Esthetic Pale - Long Forgotten Words (Eigenverlag 2005)

Mit "Long Forgotten Words" legen Esthetic Pale ihr zweites vollwertiges Studioalbum (vorher gab's noch ein Demo) vor. Eher wenig, wenn man bedenkt (falls meine Informationen richtig sind), dass die Band schon seit den frühen 90er Jahren besteht. Das soll hier aber keine Kritik sein, wer weiss schon, was ambitionierten Hobbymusikern alles so im Weg steht, wahrscheinlich würden die Jungs und Mädels liebend gern viel öfter mit CDs reüssieren.

Vielleicht sind auch gerade die Mädels in der Band der Grund, warum es etwas länger dauerte? Wenn ich die Besetzungsliste von "Hope" (dem Vorgänger) und "Long Forgotten Words" vergleiche, dann finde ich die Namen der Jungs wieder, aber die der Mädels haben sich geändert. Scheint also ein neues Gesangs-Duo am Start zu sein... Anyway, genug der Spekulation. Pale, das sind in 2005: Katrin Litty und Claudia Speicher am Gesang, Claus Peter Furhmann an den Tasten, Joachim Habernoll am Schlagzeug, Matthias Ibelshäuser an der Gitarre und Andreas Vöhringer am Bass.

Auf "Long Forgotten Words" bieten Esthetic Pale Edel-NeoProg aus deutschen Landen. Hochmelodisch geht die Band "aus der Pfalz" zu Werke, ohne dabei eine Portion Schmackes zu vergessen. Während die dominanten Stücke des Albums, die zu Beginn und am Ende platziert sind, NeoProg-Epen im besten Sinne sind, gibt es im Mittelteil der CD Ausbrüche aus diesem Soundkonzept und kleine Interludien, die Abwechslung bringen.

Die langen, epischen Stücke sind keyboarddominiert, wobei sich aber Tasten und die teilweise heftige Gitarre nette Duelle liefern. Leider sind die Stellen, an denen Gitarrist Ibelshäuser den ProgMetaller auspackt, etwas rar. Hier hätte ich mir noch mehr gewünscht, sozusagen als Ausgleich zu den ausladenden Tastenparts, die schon manchmal in NeoProg-Klischees abgleiten. Allerdings benutzt Keyboarder Fuhrmann durchaus gelungene Sounds, so dass nur absolut keyboard-averse Hörer Schwierigkeiten haben werden. Dazwischen gibt es auch schöne E-Piano-Läufe. Sprich: Es wird nicht allzu quietschig, aber die Tasten sind, wie gesagt, omnipräsent.

Neben gutem Gesang (dazu gleich noch mehr) bieten Esthetic Pale vor allem tolle Instrumentalparts, die auch schon mal moderat frickeln dürfen. Auch wenn vielleicht nicht jeder Übergang und jedes Break hinhaut, wirkt das alles sehr organisch und nicht künstlich aufgeputscht. Die Musik würde nicht funktionieren, wenn nicht Bass und Schlagzeug ein komplexes und stabiles Fundament legen würden.

Der Opener "Phonecall 4 am" ist ein starkes Stück, welches einen gleich gefangen nimmt. Selbiges gilt wie bereits erwähnt für die Epen gegen Ende, "Frozen Phoenix" (insbesondere hier darf sich der Gitarrist auch mal austoben) und "Ophelia's Last Word". NeoProg-affine Hörer erhalten hier die Vollbedienung. Geschickt wird mit härteren, dynamischen Parts und wieder ruhigen, elegischen Teilen gespielt.

Dazwischen stecken mit "God's Notion" eine Art Melodic-Rock-Edel-Bues, in dieser Kombination ist mir das auch noch nicht untergekommen, und mit "As Far As I Can Tell" ein mittelalterlich anmutendes Akustik-Gitarren-Interludium.

Neben der ausladenden musikalischen Arbeit ist der Gesang ein signifikantes Merkmal von Esthetic Pale: Zweistimmiger weiblicher Satzgesang, sehr perfekt dargeboten. Hier können einem wirklich wohlige Schauer über den Rücken laufen. Und das sagt einer, der sonst eher so seine Probleme mit weiblichem Gesang hat. Solcherart Gesang hört man nicht so häufig und das gibt Esthetic Pale schon eine ganz eigene Note. Erstaunlich auch, dass man, da man ja anscheinend die Gesangspostitionen komplett neu besetzen musste, wieder so ein gut harmonierendes Duo gefunden hat. Die 'Pfalz' scheint mit guten Sängerinnen gesegnet zu sein...

Ein gefundenes Fressen für Hörer, die moderat-komplexe, melodische Rockmusik mit einer Portion "Schmackes" und weiblichem Gesang mögen. Das Album ist direkt bei der Band erhältlich.

estheticpale.de
Thomas Kohlruß



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