Explorer´s Club "Raising The Mammoth" (Magna Carta 2002)

Stellt Euch vor, Progressive Rock sei ein Virus. Ihr steht auf einem Berg, seht auf das Tal hinab und eine kühle Brise erwischt euch kalt im Nacken. Zurück zuhause ist nichts mehr wie zuvor. So muss es Trent Gardner ergangen sein. Der fabelhaft Musiker hat eine, wie immer, vorzügliche Band um sich geschart: Terry Bozzio, Marty Friedman, James LaBrie, Kerry Livgren, John Myung, Mark Robertson, Steve Walsh und Gary Wehrkamp. Er hat ihnen sein Projekt vorgestellt. Sie werden die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, sich aber in die Arbeit gefügt. Zuerst: "Raising The Mammoth" ist ein brutal riesiger Koloß Progressive Rock, der selbstbewusster und arroganter nicht sein könnte. Der Virus ist in Trent´s Seele eingezogen und hat ihm die Komposition verdorben. Zwar gibt es angenehme Momente zuhauf, aber es gibt viel mehr allzu typische Töne, die sagen: hört mal her, ich bin hier der Progressive Rock. Der Untertitel des 2. Teil spricht eine beredte Sprache: "Prog-O-Matic" heißt das Stück, darauf folgt "Gigantipithicus". 3 Songs in 60 Minuten, das abschließende "Gigantipithicus" knapp eine halbe Stunde lang. Die komplexen Passagen brettern wahnsinnig, die dramatischen Stimmungen erhöhen die Taktfrequenz des Herzens, die Sänger holen alles aus sich heraus, eine unbeschreibliche Unruhe bemächtigt die Stücke. Wie ein Wirbelsturm, eine Jagd verbreitet Trent Gardner´s neues Explorer´s Club-Album eine Hektik, das man meinen könnte, er wolle etwas neu definieren, was nicht neu definiert werden muss. Die Prog Freaks werden "Raising The Mammoth" lieben, nie war anspruchsvolle Musik derart überzeugend - aber im gleichen Moment abstoßend. Eine wilde Orgie, in der man sich fühlt, als sei man als Bettelarmer allein unter Schwerreichen. Eine Überfülle wie ein Vitaminschock. Gut, dass das Werk in vielen kurzen Einzeltracks anwählbar ist, so kann man sich aus den beklemmenden Augenblicken retten. Unbedingt testen, vielleicht ein Meisterwerk.

magnacarta.net
VM



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