Echolyn - The End Is Beautiful (Eigenverlag 2005)

Schon lange hatte ich kein Album mehr mit so einer gespannten Vorfreude erwartet, wie das neue Werk von Echolyn. Heldenhaft hatte ich mich bei einigen Gelegenheiten, die sich boten, beherrscht, vorher mal 'reinzuhören. Nein, ich wollte mir das Erst-Erlebnis mit dem Original-Album nicht nehmen lassen...

...umso schöner, wenn sich die geballte Vorfreude dann in prallem Genuss entlädt, so wie das hier der Fall ist.

In 2005 sind Echolyn praktisch wieder in der Ur-Besetzung zusammen: Christopher Buzby (im wesentlichen Tasten), Brett Kull (Gitarren, Gesang), Paul Ramsey (Schlagzeug), Ray Weston (im wesentlichen Gesang, aber auch mal Gitarre oder Tasten) und Thomas Hyatt (Bass). Alle singen auch schon mal bei den schönen Chören.

Echolyn sind eine erstaunliche Band: Vom locker-flockigen Happy-Prog des ersten Albums hat man sich bis "As The World" zu einer vertrackt agierenden Retro-Frickel-Combo entwickelt. Nach der Wiederauferstehung gab's zunächst eher straighten Melodic-Prog mit ein paar 'Alternative Rock'-Anleihen und dann schliesslich das Mammutwerk "Mei", welches so ganz und gar untypisch für die Band der kurzen, prägnanten Songs daherkam. Bei all diesen Entwicklungen ist Echolyn der Prototyp einer Gruppe, die immer irgendwie nach sich selbst klingt, aber sich dabei eben nicht ständig selbst reproduziert. Eine organische Evolution sozusagen, die die Fans mitnimmt, aber doch auch immer wieder spannendes Neues bietet.

"The End Is Beautiful" treibt diese Entwicklungs-Evolution irgendwie auf die Spitze. Hier hören wir typische Echolyn-Klänge und doch ist alles anders. "Retroprog" habe ich als Kategorie gewählt, als ich das Album im Redaktionssystem erfasst habe. Aber je öfter ich das Album höre, desto zweifelhafter finde ich diese Einstufung. Allerdings weiss ich auch keine bessere. Echolyn sind musikalisch ungreifbarer denn je.

Es gibt immer noch diesen Unterbau an Melodielinien, Songstrukturen, Kompositionen, die an die Wurzeln im klassischen Prog gemahnen. Und witzigerweise ist es ausgerechnet Keyboarder Buzby, sonst als Quietsch-Meister verschrien, der durch seine seit "Cowboy Poems Free" noch gewachsene Begeisterung für analoge Synthie-Sounds, Klavier und Hammond-Orgel, diesen Eindruck noch verstärkt. Andrerseits klingt das Album ungeheuer modern. Die rockigen, zuweilen schrägen Gitarrenlinien, das vordergründig unspektakuläre, aber ungemein lässige Drumming, der profunde Bass, alles das klingt für mich überhaupt nicht mehr retro, sondern wie moderner, komplexer melodischer Rock. Dazu kommen sparsame, aber effektive elektronische Effekte, vor allem bei diversen Song-Einstiegen. Das geht soweit, dass "Lovesick Morning" zunächst wie ein waschechter New Artrock-Song beginnt. Zumindest dieser Anfang wäre auch auf einem Porcupine Tree-Album nicht aufgefallen.

Ungewöhnlichste Klangerweiterung sind allerdings die Bläser, die auf drei Titeln die Soundfülle nochmal deutlich erweitern. Die Gäste Mark Gallagher, Erik Apelt und Phil Kaufman bedienen Saxophon, Trompete und Posaune. Im Zusammenspiel mit einem ungemein angejazzten Piano und röhrender Hammond liefern die toll arrangierten Bläser ein wohliges Jazz-Rock-Feeling. So erinnert mich "Heavy Blue Miles" gelegentlich an After Cryings "Show". Und bei "So Ready" liefert Buzby am Clavinet (schätze ich zumindest mal) noch tolle Funky-Linien ab, die einen absolut frechen Groove verbreiten.

Die Grundstimmung des Albums ist darüberhinaus düsterer, psychedelischer als bei allen anderen Echolyn-Werken. Mit "Georgia Pine" beginnt es ja noch eher locker-groovig. Aber besonders im epischen "Lovesick Morning" oder dem melancholischen "Arc Of Descent" wird diese andere Grundstimmung greifbar. Des Letzteren Untertitel lautet "Dancing in a motel just west of Lincoln", ja und man sieht sie förmlich vor sich, die verlorene Gestalt, die sich einsam im Morgengrauen zur Musik im kargen Motelzimmer wiegt. Wenn's nicht so blöd klänge, würde ich sagen, die Jungs werden anscheinend langsam erwachsen. Konnte man Echolyn früher hin und wieder vorwerfen ein paar Noten zuviel zu spielen, so sitzt hier alles am rechten Fleck.

Gesanglich gibt es bewährte Echolyn-Kost auf die Ohren. Tonsicherer Einzelgesang, der schon mal ein bisschen schräg ausflippen darf, und noch bessere Chöre und Harmoniegesänge.

Echolyn ist ein grosses Album gelungen. Mir gefällt das um einiges besser als "Mei", sozusagen die organische Verbindung aus "Cowboy Poems Free" und "As The World" mit einem Schuss Jazz-Rock. Mit "Lovesick Morning" hat es mir ausgerechnet der längste Song des Albums besonders angetan, wo ich doch sonst immer sage, Echolyn haben kein Talent für die "lange Form".

Im September 2005 befanden sich Echolyn auf Europa-Tournee. Nachdem man auf der Echolyn-Mailingliste nachverfolgen konnte, dass die Jungs von der Band sich fast noch mehr als die Fans darauffreuen in Europa spielen zu dürfen, waren die Konzerte auch entsprechend gut. Dieser Enthusiamus macht diese Band so sympathisch. Bei der FreakParade in Würzburg am 11.09.2005 wurden die Fans einfach wegblasen ;-)

echolyn.com
Thomas Kohlruß



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