Elderoth "Mystic" (Eigenproduktion 2015)


Ja, iss es denn die Möchlichkeit? Auf "Mystic" werden die Prog Metal-Brocken in asiatischer Soße statt in kanadischem Brie gereicht. Das ist - gleich zu Beginn sei es betont - etwas für absolute Feinschmecker, denen aufgesetzte Theatralik im Weichkäse-Ambiente auf den Zeiger geht, denn hier fehlen völlig die üblichen Geschmacksverstärker der asiatischen Küche; anstelle dieser Ingredienzien arbeitet die Band lieber mit Marshalls oder ähnlichem, die einen solch scharfen Klang produzieren, dass es einen weg bläst. Die Keyboard-Arpeggios flirren durch das tonale Dickicht, dass es eine wahre Freude ist; Temopwechsel sorgen für Abwechslung en masse. Von getragen-hymnischen Teilen bis hin zu pfeilschnellen, Blast-Beat-getränkten Versatzstücken reicht das Spektrum. Alle Instrumentalisten sind echte Koryphäen, aber die Gitarrenarbeit der beiden Griffbrettartisten sticht besonders hervor. Auch die Arrangements sind außergewöhnlich - echt bärig, pandabärig. Gänzlich anders als bei den Black Metal-Ver(w)irrten, die sich einen schwarz-weiß-Anstrich geben und dabei vergessen, dass sowohl schwarzes als auch weißes Licht (subtraktive bzw. additive Mischung) aus verschiedenen bunten Farben besteht, werden hier musikalische Einflüsse aus dem Reich der Mitte so geschickt mit westlichen Elementen verwoben, dass diese Band aus China kommen könnte. Tut sie aber nicht. Die Jungs von Elderoth sind in Montreal beheimatet und beweisen, dass es durchaus Sinn machen kann, sich mit den musikalischen Traditionen anderer Länder zu beschäftigen, wenn keine musikalische Mickey Mouse dabei heraus kommt, sondern der Meister derart geschickt kopiert wird, dass es ihm zur Ehre gereicht. Die chinesischen Skalen sind, soweit ich dies als großer Liebhaber der traditionellen chinesischen Musik beurteilen kann, ziemlich originär in die Stücke eingebaut. Überhaupt sollten sich, wie ich finde, die hiesigen Musiker mehr mit den ethnischen Klangkosmen - arabisch, chinesisch, mongolisch, indisch, japanisch, indonesisch, russisch, mittel- und südamerikanisch etc. - beschäftigen. Das "westliche" Schmoren im eigenen Saft wirkt begrenzend und zeugt nicht zuletzt von einer gewissen Überheblichkeit, verbunden mit dem als obsolet betrachteten Sendungsbewusstsein des Kolonialismus. Im Jazz ist es beispielsweise bereits seit Jahrzehnten gang und gäbe, Einflüsse verschiedenster Kulturen zu verarbeiten, weshalb der Jazz niemals Probleme mit in Redundanz resultierender Gleichförmigkeit hatte, weil eine Band die andere und darüber hinaus noch jede Band sich selbst so stümperhaft kopierte, dass ein solch zäher Klangbrei entstand, der vielen nach Neuem gierenden Musikfreunden wie ein Kloß im Hals stecken blieb. Dies kann man Elderoth garantiert nicht vorwerfen, allenfalls, dass einige Stücke kompositorisch noch ausbaufähig sind und daraus Long-Songs hätten werden können. Die acht Stücke plus Intro bringen es auf eine Spielzeit von nur 34 Minuten. Ich will aber viel mehr vom Können dieser genialen Kanadier hören und zwar schnell!!!

elderoth.com

Frank Bender




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