Extol - Blueprint (Century Media 2005)

Menno! Es musste ja so kommen. Immer dann, wenn es am schönsten ist. Nachdem Extol 2003 mit 'Synergy' ein Wahnsinnsalbum vorlegten, dass vor kompositorischer und technischer Finesse nur so strotzte und vor allem im Vergleich zum Vorgänger 'Undeceived' ein stilistischer Quantensprung war, sind sie jetzt zurück. Nur: Im Sommer 2004 verließen die beiden Gitarristen Christer Espevoll und Ole Berud die Band. Vor allem Ole war für die Band eine der treibenden Kräfte, und auf 'Synergy' auch für eine Hälfte des mehrstimmigen Gesangs zuständig gewesen. Um es mal vorwegzunehmen: 'Blueprint' ist längst nicht so gut wie 'Synergy'. Das heißt aber auch nicht, dass es sich hierbei um einen schlechten Tonträger handelt.
Mit 'Gloriana' ist direkt ein Song am Start, der denen auf 'Synergy' am meisten ähnelt - eine toller Wechsel zwischen (und hier schon längst nicht mehr zugunsten) dem gewohnten, kernigen Geschrei und den kontrastierenden kristallklaren Gesangslinien, die nun im Vergleich leider etwas schlechter, da beliebiger abschneiden. Die Freude währt nicht lange - 'Soul Deprived' ist ordentlich, ist aber indes einen Deut in eine beängstigend andere...negative Richtung. Gründe gibt es zwei: Auf 'Synergy' war der klare Gesang als kurzweilige Erlösung, fast schon als kleine Sensation vorhanden, auf die man sich immer mal wieder freuen konnte, sein Einsatz war spärlich, aber dafür um so faszinierender. Nun verwendet man ihn auf 'Blueprint' fast schon an jeder Ecke, die daraus folgende Gewöhnung nimmt den Songs die Dynamik. Man steht auf der Schwelle zum numetallischen Einfaltssingsang. Stellenweise ensteht gar frustrierende Langeweile. Und dann wirkt der neue Gesang ohne Ole auch einfach nicht mehr, wie er es früher tat. Es mag etwas banal wirken, wenn ich mich hier gerade an einem Element von vielen festbeiße, aber die Wirkung und der daraus resultierende Wandel ist nicht zu unterschätzen. Ein Schritt vor, zwei zurück.
Mehr Gesang bedeutet mehr (naive) Melodik, das bedeutet mehr Eingängigkeit, das bedeutet verringerte Komplexität. Alles zutreffend für 'Blueprint'. Leider. Ein paar nette Ideen gibt's dann aber doch noch: Ein paar mal streut man Opeth-mäßige, mystische Akustikparts ein ('From The Everyday Mountain Top'), das funktioniert auch recht effektiv. Oder mantrahaftes, atmosphärisches Gezupfe ('In Reversal'). Beruhigenderweise auch die Feststellung: Die neuen Mitglieder machen ihren Job am Instrument so superb wie ihre Vorgänger. Ja, 'Blueprint', wenn auch geradliniger, und irgendwie - Achtung, Teufelswort, ab und zu muss es ja kommen - kommerzieller, ist wahrlich kein schlechtes Album. Wächst mit jedem Durchlauf ein wenig, bis zu einer gewissen Obergrenze. Macht seinen Job wahrscheinlich auch immer noch besser als einige andere auf diesem Gebiet (Und nein, das Gebiet ist längst nicht mehr der technische, progressive Death/Thrash, sondern hat viel mehr mit der neuen Welle des arg verkrampften und selbstverliebten Alternative Metals mit aufgesetzter Psychedelik ala Incubus gemein). Aber dann schaut man zurück, und weint. Darüber, wie großartig Extol doch vorher noch waren. Und jetzt eigentlich immer noch sein könnten. Jedoch: Es scheint, als hätten die Norweger mit dem Verlust ihrer alten Mitglieder einen Großteil an eigener Inspiration verloren. Im Prinzip bleiben der Band 2 Pfade, die sie nun einschlagen könnten: Entweder eine wiederholte Neubesinnung im Sinne des Undeceived-Synergy-Sprungs, oder weiteres Absacken im großen Schlammloch der Semi-Mainstream-Bands, die nicht schlecht sind, deren musikalische Aussagekraft aber gegen Null tendiert. Oh, was bloß könnte der Band mehr Geld und Poplarität bringen? Aber halt. Genau wie die Band aus überzeugten Christen besteht, werde für diesen Moment auch mal einer. Und glaube an das Gute im Menschen. An das Gute in Extol. Verdammt, ich habe euch geliebt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

undeceived.net
Timo



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