Espen Eriksen Trio "You Had Me At Goodbye" (rune grammofon, VÖ: 23.04.2010)

Der warme Folk-Jazz-Sound auf "You Had Me At Goodbye" ist zum Hit geboren. Die 8 nachdenklich melancholischen Songs turteln wie Frühblüherwiesen ins Bewusstsein, satt in der kompositorischen Kraft, leicht und beschwingt im warmherzigen Arrangement, mitnehmend, wohltuend, weniger wirklich unterhaltsam als viel mehr pure Streicheleinheit. Dabei kein Gran Kitsch oder Standard, sondern erhaben und schöngeistig, lyrisch tiefgehend, zart perlend, ohne mit Schwülstigkeit zu flirten, satte Melodiefarben setzend, in alle Herzlichkeit und verspielte Melodiebeglückung ein Hauch von skandinavischem Frühlingswind webend, hell und klar zwar, aber kühl und rau, echt halt.
Das Espen Eriksen Trio besetzt einen kleinen Sockel, thront sich auf sein Denkmal und muss doch nach oben und hinten schauen, denn da sind einige, die diese spröd-zarten Kuscheligkeitsphantasien so dezent und dunkelzart bereits gewoben haben - und einige sind zu wahren Klassikern geworden. Zuerst muss da Jan Johansson genannt werden, dessen Verlorenheit so unendlich tief war, dass kaum ein Nachfolger seine Pfadbereitung jemals wird überleuchten können.
Doch nichts ist schlecht an dem verzückt verbaumelten Spiel des Trios. Espen Eriksen (p) ist der erste Melodiker im Bund, handwerklich und technisch ist sein Beitrag - wie der seiner Mitstreiter - über jeden Zweifel erhaben. Was Lars Tormod Jenset (b) und Andreas Bye (dr) samt ihrem Namensgeber und Triochef hier zaubern, hat grandiose Kraft und erstklassige Qualität. Das Trio lebt ein inniges Rhythmusgefühl, ohne dies besonders zu betonen; die weichen und warmen, zarten und zackigen Lässigkeiten perlen so selbstverständlich pulsierend und üppig wenig betont, dass nur zu hören und staunen bleibt.
Schlagzeuger Bye hat Rocksattheit in Händen und Füßen, in aller lyrischen Zartheit und innigen Verspieltheit. Jenset und Eriksen sind mehr Folk als Jazz - überhaupt ist diese Art, wenn dann europäischer, genauer gesagt skandinavischer Jazz, mit konzertantem Hintergrund, historisch gewachsen, Folklore-durchflutet, es scheint, als klängen Jahrhunderte an Generationsmusiken durch die Band (wie es vielmehr bei Jan Johansson so überaus verloren und hilflos genial zu vernehmen ist - leider sind seine Platten schlecht und nur teuer zu bekommen, und die überwiegende Anzahl, noch mehr leider bis schließlich total blöd, gar nicht).
Das Espen Eriksen Trio ist kein Ersatz, sondern ein selbstbewusstes Denkmalerlebnis, zum Anhören wie Genusstherapie, ganz im Sinne des aktuellen Lebensqualitätsverständnisses. Mehr würde gehen, wenn die Platte/CD nicht schlicht etwas über 37 Minuten lang wäre. Doch so markant sind die Songs nur im mehrmaligen Hören, dass sie nicht zwei Mal hintereinander gehört werden können und ihre Ausstrahlungsminuten somit verdoppeln.
Vielleicht noch so viel Parallele: Tord Gustavsen und Esbjörn Svensson sind etwaige aktuellere. Wer den Plattenschrank mit viel European Melancholic Folk Jazz voll haben will, kann auch viel Geld ausgeben.

myspace.com/espeneriksen
runegrammofon.com
VM





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