Dream The Electric Sleep "Heretics" (Eigenproduktion, Just For Kicks, 31.0.102.14)


Die nächste Generation. Musik hat kein Ende. Wenn auch ein Stil in seiner erfolgreichen Stetigkeit Vorbilder und eifrige Nachfolger sammelt und so zu einem vollgestopften Pool kreativer Werke wird, dass Sättigung eintritt. Doch verebbt der Stil, so er Kraft und Saft hat, nicht, sondern durchläuft die Metamorphose, wie sie der ewige Phoenix erleben muss und wie sie in der Natur häufig vorkommt. Wovor der Mensch nicht gefeit ist, alt zu werden, was jede Jugendanmut stumpf und faltig macht, bleibt nichts Irdischem vorbehalten. Progressive Rock häutete sich bereits so manches Mal, schon vor 1970 wandelten sich die Stilmittel der Musik, die noch keinen Namen trug, und die wohl noch dann kreativ gelebt werden wird, wenn jeder aktuell lebende Mensch in die ewigen Jagdgründe eingegangen sein wird.
Dream The Electric Sleep sind ein starkes Zeichen des Wandels. Das Trio Matt Page (g, lead voc, Banjo, keys), Chris Tackett (b) und Joey Waters (dr, voc) nimmt Elemente diverser rockmusikalischer Stile auf und erschafft einen eigenen Kosmos, der neu und alt zugleich ist. Alt, weil er auf die Entwicklungen der Rockmusik eingeht und sich als Teil dessen erfährt, neu, weil keine Vorbilder kopiert werden, keinem Stil nachgeeifert, keine geübte und begehrt anerkannte Struktur nachvollzogen wird. Hier werden Stilmittel vereint, die vor 20 bis 15 Jahren noch als gegensächlich galten. Pop, Alternative, Indie, Metal, Psychedelic, Progressive - komplexe Struktur, eingängige Harmonien, minimalistische Pfade, lyrische Gesangslinien, dramatische Songentwicklungen - lange Songs - so klangen U2 nicht, King Crimson nicht, und Radiohead nicht. DTES nennen Genesis, Pink Floyd, King Crimson, The Moody Blues, U2, Ride, Catherine Wheel und Radiohead als Einflüsse - gewiss sind da zahllose mehr. Aber diese genannten sind nicht im Einzelnen herauszuhören.
Und doch steckt in den Songs immer wieder eine Spur, die deutlich auf die Vorbilder verweist, nur um sogleich eine Wendung zu nehmen, die diesem Klassiker nicht gegeben war. Vielleicht würde ich persönlich meinen, DTES seinen die zeitgeistige Komplexvariante früher U2, aber bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist, wäre das Trio in seiner eigenen Art schon 4 Kutter und 3 Weltmeere weiter. Es bringt nichts, auf verwandte Anklänge zu verweisen. Dream The Electric Sleep sind vor allem keine Jünger, sondern experimentelle Forscher. Technisch perfekt eingespielt und soundtechnisch sehr gut eingefangen (was bei manchem 'Wall of Sound' in den einzelnen Songs gewiss nicht einfach war, vor allem, weil die Lautstärkeeinbrüche ebenfalls kraftvoll klingen sollen - und klingen), beweist das Trio kreative Idee, handwerkliche Energie und ebenso den Drang, heftig zu rocken wie lasziv zu schweben. Über Jahre vielfach geübte Altrocker werden die fetten Rockmonster in ihrer oftmals reichen und räumlichen Harmonik erklimmen und mit den Akustiknummern ihre zu überstehende liebe Not haben, wenn der Nachwuchs das wohl genau andersherum sehen wird. Warum auch immer, das Gros der Nachwuchshörer mag es leiser, weniger krass. Und die werden mit einer großen Fülle lyrischer Ideen überhäuft, die sich indes wiederum in dramatisch kernige Rockmonster verwandeln.
Über 73:15 Minuten läuft die 11 Songs fassende CD. Da sind epische Magie, nonchalante Alternative Rock-Gesänge mit ausladender, und schick verhallter Lässigkeit, vitale Rockenergie, die sich stilistisch nicht binden will und ohne auf das Œuvre der Popmusik zu schielen kernige, straffe, forsche Motive findet und ausbaut, die keine Doubletten sind, sondern eigenständige neue Ideen, deren DNA-Abschnitte aus dem ganzen Pool neu kreiert.
Ach was, hört es euch nur selbst an!

dreamtheelectricsleep.com
justforkicks.de
VM




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