Finisterre "In Ogni Luogo" (Musea)

Die italienischen Symphoniker haben dieses Album gemeinsam mit Roberto Colombo produziert. Das Resultat ist eine Überraschung. Der Rhythmus der 10 Stücke groovt schwer, die komplizierten Passagen haben luftigen Keyboardteppichen Platz gemacht. Brüche, Rhythmuswechsel, disharmonische Passagen - das gehört größtenteils der Vergangenheit an. Finisterre stoßen teilweise gar in BritPop - Bereiche vor. Immer noch tief im Progressive Rock verwurzelt, voll melancholischer bis euphorischer Symphonik, reißen sie doch weite Gräben auf, illustrieren ihre Songs liedhaft. In den 90ern hatten Finisterre einige Alben in kurzen Zeiträumen hintereinander im schwer symphonischen bis avantgardistischen Progressive Rock veröffentlicht. Plötzlich machten sie Pause, die Band splittete sich in Projekte auf, unter verschiedenen Namen wurden unterschiedlichste Aufnahmen veröffentlicht. "In Ogni Luogo" knüpft an einem Punkt an, der die Band wieder zusammenschweißen kann. Weder zu Retro noch zu Pop, weder zu schwer noch zu simpel sind diese 10 Songs geworden. Von wundersamer Leichtigkeit, lieblicher Melodie, hartem Rock und pointenreicher Fabulierkunst. Finisterre wissen genau, was zu tun ist, dem Song ein interessantes Gewand zu verpassen, die Stücke mit Ecken und Kanten zu versehen, ohne im sperrigen Avant Prog zu landen. Ein Drahtseilakt, der fabelhaft gelungen ist. Höhepunkte gibt es zuhauf. Nach einem sanften Jazzvokalstück bricht die Band in fast schon metallischen Rock aus, läßt das Stück in minimalistischem Fahrwasser verebben, um ihn kurz vor dem Zusammenbruch zu neuem Anlauf anzustacheln. Ihr glückliches Händchen lassen Finisterre und Roberto Colombo auch bei den Arrangements und der Instrumentenwahl arbeiten. Da kommen gar wieder Ansätze an die frühen Alben der Band auf, wenn in vielschichtigen Melodieüberlappungen irre Harmonien zu großer Ergänzung finden. Doch nichts ist typisch an "In Ogni Luogo". Wenn sich ein Thema zu lang ausbreitet und frühsiebziger Charakter aus den Boxen strömt, bricht die Band ab und spielt ein liedhaftes Stück hart, knapp, prägnant. Aber auch dieses Stück wird umgekrempelt, ohne verstümmelt zu werden. Finisterre geben den Prog-Senftöpfen keine Chance. Mit großem Geschick, handwerklicher Kunst und sensiblem Gespür haben sie "In Ogni Luogo" zu dem gemacht, was es letzlich ist: ein Album voll tiefer Gefühle und ausdrucksstarker Musik. Italo Prog in Formvollendung.

sublimelabel.com
VM



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