, über die melancholische Klanglandschaft werfen und damit einen stärkeren, lauten Klang erzeugen, der das ganze Geschehen zum Brodeln und Kochen bringt. Danach ist Wasser zu hören, wie es als Gebirgsbach ins Tal läuft, Vögel zwitschern. Stille.
Die freie Improvisation des Flora Quartet ist sehr lyrisch, in seiner ambienten Sphärik entspannend und angenehm, ohne die typischen esoterischen Muster der Kaufhauskitschmusik auch nur ansatzweise zu kreuzen. Dies ist echte Musik, improvisative Avantgarde, lebhaft, ernst, witzig, extravagant und unerwartet.

gusstaff.com
VM



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