elephant9 with Reine Fiske "Silver Mountain" (rune grammofon 09.10.2015)


Eigenbeschreibungen sind immer so eine Sache. elephant9 machen kein großes Ding draus und nennen ihren Sound kurz: high-octane rock'n'jazz psychedelia. Truckerblues klingt anders, wenn dort der Begriff Oktan eine Motorsüffige Rolle spielt. Das Trio+ (mittlerweile gehört Dauergast Reine Fiske quasi als festes Mitglied zur Band) spielt Avant Psychedelic Prog Jazz mit wilder Note und großer Geste in nonchalanter Epik. Dieses Mal, auf dem vierten Studioalbum "Silver Mountain", sind 5 Songs zu hören die 76:02 Minuten füllen. Darunter das wohl ausgefallenste Cover von "You Are The Sunshine Of My Life" (Stevie Wonder), das je veröffentlicht wurde.
Ståle Storløkken (Hammond Organ, Fender Rhodes, Minimoog, Prophet t8, Piano, Supersilent, Humcrush, Motorpsycho, Terje Rypdal), Nikolai Hængsle Eilertsen (Bass, Acoustic Guitars, Big Bang, Møster!), Torstein Lofthus (Drums, Shining) und Gast Reine Fiske (Electric and Acoustic Guitars, Dungen, The Amazing, Landberk, Morte Macabre, Paatos) starten mit dem Opener "Occidentali" (14:26) lebhaft entspannt. Auf leichter, fast tanzbarer Rhythmusfläche sitzen Reine Fiskes Gitarre und Ståle Storløkkens sphärisch lyrische Tasten. Es dauert nicht lange und der epische Reigen findet Dramatisierung. Als Liveband sind elephant9 eine Bank, sehr beliebt, was für eine Instrumentalband mit ultralangen Songs wohl die Ausnahme ist. Die drei Norweger der Stammband zählen zu den besten Musikern ihres Landes überhaupt. Die Leichtigkeit des Bandinterplays in seiner technisch hohen Qualität und perfekt eingespielten Bandmaschine ist sehr gut zu hören. Denn so einfach das erste Thema scheint, bauen sich schnell Ecken und Kanten aus, arbeitet sich schwere Energie ein, die nach ein paar Minuten zerfließt, um einer langen, elektronisch wirkenden Traumsequenz mit Vibraphon Raum zu geben, aus der crimsoneskes Chaos erwächst, das Jazz rockelektronisch zelebriert. Was für ein gefährlich brodelnder Sound! Und typisch elephant9 hält das Chaos einige Zeit an, bevor sich schwerer, rasanter Orgel-Hardrock daraus entwickelt, der zugleich an Supersilent erinnert wie er die Idee vom Gegenteil von Supersilent zelebriert. Die sich anschließende nächste lyrische Passage mit starkem Bass und typischen Prog-Tasten wirkt wie eine Traumsequenz aus King Crimson und Devil Doll. Doch schon bald holt drahtig kerniger Hardrock das Thema ein und wälzt einen wuchtigen Sound darüber, über dessen Basisthema sphärische Jazz-Keyboardtasten flattern. Nie war Space Rock jazztrunkener. Gleichzeitig klingt das pausenlos energische Geschehen cool und locker, was es, für Spezialisten, tanzbar macht. Wenn es auch ordentlich schräg zur Sache geht, ist der Sound nicht sperrig oder schwer, sondern erstaunlich eingängig, für Hörer, die derlei gewohnt sind.
Stevie Wonders Klassiker "You Are The Sunshine Of My Life" erfährt hier in 10:05 Minuten seine wohl spacigste, verrückteste Version. Eine Traumsequenz startet, versponnene Motive, dezenter Rhythmus im Off, verspieltes Treiben in ambienter Note, alles weit weg, berückend. Fast 4 Minuten nehmen elephant9 sich Zeit, aus dem Nichts in das Thema vorzurücken. Doch dann ist das bekannte Motiv noch längst nicht erreicht. Das ambiente Intro geht in Filmmusik-Artige Rockepik über. Die Tasten erinnern ironisch an Sounds der Sechziger, Fiskes Gitarre an Landberk. Der stoische Rhythmus indes trägt das zweite Thema kernig voran. Als der Track nur noch etwa drei Minuten Laufzeit übrig hat, scheint sich Stevie Wonders Thema konkreter bemerkbar zu machen. Genau hinhören. War es das jetzt? Da, wieder ein Teil. Dann Jazzhardrock-Wirbel. Sixties-Keys, Landberk-Gitarre, Hardrockjazzwucht. Bis zuletzt bleibt es dem Hörer überlassen, Stevie Wonders Idee aus diesem epischen Koloss herauszulesen. Verschmitzt wage bleibt der Ansatz dieser Jungs. Coole Idee!
"Abhartach" (9:21) ist erneut ein improvisativ wirkender Track. Konkrete Hardrock-Idee geht im Jazz-Geist auf. Verrückt Psychedelisches, das kaum greifbar scheint, trifft auf die volle Wucht kernigen Hardrocks im Geiste der frühen Siebziger. Dazu gesellt sich atonale Jazztrunkenheit, die das verwirrende Spiel faszinierend verschiebt und pulsieren lässt. "Kungsten" (20:06) und "The Above Ground Sound" (22:02) gehen im gleichen Stil auf, wobei der letzte Track die psychedelischste, improvisativste Nummer ist. Die Bandbeschreibung - high-octane rock'n'jazz psychedelia - trifft es, genau betrachtet, auf den Punkt. Wüste Klanggemälde wie mäandernde Lavamassen dräuen über die Landschaft und entfachen einen unbeirrbar spannenden Sound, der ungemein unterhält, neugierig macht, immer wieder für kernige, mitreißende Punkte sorgt (die Hardrock-Wucht) und durch unglaubliche Improvisationslust in den Bann zieht. Die ambiente psychedelische Note bringt die Songs zum Kochen, woraus das verspielte Quartett, konzentriert und gewiss mit viel Spaß an der Arbeit, mal in konkrete Rockmuster, dann in improvisative Jazztrunkenheit kippt. Was für ein Hammer-Sound, welch irres Gebräu.
Meine Empfehlung!

Tracks:

Occidentali
You Are The Sunshine Of My Life
Abhartach
Kungsten
The Above Ground Sound

runegrammofon.com
VM



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